Berlin. Biographie einer Stadt.David Clay Large
Gebundene Ausgabe
" München", hat der im U S-amerikanischen Montana lehrende Historiker David Clay Large einmal gesagt, "ist mit Abstand meine Lieblingsstadt in Deutschland" - auch wenn man es seinem München-Buch so nicht entnehmen könne. Aber tatsächlich hatte Large die Biografie der Isar-Metropole ja auch nicht der Stadt an sich, sondern im besonderen Hitlers München gewidmet, dem München also, in dem des Diktators Aufstieg seinen unseligen Anfang genommen hatte. Wenn wir dieses Bekenntnis nicht noch im Ohr gehabt hätten, nach der Lektüre seiner nun vorliegenden Berlin-Biographie wären wir überzeugt gewesen, die alte und neue deutsche Hauptstadt müsse zweifellos die Lieblingsstadt dieses Amerikaners sein. Den Eindruck jedenfalls muss man gewinnen, wenn man sieht, welch enorme Detailkenntnisse er sich über die Stadt an der Spree angeeignet hat. Die herausragenden historischen Daten im Leben Berlins sind die beiden deutschen Einigungen 1871 und 1990. Sie sind zugleich die Grundpfeiler, zwischen denen Large die Lebensgeschichte der Stadt entfaltet. Ob Berlin je wirklich Metropole, Weltstadt war, darüber mögen die Meinungen auseinandergehen. In den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts aber war Berlin ganz zweifellos eines der herausragenden kulturellen Zentren Europas und erlebte in der bildenden Kunst, dem Theater, der Musik und der Literatur eine Blüte, wie danach nie mehr. Grundlegend verändert wurde das Gesicht der Stadt durch die Nationalsozialisten, die all das als undeutsch verdammten, was zuvor die Stadt zum Magneten nicht nur für Kulturschaffende gemacht hatte. Stattdessen wollten sie hier des Führers wahnwitzige Idee von der Welthauptstadt Germania verwirklichen. Schauerlich. All dem machten die Bomben der Alliierten ein ebenfalls schauerliches Ende. Und schauerlich schließlich auch, was hernach insbesondere im Osten der Stadt an architektonischen und kulturpolitischen Sünden - von allem anderen einmal ganz zu schweigen - aufgehäuft wurde. < P> Jedenfalls konnte man nirgends die Gegensätzlichkeit der beiden politischen und kulturellen Weltentwürfe besser und auf engerem Raum studieren als im geteilten Berlin, das spätestens seit dem Bau der Mauer 1961 und über deren Öffnung hinaus vor allem eines war: Symbol für die bipolare Welt des Kalten Krieges. Von all dem und allem anderen, was das Leben Berlins und das Leben in Berlin über die Jahrzehnte ausgemacht hat, berichtet Large ausgesprochen kenntnisreich und wagt auch einen vorsichtigen Blick in die Zukunft. Dort, so vermutet er, kann das wiedervereinigte Berlin vielleicht sogar wieder anknüpfen an seine Vergangenheit als Weltstadt, die es seiner Meinung nach in der Zwischenkriegszeit gewesen ist. Large hat mit der Biografie von Städten ganz offensichtlich sein Genre gefunden, und mit Berlin ist ihm ein fulminantes Buch gelungen, das anschaulich mit der Geschichte der vielleicht heterogensten aller Metropolen zugleich die Geschichte Deutschlands erzählt. -Andreas Vierecke
|