Du, mein Licht in dunkler Nacht

Ein Liebesroman von Peter Althammer

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Die Erinnerung

Sheila saß längst in einem Taxi und fuhr zu ihren Eltern, wo sie ja derzeit zu Hause war. Sie fühlte sich nicht sehr wohl. Immerzu musste sie an Johnny denken. Es ärgerte sie sehr, dass sie nicht nach seiner Adresse oder zumindest nach einer Telefonnummer gefragt hatte. Das einzige was sie von ihm wusste, dass er Johnny hieß und dass er fast jedes Wochenende zu seiner Großmutter, die am Stadtrand ein kleines Häuschen hatte, fuhr. Und während sich die Fahrt im Taxi fortsetzte, entspannte sie sich etwas, um einen klaren und nüchternen Gedanken zu fassen.
Man, Sheila, reiß dich zusammen! Du bist fünfunddreißig Jahre alt und kein Teeny mehr. Ich kann einfach nicht aufhören, an Johnny zu denken. Ich glaube es einfach nicht, ich küsse nach nur zwei Stunden einen mir wildfremden Mann. Oh mein Gott, ich bin eine Schlampe. Und wenn schon, ich brauche es ja niemanden zu erzählen. Aber wenn ich ehrlich bin, so gut wie dieser Johnny, hat mich noch kein einziger geküsst. Es ging mir fast wie ein Stromschlag durch den ganzen Körper. Am liebsten hätte ich ihn noch viel länger geküsst. Wenn ich so recht nachdenke, war er ja ein bisschen mollig, genau und ein kleines Bäuchlein hatte er zudem auch noch. Wie ich schon dachte, eigentlich ist er ja so gar nicht mein Typ. Komisch, ich stand doch eigentlich auf Männer, die einen gut durchtrainierten Körper aufweisen konnten. Und bei Johnny konnte davon überhaupt nicht die Rede sein. Und sehr groß ist er ja nun auch wirklich nicht. Er ist nur ein bisschen größer als ich. Na ja, ich hatte ja Schuhe mit hohen Absätzen an. Wenn ich sie nicht an hätte, wäre er doch um einiges größer als ich. Was ist nur los mit mir, was für einen Unsinn denke ich mir da zusammen. Kann es sein, dass ich mich in ihn... Ach Quatsch. Vielleicht mag er mich gar nicht mal. Wieder Unsinn, wenn er mich nicht mögen würde, hätte er mich überhaupt nicht geküsst. Obwohl, wenn ich so nachdenke, sind viele, ja fast alle Männer nur noch Unterleibs gesteuert. Ob er wohl einer davon ist? Nein, so darf ich nicht von ihm denken. Ganz so dumm bin ich auch nicht. Ich bemerkte ja, dass sein ganzer Körper zitterte, obwohl wir uns nur mit unseren Lippen berührten. Ich glaube, ich bin verrückt geworden. Oder etwa doch nicht. Ich sollte ihn vielleicht wiedersehen. Mist, ich habe ja seine Adresse gar nicht mal. Verflixt, warum habe ich ihn nicht nach seinem Nachnahmen gefragt. Ich bin ein Dummkopf. Halt, er hat doch meinen Nachnahmen. Oder habe ich ihm doch nicht meinen Nachnahmen gesagt? Doch, ich kann mich gut erinnern, dass ich gesagt habe, mein Name ist Sheila Roiger. Genau, er hat meinen Namen. Wenn er mich wirklich mag, dann kann er ihn ausfindig machen. Oder ich mache ihn ausfindig. Er sagte doch, dass er fast jedes Wochenende zu seiner Großmutter fährt. Heute ist Samstag und es war der 8 Uhr Zug, den ich nahm. Da er aus Nürnberg wie er sagte kam, saß er dann folglich eine Stunde eher im Zug. Also, stieg er um 7 Uhr in den Zug ein. Wenn er ein Gewohnheitsmensch ist, dann könnte ich ihn am nächsten Samstag um die gleiche Zeit im Zug antreffen. Ich brauch also nur wieder den 8 Uhr Zug zu nehmen und schwupps sind wir wieder vereint. Ach was denke ich da. Ich kenne ihn doch überhaupt nicht. Ich bin doch noch nie einem Mann nachgelaufen. Das habe ich doch gar nicht nötig. Wenn ich ihm etwas bedeute, dann meldet er sich schon. Ich meine auf irgendeiner Weise. Oh Sheila, reiß dich jetzt zusammen. Es war ein schönes Erlebnis und dabei sollte es auch bleiben. So und nun lebe dein Leben und denke nicht mehr an diesen Johnny.
Nachdem Sheila ihre wirren Gedanken einigermaßen wieder unter Kontrolle hatte, beschloss sie, diese flüchtige Begegnung als ein kleines und schönes Erlebnis, also als ein Abenteuer in Erinnerung zu behalten. Doch ihr innerstes Gefühl in Ihrem Herzen flüsterte ihr leise zu, dass es mehr als das war. Dann hielt das Taxi an und die Fahrt fand sein Ende.
»So, hübsche Frau, wir sind am Ziel. Das macht dann, zweiundzwanzig Euro bitte.« verlangte der Taxifahrer.
»Sheila saß hinten und holte aus Ihrer Tasche die Geldbörse und reichte dem Taxifahrer fünfundzwanzig Euro nach vorne.
»Das stimmt so.«, gab sie ihm Bescheid und stieg aus. »Oh, danke sehr und einen schönen Tag, hübsche Frau.«
Sheila gab darauf keine Antwort, denn sie musste wieder an Johnny denken und das, obwohl sie es gar nicht wollte. Langsam und völlig durcheinander ging Sheila auf den Haupteingang, der zum Grundstück, auf dem ein mächtig pompöses Haus stand, zu und blieb vor dem großen und mächtig wunderschönen Eingangstor im Barockstil stehen. Es folgte ein kurzes Hherumstöbern in ihrer Tasche.
»Man, wo ist denn nun diese blöde Karte.«, ärgerte sie sich laut, im Selbstgespräch.
Für den Einlass auf das Grundstück und dem Hause der Roigers benötigte man keine Schlüssel, so wie es die meisten Bewohner in dieser, ach so feinen Gegend bevorzugten, nein ihre Eltern wollten natürlich von allem anderen Hervorstechen. Dazu brauchte man, natürlich eine spezielle und elektronische Karte mit einem 8stelligen Sicherheitscode. Sheila hatte sich schon oft darüber geärgert, wenn sie ihre Karte verlegt oder zuhause vergessen hatte. Oft musste sie lange warten bis sie ins Haus eingelassen wurde. Ihre Eltern waren nach ihrer Meinung, sprichwörtlich im höchsten Maße Snobs. Und wünschte jemand Einlass, im ach so feinem Hause der Roigers, so musste es schon mit Stil sein. Man konnte eine Karte schicken, um Einlass zu erbitten also, termingerecht, oder sich telefonisch anmelden. Es kam auch sehr oft vor, dass gesellschaftsgerecht bestimmte Kunden oder gar Persönlichkeiten geladen wurden. In diesem Falle wurde eines des Hauspersonals, von dem es Sechzehn an der Zahl im Hause der Roigers gab, am Haupttor postiert und das, obwohl es auch automatisch geöffnet werden konnte. So wurde dann beim Ankommen der hohen Persönlichkeiten, eigens für sie, das prunkvoll aus echtem Guss von Hand geschmiedet, verziert und im höchsten Maße der Zeit gerecht gefertigte, zudem höchstpersönlich, dieses jene schwere Tor von Hand geöffnet. Dieses Personal bezog den gesamten Kellerbereich des riesigen Anwesens. Natürlich war der Keller ja fast wie ein kleines Hotel ausgebaut und mit allem, was man zum Leben vor und nach der Arbeit so brauchte, ausgestattet. Einer der wenigen Dinge, die Sheila von ihren Eltern sprichwörtlich dufte fand. Den Hausangestellten fehlte es wirklich an nichts. Jedoch musste jeder einzelne alles können, vom Bügeln bis hin zum Bedienen und so weiter und sofort. Außer das Kochen, da mussten schon einige Meisterköche ihres Faches her, von dem es gleichermaßen zwei davon gab, die natürlich, und wie sollte es auch anders sein, in abwechselnder Schicht alles nur erdenkliche an Gaumenfreuden, für die feine Herrschaft und ihren Gästen, in gekonnter, ja bis hin zur Phänomenalität kreativer Kreationen, in Vollendung, kredenzt wurden. Sheilas Eltern waren eines der reichsten in ganz Deutschland und darüber hinaus. Sie machten in Immobilien, teilweise in Aktien. Dann besaß ihr Vater noch mehrere Smaragdminen in Brasilien und Afrika. Zudem mehrere Firmen in den USA und Kanada, wo Computerchips hergestellt wurden. Sicherlich hätten sie sich mit ihrem Vermögen längst ein Paradies in südlichen Gefilden leisten, also quasi niederlassen können, doch ihr Vater liebte Deutschland und die Stadt Stuttgart. Wie er immer so schön zu sagen pflegte, hier wurde ich geboren und hier will ich sterben. Ja ihre Mutter wäre schon längst in ein wärmeres Klima gezogen, doch müsste sie dann ohne ihren Mann fahren. Was er ihr auch öfter und knallhart wörtlich entgegen warf. Wie sich Sheila erinnern konnte, als sie noch sozusagen feste zuhause wohnte.
»Na endlich, da ist diese blöde Karte ja?«, meckerte sie in sich hinein.
Dann schob Sheila gelangweilt die Sicherheitskarte in das dafür zuständige Elektronenerfassungsgerät, drückte also, gab den 8stelligen Code ein und wartete. Es folgte als nächstes eine elektronische Stimmbestätigung.
»Willkommen, sie dürfen eintreten.«, klang es aus dem Lautsprecher. Anschließend öffnete sich ganz langsam das mächtig und pompöse Tor automatisch. Ein kleiner genervter Seufzer von ihr und sie ging durch das Tor. Sheila ärgerte sich stets aufs neue, wenn sie diese ganzen Sicherheitsbarrieren mit Karte und Codes, über sich ergehen lassen musste. Sie konnte diesen ganzen Schnickschnack einfach nicht ausstehen. Klar musste eine Gewisse Sicherheit vorhanden sein, das verstand sie schon. Doch man konnte es ja auch übertreiben, so wie es ihr Vater tat, was sie einfach nicht verstehen konnte. Sie glaubte vielmehr, dass dies seitens ihres Vaters mehr eine Angeberei, als das es der Sicherheit dienlich sein konnte, war. Sheila war der festen Überzeugung, wenn jemand beabsichtigte, in dieses Anwesen hinein zu kommen, dann käme jener oder jene welche auch hinein. Nun, sie musste ja nicht damit leben. Sie blieb ja nur so lange, bis sie das geeignete Haus für ihre neue Anwaltskanzlei gefunden hatte. Dann wäre sie so schnell wir nur irgend möglich wieder verschwunden. Sheila liebte ihre Eltern sehr. Doch lebten ihre Eltern in ihrer eigenen Welt, auf ihre eigene Art, wo Sheila einfach nicht ihren Platz fand. So ging sie den wundervoll verzierten mosaiksteinernen Weg, zum prächtigen Anwesen hoch. Ganze vier Minuten brauchte man zu Fuß, um dort anzukommen. Sheila hätte sich natürlich auch mit dem Taxi hoch bis zum Anwesen fahren lassen können, doch sie lief gerne ein Stück zu Fuß. Dabei sah sie sich gerne die riesige Gartenanlage auf der rechten und linken Seite des Gutes an. Ihre Mutter liebte Rosen. Rosen in allen nur erdenklichen Farben. Zugegeben, es war herrlich, sich diese Farbenpracht anzusehen. Rosenstöcke, Rosenhecken, Rosen in speziellen riesigen Tontöpfen, wohin man nur sah, nichts als Rosen ja, ein Meer aus Rosen.
Dafür gab ihre Mutter ein enormes Vermögen aus. Die edelsten Rosen aller Art, ja sogar seltene Rosenhecken, die es nicht mehr zu kaufen gab, präsentierten sich in ihrer edelsten Farbenpracht. Außerdem gab es auch Züchtungen in diesem Reich aus Rosen, die als sehr schwierig, wenn gar unmöglich zu züchten galten. Für diese enorme Rosenanlage musste sich ihre Mutter sogar einen Fachmann, also einen Gärtner, der speziell auf Rosenzucht geeignet war, engagieren. Man stelle sich das mal vor, wie schwierig es war, einen solchen Fachmann zu finden, der bereit und willens war, sein ganzes Leben lang sich nur noch um die Rosen ihrer Mutter zu kümmern. Und er tat es und wie er es tat. Obwohl er ein Vermögen in seiner Anstellung kostete, dieser Gärtner pflegte und hegte die Rosen ihrer Mutter als wären es seine eigenen Kinder. Es kam auch schon mal vor, das er ihre Mutter sogar rügte, wenn sie sich zwischen die Rosen begab und versehendlich oder gar durch Unachtsamkeit, nicht fachgerecht, bestimmte Triebe abschnitt, die am besten nicht hätten, geschnitten werden dürfen. Er war wirklich der einzige der vor ihr keine Angst hatte. Und sie hielt lieber den Mund. Sie wusste ganz genau, dass sie ein zweites Mal keinen so fähigen Gärtner mehr bekommen würde. Gut, ihre Mutter verbrachte natürlich soviel Zeit wie nur irgend möglich im Garten, wenn sie mal zuhause war. Doch meistens verschluckten die Geschäfte ihre Freizeit.
Rosenhobbygärtner aus aller Welt durften sie sich natürlich nur nach Termin ansehen, filmen und fotografieren. Auch das Fernsehen war schon öfter vertreten. Und es wurden sogar schon Dokumentationen fürs Fernsehen hier gedreht. Ihre Mutter war darüber sehr stolz und es gab an offiziellen Anlässen, selbstverständlich nur in Höheren Kreisen, in Klatsch und Tratsch, mal wieder etwas zu erzählen. Umringt war das gesamte Grundstück von drei verschiedenen Gegebenheiten sozusagen, dienlich als Schönheit und als Hindernis, gleichermaßen als Barriere anzusehen.
Die erste Barriere, die sich um das gesamte Gründstück zog, war der äußerste Zaun. Dieser war ungefähr 160 cm und diente als Zeichen, dass hier jemand wohnt, der seine Ruhe haben möchte und war zudem mit sämtlichen aus handgefertigtem Gusseisen Schnickschnack, gefertigt. Dann folgte die zweite Barriere, nämlich die Lebensbäumchen die zirka vier Meter hoch ragten, die, genau wie die erste, das gesamte Grundstück lückenlos umschloss. Und als letztes der Sicherheitszaun, er wurde des Abends ab zwanzig Uhr unter Starkstrom gesetzt. Der erst wieder um Sieben Uhr früh abgeschaltet wurde. Egal ob Sommer oder Winterzeit. Und es gab noch etwas, dass aber nicht als Barriere zählte und mit dem Wort Sicherheit nicht zu tun hatte, Rankengewächse. Dort standen sie in Reih und Glied, sehr dicht nebeneinander und diente lediglich dazu, dass man vom Haus aus den hässlichen Elektrozaun nicht sehen konnte. Meter hohe Rankengewächse erreichten eine Höhe von bis zu fünf Metern. Wie man erkennen kann, eine kleine Festung, nur eben ohne Wachpersonal. In diesem Fall war sich aber Sheila ziemlich sicher, das dies auch nicht lange auf sich warten ließe. Zumindest wenn etwas Schwerwiegendes vorfiele. Sheila kam nun am Hause an. Sie ging also die 15 Steinstufen hoch und gelangte schließlich zu einer prunkvollen Haustüre. Hier gab es keine Klingel. Doch hier brauchte Sheila keine elektronische Karte. Denn hier genügte eine vierstellige Geheimzahl, die man eintippt. Genau wie den Code am Außentor, kannte sie diese Geheimzahl natürlich auswendig.
So tippte sie die 4 Zahlen ein. Und Schwupps öffnete sich die schwere Türe nach innen hin. Nörgelnd und genervt ging Sheila hinein. Vor ihr befand sich ein langer Gang der links und rechts mit Marmorsäulen, bis hoch zur Decke gezogen, bestückt war. Nach ungefähr 10 Metern kam sie dann schließlich im Großen Saal an, wo ihre Eltern die gehobene und gesellschaftliche Elite, zu empfangen pflegten. Ja man konnte es auch mit einem riesigen Salon bzw. Gesellschaftssaal vergleichen, der selbstredend natürlich mit allen nur erdenklichen Bequemlichkeiten ausgestattet war. Da stand zum Beispiel ein Billard, ein Piano, ein Klavier und eine Harfe. 4 bis 5 kleinere Rundtische an denen manches mal und in den kalten Wintermonaten Skat, Poker, Rommé und ähnliches gespielt wurde. Es gab zwei riesige offene Kamine. An den Wänden hingen Ritterrüstungen und mittelalterliche Waffen aller Art. Zwei riesige Tafeltische, wobei nur einer dieser Tafeltische für mindestens 70 Personen Platz aufwies. Und viele aus echtem Leder, selbstverständlich zeitgemäß, Sesseln und Couch in allen nur erdenklichen Formen. Zudem also, trotz dieser Fülle an Bequemlichkeiten, fand man noch immer genügend Platz, um ein gesellschaftliches Tänzchen zu absolvieren. Denn exakt in der Mitte des Saales, in Form eines Kreises per Mosaik markiert, präsentierte sich eine Tanzfläche, wo sich die Gehobene Gesellschaft in körperlicher Hochform vorführen und zeigen konnte. Sheila war diese ganze Pracht und Darbietung des Saales schon gewohnt, so dass sie dem allem gar keine Beachtung schenkte. Sie ging nun ja fast gelangweilt einfach durch diesen Saal hindurch und kam schließlich an der Haupttreppe an. Die halb wendelartige Treppe, natürlich aus purem Marmor, zog sich bis hin mit zweiunddreißig Stufen zur ersten und letzten Etage. Diese leicht wendelartigen Marmorstufen wiesen am Geländer, das sich auf der linken Seite befand, so zirka alle 2 Meter eine Statue per Hand von einem Künstler gemeißelt und aus glänzendem Granit, Statuen von allen nur erdenklichen geschichtlichen Persönlichkeiten auf. Diese Persönlichkeiten standen je auf einem Sockel, der am Geländer fest verankert war und ab den Schultern zu Bestaunen. Diese Etage war für jeden Gast, und ginge es um den Bundeskanzler höchst persönlich, absolut tabu. Dort oben war das Reich der Roigers. Diverse und noble Schlafräume und Arbeitszimmer, Badezimmer, Saunas, natürlich auch die Zimmer von Sheila und zu guter Letzt, das gemeinsame Wohnzimmer. Sheilas Zimmer ganz hinten auf der Linken Seite des Flügels, wobei ihre Eltern den rechten Flügel beanspruchten. Oben angekommen ging Sheila in Richtung ihrer zwei Zimmer, als sie ihre Erzieherin Claudia traf. Claudia war gerade 19 Jahre alt, als sie bei den Roigers als Babysitterin und zugleich Erzieherin für Sheila in Stellung ging. Sheila war gerade mal zwei Wochen alt. Sie hegte und pflegte Sheila als wäre sie die Mutter ja, als wäre sie die Amme also, die Nährmutter von ihr. Sheilas Eltern waren sehr oft auf Geschäftsreise und konnten sich folglich nicht so um Sheila kümmern wie sie es gerne getan hätten. Als Sheila aus dem Kindesalter heraus war, wollten ihre Eltern sie entlassen. Doch Sheila kämpfte mit allen ihr nur erdenklichen Tricks und Mitteln, dass Claudia bleiben konnte. Und so kam es, dass Claudia als Oberaufseherin neu unter Vertrag genommen wurde. Fortan kümmerte sich Claudia um alles und jenes was mit dem Personal und dem Hause Roiger zu tun hatte. Claudia wurde schon nach kurzer Zeit unentbehrlich für Sheilas Eltern. Sie hatte absolute Vollmacht, wenn es um den Einkauf, um die Dienstmädchen und so weiter und sofort, ging. Sie war die absolute Chefin, wenn Sheilas Eltern das Anwesen verließen. Sie beherrschte ihren Job aus dem FF und führte ihr Regiment mit eiserner Faust. Sie war zwar streng aber dennoch gerecht. Wenn jemand seine Arbeit gut machte, so war sie auch gut zu jenem. Eines hasste sie aber auf Teufel komme heraus. Wenn sie bemerkte, das sich jemand von seinen Pflichten in diesem Hause der Roigers drücken wollte. Ansonsten drückte sie schon öfter mal ein Auge zu, wenn etwas im zu vollen Eifer daneben ging. Denn alles fiel ja auf sie zurück, wenn zu viele Fehler gemacht wurden. Sie musste letztendlich dafür gerade stehen.
»Ah, Fräulein Sheila, wie nett sie wieder zu sehen. War es schön in der Stadt?«, fragte und freute sich Claudia.
»Grüß dich, Claudia, ich freue mich auch dich zu sehen. Aber sag mal, seit wann Siezen wir uns denn auf einmal?«, fragte Sheila verwundert nach.
»Ach Sheila, dein Vater hat mir gestern eine Predigt gehalten, die sich gewaschen hat. Ich möchte nicht, dass du auch noch Ärger bekommst. Er muss irgendwie mitbekommen haben, dass wir uns Duzen und du weißt ja, wie dein Herr Papa darauf Reagiert!«, erklärte sie leicht beschämend.
»Was, aber wie kommt denn Papa dazu? Du kennst mich seit ich 2 Wochen alt bin. Na lass mal, das werde ich mit Papa heute Abend klären. Mach dir keine Sorgen, ich werde ihn mal wieder Bezirzen müssen. Glaube mir, wenn ich ihm sage wie sehr lieb, und das ist ja nicht gelogen, ich ihn habe, dann erfüllt er mir jeden Wunsch.«, erwiderte Sheila.
»Na, wenn du dich da heute nicht gewaltig irrst. Er ist zurzeit sehr gereizt, muss ich dir sagen.«, wies Claudia sehr vorsichtig daraufhin.
»Das mag ja sein, meine Liebe. Aber meinem töchterlichen Charme, wird er nicht widerstehen können, darauf kannst du wetten.« erklärte Sheila in bestärkten Worten.
»Na, wenn du meinst, Liebes.«, hoffte sie innig.
»Und ob. Ach, Claudia sag mal wo sind denn eigentlich Papa und Mama?«, fragte sie nach.
»Dein Herr Papa und deine Mama, pflegen heute Nachmittag mit dem Bürgermeister und dessen gesamten Stadtrat im Hotel Maritim zu dinieren. Anschließend gibt es noch einen Umtrunk in des Bürgermeisters Haus, persönlich. Sie wollten so gegen neun Uhr heute Abend wieder zurück sein. Soll ich dir zumindest bei deiner Ankunft ausrichten.«, erklärte Claudia auf feine Art. Was Sheila an ihr liebte.
»Ach Claudia du bist wirklich ein Unikat. Du hast den falschen Job meine Liebe. Du solltest ans Theater gehen?«, wies Sheila unter lautem Lachen darauf hin.
»Tja, vielleicht werde ich dies in meinem nächsten Leben auch tun.«, erklärte Claudia Ihrer Sheila.
»Man, das heißt wieder mal alleine essen. Wenn sie sagen, dass sie um neun wieder zu Hause seien, dann wird es wie meistens viel später werden und ich bekomme sie heute nicht mehr zu sehen.«, seufzte Sheila.
»Kindchen, du solltest dich doch langsam daran gewöhnt haben. Sei nicht traurig, sonst bin ich es auch und das möchtest du doch nicht. Ich meine deiner alten Claudia ihr Herz erschweren oder?«, gab sie gekonnt zurück.
»Natürlich möchte ich das nicht, das weist du doch, dass ich dich sehr lieb habe?«, sagte Sheila leicht bedrückt.
»Ich habe dich auch sehr lieb. Ach übrigens, um 18 Uhr gibt es Abendessen. Wo möchtest du heute dein Abendessen zu dir nehmen?«, fragte Claudia.
»Och, ich dachte heute mal im großen Saal?«, erwiderte sie.
»Gut, ich lasse es um Punkt 18 Uhr im Saal anrichten.«, erklärte sie.
»Gut, danke Claudia.«, bestätigte sie.
Irgendwie bemerkte Claudia, das Sheila sehr nachdenklich zu sein schien. Wenn einer Sheila kannte, dann war es Claudia. Sheila konnte noch so sehr versuchen, gute Mine zum bösen Spiel, zu machen. Aber bei Claudia hatte sie diesbezüglich keinerlei Chancen.
»Sag mal liebes, ist mit dir alles in Ordnung?«, fragte sie Besorgt.
»Aber ja doch, was soll denn mit mir nicht in Ordnung sein?«, fragte und versuchte Sheila zugleich abzublocken. Doch bei Claudia weit gefehlt, ihr konnte sie nichts vormachen.
»Du hattest schon mal besser gelogen.«, gab Claudia kurz und trocken, aber dennoch mit Wirkung, zu verstehen.
»Na ja, da wäre schon etwas. Doch ich weiß nicht was ich davon halten soll. Ich...«, so hielt Sheila inne und begann derart herzzerreißend zu weinen, dass Claudia, sofort zu ihr ging und sie wie immer, wenn sie Sorgen hatte, ganz fest in ihre Arme nahm.
»Na, na, so schlimm mein kleines Mädchen? Komm wir gehen runter in den Großen Saal dort kannst du deiner Claudia alles erzählen, was du auf dem Herzen hast?«, tröstete sie Sheila. Dann gingen beide in den großen Saal und setzten sich zu einem der riesigen Tafeltische.
»Ich habe auf dem Weg hierher im Zug einen Mann kennen gelernt.«, dann erzählte Sheila von Anfang an, was sie die zirka 2 Stunden im Zug erlebt hatte.
»Nicht doch, deswegen bist du traurig, aber Kindchen das war doch sicherlich ein schönes Erlebnis? Hast du schon die letzten 14 Jahre Odyssee mit diesem Mann vergessen? Der dich in seinen Alkohol-Exzessen immer und immer wieder schlug? Bis du nicht mehr konntest und vor ihm davon liefst? Schätzchen, du hast einen besseren Mann verdient. Da war dieses Erlebnis doch sicherlich sehr schön. Du darfst nicht beginnen, andere Männer in deinem weiteren Leben, für die Fehler eines, ja, deines letzten Freundes, verantwortlich zu machen. Du kannst nicht alle unter denselben Scheffel stellen. Und an Hand dieses Erlebnises im Zug, solltest du endlich begreifen, dass nicht alle Männer so sind, wie dein Ex. Ich glaube sogar, dass es ein Wink des Himmels war. Es flüstert dir leise zu, dass du nicht aufgeben sollst. Ja, daran zu Glauben, dass für jeden Menschen eines Tages der Tag kommen wird, an dem er seine wahre und Große Liebe vor sich stehen hat. Bei manchen passiert dies, wenn er noch sehr jung ist und bei anderen dauert es eben, sagen wir mal etwas länger, bis es soweit ist, bis er bereit zu diesem Abenteuer der ehrlichen und aufrichtigen Liebe ist. Aber sei dir gewiss, er wird für jeden kommen, wenn er es sich nur von ganzen Herzen wünscht. Und die wenigen welche, die niemals diesen Augenblick erleben sollen, na für die hat die Zukunft eben ganz andere Pläne.« Ja, Claudia machte wie immer Sheila Mut.
»Aber Claudia, ich kannte diesen Mann nicht mal ganze 2 Stunden und wir haben uns geküsst, ich meine so richtig geküsst. Das ist doch nicht normal? Weißt du was ich glaube, ich bin eine Schlampe.«, sagte Sheila weiterhin unter Tränen.
»Och Gottchen, jetzt mach dich mal nicht selber schlecht. Du bist auf keinen Fall eine Schlampe. Wenn es dich wirklich interessiert, dann kann ich dir sagen was du bist?«, erwiderte Claudia und musste sich das Lachen verbeißen.
»Ja, was bin ich denn?«, fragte nun Sheila hellwach geworden.
»Du bist verliebt, Liebes.«, erwiderte Claudia mit sanfter Stimme.
»Was, ich bin doch nicht verliebt. Man kann sich doch nicht in einem Menschen verlieben, den man nicht einmal 2 Stunden kannte. Das ist absolut unmöglich, das ist doch absoluter Blödsinn. Das ist absurd, das ist...«, Sheila plapperte und plapperte und plapperte. Sie bemerkte anfangs nicht, dass sie absolut nervös und grob gesagt, einfach Mist daherredete. Bis sie Claudia ansah und ihr Entzücken mit einem Schmunzelnden Gesichtsausdruck noch unterstrich.
»Du meinst wirklich?«, vergewisserte sie sich noch bei Claudia, während Claudia sich mal wieder ausschwieg und weiterhin mit einem Schmunzeln im Gesicht, ihren Verdacht erhärtete.
»Jetzt beruhige dich erst mal. Pass auf, ich stelle dir jetzt ein paar Fragen Ja? Du solltest sie mir aber bitte ganz ehrlich bejahen oder verneinen, Okay?«, wies Claudia an, während Sheila bemerkte, das sie nun von ihr in die Enge getrieben wurde, dass Claudia nun in die Offensive überging. Jetzt begriff Sheila, das sie nicht mehr schwindeln konnte, sonst würde sie ja Claudia belügen und das hatte sie außer ein paar Notlügen, ihrer Lebtage nie und nimmer getan. Dafür liebte Sheila Claudia viel zu sehr.
»Okay, ich werde ehrlich zu dir sein.«, versprach Sheila schluchzend.
»Ist es nicht so, dass du, obwohl du es eigentlich gar nicht möchtest, stets an ihn denken musst?«, ein kluger Frontalangriff von Claudia.
»Ja, wenn ich es so recht bedenke, ja er geht mir einfach nicht aus dem Kopf.«, gestand Sheila und Eins zu Null für Claudia.
»Und ist es denn nicht so, dass du eine gewisse Angst in dir trägst, dass du ihn nie wieder siehst, dass er es vielleicht gar nicht so ernst gemeint hatte, dass ihm der Kuss eventuell gar nichts bedeutete?«, kam die nächste Frage, zumindest einer Feststellung gleich.
»Ja, ich muss mir deswegen immerzu selber Mut zureden, die Angst verdrängen.«, sagte nun Sheila mit großen und erstaunten Augen. Absolut erstaunt, woher Claudia dies alles wissen konnte.
»Und ist es nicht so, dass er eigentlich gar nicht dein Traummann ist. Dass du dir eigentlich deinen Traummann ganz anders vorgestellt hattest und deswegen nicht begreifen kannst, warum er dir nicht mehr aus dem Kopf, aus denn Sinn geht?«, stellte Claudia knallhart fest.
»Wow, wie kannst du das wissen, kannst du vielleicht meine Gedanken lesen. Das stimmt haargenau, Claudia.«, stellte Sheila nun absolut baff fest.
»Nun Liebes, deine Gedanken kann ich nicht lesen, das kann nur Gott allein. Doch dein Verhalten verrät mir viel. Wenn man einen Menschen lange genug kennt, so wie ich dich. Dann ist es nicht sonderlich schwer, bestimmte Verhaltenweisen und Merkmale zu einem Satz zu bilden. Und außerdem war ich auch mal verliebt. Ja ich war sehr verliebt.«, gestand Claudia mit einem wohligen Seufzen.
»Wirklich, was ist eigentlich mit deiner Großen Liebe geschehen? Ich meine, ich habe dich nie mit einem Mann zusammen gesehen.« wandte nun Sheila ihr Interesse zu Claudia.
»Ja, das stimmt schon. Weil ich niemals einen Mann so lieben könnte wie ich diesen Mann geliebt hatte. Ich war gerade mal 16 Jahre alt, als ich vom Fahrrad fiel und er plötzlich, wie aus dem nichts vor mir stand. Zu meinem Leidwesen fiel ich auch noch in eine Pfütze und sah aus als käme ich gerade aus der Wäscherei. Man muss sich das mal vorstellen? Weit und breit nur eine einzige Pfütze und ausgerechnet in diese musste ich hineinfallen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, ich wurde knallrot. Dagegen war die Farbe einer Tomate nur ein blasses etwas. So sehr hatte ich mich geschämt.«, erzählte Claudia mit warmen Herzen.
»Und weiter, erzähl doch weiter ja?«, Sheila hörte mit großem Interesse zu.
»Nun, wenn es dich wirklich Interessiert, dann will ich dich nicht länger auf die Folter spannen. Also, wie schon gesagt, da lag ich nun, in dieser kalten und dreckigen Pfütze. Und da stand er nun vor mir. er kuckte mich von oben an. Nicht so, als wolle er groß erscheinen, als ganzer Kerl dastehen? Er wirkte eher hilfloser als ich es in dieser Situation war. Er vermittelte mir vielmehr das Gefühl, dass er schon so lange auf der Suche war und es nun endlich gefunden hatte. Dann beugte er sich zu mir hinunter, nahm ohne ein Wort zu verlieren, ganz kess meine rechte Hand und zog mich ganz sachte und behutsam, als wäre ich aus Watte, die jeder Zeit auseinander reißen könnte, zu sich hoch. Als ich dann wieder auf meinen Füßen festen Halt fand, da guckte er mir in die Augen, ja er guckte mir so tief und intensiv in die Augen, als wolle er mich all meinen Gedanken berauben. Als wolle er das Gefühl vermitteln, dass mir nichts, aber auch rein gar nichts in seiner Nähe geschehen konnte. Als wolle er mir sagen, ich bin es, der dich beschützt, der sein Leben bereit ist für dich zu geben, wenn es denn von Nöten sei.«, dann wurde Claudia von Sheila unterbrochen.
»Weiter, erzähl doch weiter, was geschah dann?«, drängte Sheila, unablässig und bis aufs äußerste gespannt.
»Gut. Ja dann standen wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Mir wurde so schwindelig, dass ich glaubte jeden Moment in Ohnmacht zu fallen. Und ich begann schon leicht zu schwanken. Meine Füße wurden weich wie Butter und mein ganzer Körper begann zu Zittern als wäre es 20 Grad unter Null. Mein Gott, dachte ich mir, ist das peinlich. Bitte lass ihn jetzt verschwinden, ihn einfach in Luft auflösen. Lass es einen Traum sein und mich jetzt aufwachen. So sehr machte mir dieses neue und unbekannte Gefühl Angst. Und doch wünschte ich wiederum insgeheim, dass es niemals vorbeigehen sollte. Ich wusste in diesem Augenblick nicht mehr, wie mir geschah. Dann geschah etwas mit mir, was ich bis heute noch nicht begreifen konnte. Eine unerklärliche Macht in mir zwang mich, die Augen zu schließen. Immer ärger bebte mein gesamter Körper. Ich hasste dieses und liebte ja, ich verlangte mit all meinen Sinnen diesen einzigen Augenblick, ja ich sehnte mich mit aller mir zur Verfügung stehenden Gefühlen, die ein Mensch nur besitzen konnte und fähig war zu fühlen.«, so schwieg sich Claudia kurz aus und wischte ihre Tränchen aus den Augen.
»Wie ging es weiter, so erzähle doch, liebe Claudia. Was geschah dann?«, bettelte nun Sheila weiter, während sie tröstend ihren linken Arm um Claudias Schultern legte.
»Tja, ich hatte meine Augen geschlossen und plötzlich spürte ich, wie seine Lippen, die meinen berührten. Und in diesem Augenblick konnte ich mich nicht mehr auf den Beinen halten. Ich fiel, ich sank ein kleines Stückchen nach unten. Doch er fing mich auf. Ganz zart umschlang er meine Taille mit seinen kräftigen Händen und hob mich wieder hoch. Als er sich sicher war, das ich wieder festen Bezug zum Erdboden hatte, also dass ich nicht wieder zu Boden fallen würde, ich hatte noch immer die Augen geschlossen, spürte ich keine Berührung mehr von ihm. Langsam und noch etwas schwindelig und zittrig auf den Beinen, öffnete ich meine Augen. Da war er verschwunden, er war einfach nicht mehr da.«, erzählte Claudia des weiteren.
»Ja und das war es dann schon?«, fragte Sheila.
»Nicht ganz. Tage später stand er, ich war gerade beim Einkaufen, so mir nichts dir nichts, mit einem riesigen Blumenstrauß vor mir. Eigentlich hätte diese Situation für mich peinlich sein müssen, denn ich stand ja gerade an der Kasse beim Zahlen. Stell dir das mal vor, Sheila, all diese Leute dort kannten mich ja. Doch zu meinem Erstaunen und Bewunderung, für diese Leute, machte kein einziger irgendeine dumme Bemerkung. Im Gegenteil sie klatschten und feuerten diesen jungen Mann geradezu noch an. Manche sogar mit den Worten, man, ist die Jugend heutzutage vielleicht dämlich. Kuck sie doch nicht nur an, du Dummkopf. Du sollst sie küssen. Ich war vielleicht konfus in diesem Moment, wie du dir vielleicht vorstellen kannst.«, erzählte Claudia leicht errötend.
»Und was wurde dann aus euch beiden?« Fragte Sheila nun Gespannt.
»Nun, nur eine Woche später verlobten wir uns. Doch zur Heirat kam es nicht mehr. Wir waren ganze 3 Jahre zusammen. Bis ich hier mit 19 Jahren, bei deinen Eltern vorstellig wurde.«, sagte Claudia nun leicht bedrückt.
»Ja, was ist dann Geschehen? Habt ihr euch denn getrennt?«, fragte Sheila, wobei sie spürte, dass sie das lieber hätte nicht fragen sollen. Denn sie spürte nun, dass die Antwort Claudia sehr weh zu tun schien.
»Verzeih Claudia, ich wollte dir nicht wehtun.«, bat sie darum.
»Ach, ist schon gut. Ich mache es auch nicht besser, wenn ich es verschweige. Wir hatten uns mal wieder, wie so oft, verabredet. Er war immer der Pünktlichste und niemals aber auch niemals hatte er mich versetzt. Selbst als er eine starke Grippe hatte, kam er, stell dir das mal vor, kam er mit 41 Grad Fieber zu unserem Treffpunk. Natürlich habe ich ihn gleich nach Hause geschickt. Nach nur wenigen Tagen, ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, es ist mir, als wäre es erst gestern gewesen. Ja, es war ein Montag. Ich wartete und wartete, ich wusste, dass ihm etwas geschehen sein musste. Obwohl ich wusste, obwohl ich fühlte, dass er heute nicht mehr kommt, ja dass er niemals mehr kommen würde, wartete ich trotzdem. Und mit jedem Augenblick des Wartens, starb in mir etwas mit. Dann kam, ich wusste gar nicht mal, wie lange ich schon an dieser Ecke neben dem Schuhgeschäft stand, sein etwas jüngerer Bruder. Je näher er kam, je größer wurde die Angst in mir. Je näher er auf mich zu kam und sein Gesichtsausdruck in dem Lichterschein der Straßenlaternen immer deutlicher wurde, je mehr glaubte ich jeden Moment den Verstand verlieren zu müssen. Ich wollte schreien, ich wollte sterben. Doch meine Kehle war wie zugeschnürt. Und als sein Bruder so einen Meter vor mir stand. Bedurfte es keiner Worte mehr. Ich wusste, dass er nicht mehr leben würde. Sein Bruder umarmte mich noch einmal ganz fest und weinte, wie ich noch nie einen Menschen habe weinen hören. Dann drehte sich ein jeder von uns in seine Richtung und ging wortlos seines Weges. Ich torkelte wie eine Betrunkene, was mir ein Passant der gerade meinen Weg kreuzte, vermessen mit dem Kopf schüttelte und mich als besoffenes Weibstück anfeindete, ja beschimpfte. Ich konnte mich nicht mehr aufrecht halten und viel vor Erschöpfung auf die Knie. Ich schaute, ich flehte gen Sternenhimmel, die wegen der Beleuchtung, der so hellen Stadt, nur sehr schwach zu erkennen waren, sich nur in einen schwachen Leuchten präsentierten. Ich guckte und suchte, ich suchte verzweifelt nach Gott. In mir staute sich nun aller Schmerz, der sich wie ein Dieb in mein Herz und meine Seele stahl. Es musste raus, jetzt und sofort, sonst, das war mir klar, würde ich vor Kummer tot umfallen. Ich schrie, wie ich noch nie in meinem gesamten bisherigen Leben je geschrieen hatte. Ich schrie immer wieder warum, warum er? Ich verfluchte in diesem Moment sogar Gott. Ich konnte und wollte es nicht begreifen. Es war schwer zu verstehen, dass ich meine erste und einzige Liebe, ja meine Große Liebe, nie mehr in den Armen halten durfte. Ihn nie mehr lachen zu sehen. Nie mehr mit ihm Hand in Hand durch die Straßen zu schlendern, während er, in Form von Gedichten, seinen Träumen und Fantasien freien Lauf lies. Und nie mehr seine unendliche Zärtlichkeit zu spüren. Für mich fiel eine Welt, meine Welt, unsere Welt, zusammen. Ich weiß nicht mal, wie lange ich dann durch die Straßen umherirrte. Doch dann wurde ich ruhig, innerlich ruhig und ich fühlte nichts mehr.«, erzählte Claudia mit Tränen in den Augen.
»Was war denn geschehen?«, und Sheila umarmte Claudia ganz feste.
»Nun, etwas später erfuhr ich, dass er mir schon Tage zuvor, bei diesem einzigen ortsansässigen Juwelier, ein goldenes Kettchen anfertigen ließ, mit der Gravur. In ewiger Liebe bis in den Tod hinaus.
Wie Recht er doch damit hatte. Nun, als er das Juweliergeschäft betrat, um dieses Kettchen abzuholen, da sprangen zwei bewaffnete und vermummte Gestalten in das Geschäft und schossen auf alles was sich dort bewegte und das waren der Juwelierbesitzer und eben mein Peter. Der Juwelierbesitzer überlebte, weil sich mein süßer dummer Peter auf den Juwelierbesitzer geworfen hatte, um ihn vor den Kugeln dieser Mörderbestien zu schützen. Was ihm natürlich mit Bravur gelang. Diese Bestien sind bis heute nicht verhaftet worden. Sie sind wie vom Erdboden verschwunden. Na ja, Mord, so sagen die Beamten, verjährt ja, nicht.«, Claudia unterdrückte krampfhaft ihre Tränen. Und Sheila umarmte sie noch fester. Beide mussten nun weinen und sie taten es, wie schon oft in betrübter Stimmung.
»Aber nun genug davon. Eigentlich hast ja du ein Problem und nicht ich, nicht wahr mein Liebes?«, stellte Claudia fest.
»Claudia, ich hab dich sehr lieb und du wirst immer meine zweite Mutti sein.« gestand Sheila Ihrer Claudia. Und als das Claudia hörte, fing sie erneut zu weinen an und wie sollte es auch anders sein. Sheila weinte natürlich mit. So langsam beruhigten sich die Gemüter und Sheila bekam ihr Abendessen präsentiert.
»Ah endlich, bin ich vielleicht hungrig, ich könnte glatt einen ganzen Elefanten verdrücken. Wie, was denn, wo willst du denn hin Claudia? Isst du denn nicht mit, zu Abend?«, fragte Sheila.
»Aber nein Sheila ich, ich habe schon gegessen. Außerdem muss ich noch heute in der Küche Inventur machen. Dies hat sich dein Papa mal wieder ausgedacht. Tja, ich hasse es zwar, aber Befehl ist eben Befehl. Es muss halt sein, wenn ich meinen Job behalten möchte. Du entschuldigst mich doch bitte? Ich wünsche dir noch eine gute Nacht Sheila und Kopf hoch. Du wirst deine große Liebe bestimmt wieder sehen. Es kommt, was kommen muss. Daran kannst du nichts verändern. Also, wehre dich nicht so sehr gegen deine, oder vielleicht sogar euer beider, Bestimmung.«
»Ja, ich danke dir, Claudia. Ich werde darüber nachdenken. Also, bis morgen früh dann, ja?«, warf Sheila ein.
»Klar Liebes, bis morgen in der Frühe.«, gab sie zurück.
Da saß sie nun im großen Saal oder Salon, wie man es eben charakterisieren möchte und tafelte hastig ihren Bauernsalat mit etwas Weißbrot in sich hinein. Sheila dachte nach, während sie nun, satt geworden, in ihrem noch übrig gebliebenen Salat herumstocherte. Ja sie dachte unentwegt an Johnny. Noch immer konnte sie nicht begreifen, warum sie sich habe im Zug so gehen lassen. Doch zu ihrem eigenen Erstaunen, genoss sie diesen einen einzigen Kuss dieses wildfremden Mannes mit all ihren Sinnen. Und sie musste sich eingestehen, dass, wenn die Fahrt noch länger gedauert hätte, aus diesem Kuss noch mehr hätte werden können. Und genau dieses Wissen, diese Erkenntnis von sich selbst, ihre Schwäche, machte ihr eminent bzw. ohnegleichen Angst. Niemals hatte sie sich für so ein Abenteuer, und das auch noch in so kurzer Zeit, fallen lassen. Ja sie fühlte sich wie eine Schlampe. Sheila starrte auf ihren Teller. Krampfhaft versuchte sie, diesen Johnny aus ihren Gedanken zu verbannen. Doch dieser Versuch war von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Er saß fest, er brannte sich buchstäblich in ihre Gedanken ein. Bin ich, kann es wirklich sein, dass ich verliebt bin? Verliebt, in jener flüchtigen Begegnung? Dachte Sheila nach.
Und insgeheim, obwohl sie sich noch immer innerlich wehrte, wusste, fühlte sie schon längst, dass es um sie geschehen war, ja dass sie sich unsterblich in Johnny verliebt hatte. Trotz allen Wenns und Abers. Was solle sie nur tun. Ihn versuchen ausfindig zu machen? Ihm nachzustellen wie ein vierzehnjähriger Teeny, die ihren ersten Kuss bekam? Sich aufdringlich zu benehmen? Sämtliche Verpflichtungen, Hals über Kopf, stehen und liegen lassen, um sich dann in ein Liebesabenteuer zu stürzen? Ungeachtet der dadurch aufkommenden und der damit verbundenen Probleme, die vielleicht ein Chaos in ihrem zurück gewonnenen und geordneten Leben mit sich führen würden?
Nein und nochmals nein.
Was mache ich denn jetzt nur? Kann ich mir denn sicher sein, dass er bei diesem Kuss genauso fühlte wie ich? Was ist, wenn er mein Verlangen, ihn zu küssen, was ich letztendlich auch tat, nur eine Geste guten Willens erwiderte und er aus Höflichkeit, mir eine peinliche Situation ersparen wollte? Er zwar ein, vollendeter Gentleman aber nicht willens und fähig, meine Liebe ja, mein ganzes Verlangen zu erwidern, weil er längst einer anderen seine Liebe versprach, dachte sich Sheila. Reflektionen des Erlebten in diesem Zug bombardierten Sheilas Gedanken. Und umso mehr sie nachdachte, desto mehr kamen in ihr Zweifel auf.
So machte sich Sheila auf den Weg zu Ihrem Schlafgemach. Sie war müde und abgespannt. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, so sehr regte sie sich über die Begegnung mit Johnny auf. Sie Beschloss erst einmal, darüber zu schlafen. Morgen ist ja auch noch ein Tag. Morgen? Ja Morgen würde sie eine Entscheidung treffen. Während sie die Zweiunddreißig Stufen hoch stieg, dachte sie weiterhin nach. Doch zu diesem Zeitpunkt kam sie einfach nicht zu einer endgültigen Entscheidung. Ob sie nun das Schicksal entscheiden lassen sollte, also einfach so lange abzuwarten, bis Johnny sich von selbst meldetete? Oder ob sie versuchen sollte ihn zu finden, um ihm ihre Liebe zu offenbaren. Ja diese Entscheidung würde sie morgen während des Frühstückes fällen lassen.



 Kapitel 4
© 2008 by Peter Althammer

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