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Du, mein Licht in dunkler Nacht
Ein Liebesroman von Peter Althammer
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Johnny stand fast regungslos vor dem Telefon. Es schien
so, als träume er mit offenen Augen. Und Mimmi schüttelte
mit dem Kopf. So stand sie auf und ging zu ihm.
»Johnny, Träumerle. Ist alles in Ordnung mein
lieber Junge?«, fragte Mimmi etwas besorgt.
»Was, was ist? Mimmi, sie kommt morgen. Sie kommt
tatsächlich. Sie kommt wirklich.«, er war wie verzaubert.
Für ihn, der sein ganzes bisheriges Leben einsam durch seine
Gefühlswelt wandeln musste, öffneten sich plötzlich
alle Pforten der Gefühle, der Liebe, der wahren Liebe. Johnny
war nicht der Typ Mann, der sich gezielt auf die Suche nach der
wahren Liebe machte, nein er träumte zeitlebens nur davon. Und
er war auch nicht der Typ Mann, der an Träume glaubte, bzw. dass
sie auch noch in Erfüllung gehen würden. Er hatte nun von
irgendeiner Macht, und dessen war er sich sicher, einen winzigen aber
dennoch für ihn glücklichen Tritt in seiner Gefühlswelt
bekommen. Das Schicksal flüsterte ihm leise zu, dass in der
Welt, mit all ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten, ja in der
Welt der Liebe, nichts unmöglich scheint. Nichts unmöglich
ist.
»Mein lieber Junge, das war ja nicht zu überhören,
dass Sheila morgen hierher kommt. Ich freue mich für dich, Johnny.
Ich wünsche mir, dass du glücklich wirst. Du hast es dir
redlich verdient.«, sagte Mimmi, während ihr ein paar
Tränchen über ihre faltigen Wangen herunter liefen.
Mit einem Male drehte sich Johnny um und hob seine
Großmutter hoch und tanzte regelrecht mit ihr durch die mollig
warme Wohnstube. Und Mimmi musste lachen und freute sich natürlich
mit.
»Johnny, du verrückter Lausebengel. Wirst du
mich wohl gefälligst wieder herunter lassen? Du weißt, ich bin
nicht mehr die Jüngste.«, sagte sie in festem Ton.
»Entschuldige Mimmi. Aber ich könnte die
ganze Welt umarmen. Ich bin so unsagbar glücklich.«
*
Unterdessen auf dem Anwesen bei den Roigers, in Claudias
Wohnstube.
Genau wie Johnny, verhielt sich nun auch Sheila
regungslos, ja fast apathisch, fest in beiden Händen das
schnurlose Telefon an ihre linke Wange gepresst. Da saß sie nun
auf Claudias Bett und Claudia saß 2 Meter vor ihr neben dem
Tisch auf einem ihrer Stühle. Claudia beobachtete Sheila mit
scharfen Blicken. So stand sie von ihrem Stuhl auf und ging auf sie
zu. Claudia beugte sich in Sheilas Augenhöhe und blickte tief in
ihren Augen. Dann schwang sie mit ihrer Linken Hand vor ihrem Gesicht
herum. Doch sie zeigte keine Reaktion. Alsgleich legte Claudia ihre
rechte Hand auf ihre rechte Schulter und rüttelte sie ganz
sachte.
»Liebes, ist alles in Ordnung mit dir? Sheila, he,
Mäuschen, was hast du denn, ging auch alles gut?« Sie machte
sich nun etwas Sorgen. So kam Sheila wieder zu sich. Sie hatte mit
offenen Augen geträumt. Noch immer beglückte, ja
überflügelte ein sanftes Lächeln, Sheilas Gesicht.
»Kleines, ich bin es doch, deine Claudia.«,
erwiderte sie ihre Bitte.
»Was, was ist?«, fragte Sheila verdutzt
nach.
»Liebes, ich bin es nur, deine Claudia. Ist auch
alles in Ordnung mit dir? Ist auch alles gut gegangen?«, fragte
sie mit runzelnder Stirn.
»Oh, entschuldige Claudia. Ich muss wohl in meinen
Gedanken versunken sein. Stell dir vor, ich fahre morgen zu ihm. Ja,
ich fahre morgen zu seiner Großmutter und er ist auch da. Wir
werden einen ganzen Tag miteinander verbringen. Einen ganzen Tag
lang. Nach der Begrüßung seiner Großmutter Mimmi
werden wir den ganzen Tag zusammen verbringen, nur wir beide
alleine.«, stammelte sie irgendwie wirr redend daher.
»Das ist aber schön, ich gönne es dir.
Das hast du dir aber auch redlich verdient. Wenn man bedenkt was du
mit diesem Karl Schmidt, diesem Schuft, alles mitmachen musstest.
Aber, nichts desto Trotz, darfst du deine Pflichten hier im Hause
nicht vergessen. Du hast deiner Mama versprochen, bei Kaffee und
Kuchen dabei zu sein und zwar pünktlich. Nun, pünktlich
wirst du es nicht mehr schaffen, aber du solltest jetzt sofort
hochgehen und anwesend sein.«, rügte Claudia sie ein
wenig.
«Ach du lieber Gott, das hatte ich ganz vergessen.
Bis später Claudia. Ich muss sehen dass ich hochkomme. Noch ein
Küsschen auf Claudias Wange und so schnell, wie einem zischenden
Blitz zu vergleichen, sauste sie die 18 Stufen hoch, die direkt zum
großen Saal führten. Und, schwups, stand sie einige Meter
vor dem Tisch an dem die Familie, wenn sie denn Zuhause waren,
gemeinsam zu speisen pflegte, worauf ihr Herr Papa großen Wert
legte.
»Aha, sieh nur meine liebe Adelheid, wer uns da
mit seiner Anwesendheit beehrt.«, drückte sich ihr Herr
Papa lästernd aus.
»Mit flotten Schritten lief sie in formvollendeter Manier
sogleich zu ihrem Vater. Jener, der wie immer an
der linken Seite, also am Ende des 16 Plätze umfassenden Tischs,
seinen gewohnten Platz inne hielt. Wobei, wie uns mittlerweile
bekannt sein dürfte, ihre Mama am Rechten Ende des Tisches saß.
»Verzeih die Verspätung. Ich freue mich, dich
zu sehen. Ich küsse dich, liebster Papa.«, schmeichelte
sie dem Oberhaupt der Familie.
Ja, wenn sie so zu ihrem Herrn Papa sprach, schmolz er
vor lauter Stolz dahin und brachte es folglich nicht mehr fertig,
seiner Tochter die nötige Etikette in Form einer wörtlichen
Rüge zu erteilen. Als nächstes rannte sie zum anderen Ende
des Tisches, wo ihre Mama schon ungeduldig auf die ihr zustehenden
liebreizenden Worte seitens ihrer Tochter wartete.
»Auch dich bitte ich um Verzeihung, liebste Mama.
Ich weiß nicht wie du das immer wieder schaffst. Jedes mal, wenn ich
dich sehe, wirst du immer schöner. Papa hat wirklich einen guten
Geschmack, was die Schönheit und Grazie angeht.«
schmeichelte sie ohne Grenzen.
Nach diesen schmeichelnden Worten küsste sie ihre
Mama noch ganz zärtlich auf ihre linke Wange und begab sich zu
ihrem Herrn Papa an dessen rechte Seite. Sie wusste, was ihren Herrn
Papa zufrieden stellte. Denn immer, wenn sich Sheila neben ihren
Herrn Papa zu setzen pflegte, schickte jener Hausherr einen stolzen,
jedoch zugleich wirksamen Blick zu seiner angetrauten Adelheid
hinüber, was sogleich signalisieren sollte, dass das gemeinsame
Töchterchen ihn doch auf gewisse Weise um einiges lieber hatte
als die Mama. Jedoch, was der Herr Papa nicht wissen konnte,
beinhaltet die Tatsache, dass ein bestimmtes Abkommen zwischen dem
Töchterchen und der Mama seit langem bestand. Dieses Abkommen
wurde jedes mal geschickt in die Tat umgesetzt, sollten eventuell
aufkommende Spannungen zwischen Töchterchen und dem Herrn Papa
anstehen. Also, diese ganzen Schmeicheleien, die Sheila bei fast
jedem gemeinsamen Essen an den Tag legte, dienten lediglich dazu, dem
Hausherrn Stolz und Größe zu Präsentieren. Ihm je
nach Stimmung und Lage das Gefühl zu vermitteln, dass ohne ihn
gar nichts, aber auch rein gar nichts mehr, im Sinne der Etikette
natürlich, in diesem Hause funktionieren würde. Wobei aber,
wenn Sheila ihren Herrn Papa sagte, dass sie ihn liebte, war dies
niemals gelogen. Sie verfeinerte, ja sie vermischte lediglich nette
Worte und Gesten mit der von ihm Gewünschten Etikette und der
Macht seiner Worte. So war der Herr Papa zufrieden. Wenn Papa
zufrieden war, so war es auch die Mama und wenn beide Elternteile
zufrieden waren, wie sollte es auch anders sein, war es auch Sheila.
Im Übrigen genoss auch die Mama die Unwissenheit ihres
geliebten Gatten, wenn er ihr voll Wonne diesen besagten Blick
signalisierte. Dementsprechend Profitierten beide Parteien an dem
immer wieder kehrenden Spielchen. Da Sheila viel zu spät zu
Kaffee und Kuchen an den Tisch kam, waren folglich ihre Eltern schon
längst mit dem Kuchen fertig und nuckelten gelangweilt an ihrer
Tasse Kaffee herum. Die Etikette erlaubte es nicht, eher vom Tisch
aufzustehen, bevor auch nicht der letzte seinen Teller leer gegessen
hatte. So kam es, dass aus dieser Situation die Eltern Zeit fanden, um
ihre Tochter aufs Genaueste zu Mustern. Was Sheila zu anfangs gar
nicht mal bemerkte. Während sie, hastig wie noch nie, ihren
Marmorkuchen regelrecht verschlang, starrten vier Augen dem Treiben
zu. Noch konnten sich ihre Eltern beherrschen. Doch als das
ehrenwerte Töchterchen bei jedem immer größer
werdenden Stückchen Kuchen, das sie sich hastig in den Mund
hineinstopfte, noch daraufhin ein nicht definierbares Lächeln
folgte, konnten sich Sheilas Eltern gerade noch so beherrschen. Ihre
Eltern sahen in Folge zuerst sich an und, ja fast zeitgleich,
wiederum zu ihrem geliebten Töchterchens Treiben. Was sie, und
das galt für beide Elternteile, nicht ertragen konnten war,
wenn ihre Tochter etwas verheimlichte. Und das war nach diesem
Verhalten am Tische ja offensichtlich. Die Neugier brannte förmlich
auf ihren Gesichtern. Sheila, die nun noch tiefer in ihren Gedanken
versunken war, bemerkte auch weiterhin das stetig ansteigende
Ungehalten ihrer Eltern nicht. Ohne auch nur die geringste Ahnung
setzte sie der ganzen Situation noch ein Krönchen auf, indem
sie ein gewisses Leuchten in ihren Augen zum Besten gab. Das Maß
war somit voll. Denn dieses lethargische (Teilnahmslosigkeit) und
dennoch glückliche Verhalten seitens ihrer Tochter war ihren
Eltern wohl bekannt. Einst verspürten auch sie dieses Aufwallen
der Gefühle. Ja, eine prekäre Situation, die sich hier
anzubahnen schien. Beide Elternteile wussten nun, dass es sich bei
ihrem geliebten Töchterchen um Liebe handelte. Doch dieses Mal
konnten beide nicht mit ihren Worten eingreifen. Denn Mama glaubte,
als einzige zu wissen, wir erinnern uns an das Gespräch zwischen
Mutter und Tochter in ihrem Schlafgemach, dass sie in einen etwas
älteren jungen Mann namens Johnny verliebt ist. Und der Herr
Papa durfte ja nichts dazu sagen, sonst flöge er ja auf, da er
ja die beiden bei diesem Gespräch belauscht hatte. Es war schon
eine Qual, für Papa und Mama. Hatten sie sich doch letztendlich
mit ihren eigenen Waffen geschlagen. Als nun auch Sheila mit dem
Kuchen fertig war, kam sie wieder zu sich. Alle drei guckten sich
intensiv an. Und das Töchterchen spürte sofort, dass ihre
Eltern an ihrem Verhalten, sozusagen, Lunte gerochen hatten. Sheila
spürte förmlich, dass der Herr Papa und die Mama innig
hofften, sie würde von alleine über ihre neue Liebe mit
diesem Johnny mit ihnen Reden. Doch plötzlich und ganz kess mit
einem glücklichen Lächeln auf ihrem Gesicht, bat sie streng
nach der Etikette, ob sie sich nun vom Tisch entfernen dürfe.
Was ihr natürlich gestattet wurde. So bekam der Herr Papa und
die Mama noch ein Küsschen als Krönung des wunderbaren
Zusammenseins und schwups rannte Sheila in die Richtung, aus der sie
gekommen war, zu Claudias Wohnräumen in dem ausgebauten
Untergeschoss.
Währenddessen guckten sich Gunther und Adelheid
verdutzt an. Irgendwie muss etwas falsch gelaufen sein. Nach ihrem
Verhalten zu urteilen waren sich da beide einig.
»Na, meine Liebe Adelheid, hast du mir vielleicht
etwas zu sagen, ich meine, was ich eigentlich wissen sollte?«
Ging nun Gunther, im festen Glauben, dass Angriff stets die beste
Verteidigung sei, Pro und nicht wartend in Kontra über.
»Ich? Aber mein lieber Gunther. Wie kommst du
darauf, dass ich dir diesbezüglich etwas zu sagen hätte?«
Ging nun Adelheid, in Kontra über.
Oder kann es vielleicht sein, dass du mir irgend etwas
verheimlichst?«, fragte sie?
»Aber Adelheid, nichts läge mir ferner, als
das Vertrauen, das du mir stets entgegen bringst, zu schmälern
oder gar zu missbrauchen.«, erklärte Gunther seiner
Gattin.
»Wir sollten nicht so ein Theater um diese
missliche Situation seitens unserer Tochter machen. Ich glaube im
Übrigen vergessen wir beide des Öfteren, dass Sheila kein
kleines Mädchen mehr ist, auch wenn sie sich manches Mal so
verhält, betone ich.«, schlug Adelheid vor.
»Meine Liebe. Dir dürfte inzwischen bekannt
sein, dass ich dir in fast allen nur erdenklichen Schwierigkeiten, die
uns unser Kind aufbürdet, in den meisten Fällen zur Seite
stehe. Was ich auch gedenke, in den nächsten Jahren weiterhin zu
tun. Ich jedenfalls möchte dir nahelegen, in der nächsten
Zeit ein besonderes und geschärftes Auge auf Sheila zu haben.
Denn es ist ja offensichtlich, dass mit diesem Kind irgendetwas nicht
stimmt. Oder bist du hierbei anderer Meinung?«, fragte Gunther
sie.
»Gewiss mein Lieber. Es ist offensichtlich, dass
unser Kind, nun sagen wir einmal, sich in ihrer Gefühlswelt etwas
verändert hat. Ich meine, wir sollten Sheila sich einfach ein
wenig austoben lassen. Eines jedoch ist uns sicher garantiert. Sollte
sie mit ihren Problemen nicht alleine zurecht kommen, führt ihr
Weg in den meisten Fällen wieder zu uns beiden zurück. Und,
ehrlich gesagt, auf diesen Trumpf würde ich nur zu ungern
verzichten. Ich weis, wenn wir zu sehr in ihre Welt, in ihre
eigene Welt eindringen, erreichen wir damit nur das Gegenteil. Also,
warum, so frage ich dich, die Suppe zu heiß essen, wenn man sie
lauwarm eindeutig besser genießen kann?«, gab Adelheid
symbolisch ihrem Gatten zu verstehen. Es folgte ein Blick ihres
getreuen Gatten, den Adelheid besonders genoss. Ein Blick der
aufkommenden Kapitulation.
»Meine liebste Adelheid, wie in den meisten
Fällen, muss ich dir hierbei auch Recht geben.
Nach dieser, eher etwas in Rätseln formulierten
Konsultation bei Kaffee und Kuchen, beließen es Gunther und
Adelheid dabei.
Anschließend wünschten sie sich
noch einen Schönen Nachmittag, gaben sich ein Küsschen,
so wie es sich für eine manierliche Familie gebührte und
trennten sich bis zum Abendessen. Gunther und Adelheid hatten, wenn
sie denn mal am Wochenende zu Hause waren, vorausgesetzt es wurden
keine Hohen Gäste geladen, ein jeder sein eigenes Hobby.
Adelheid widmete sich, wie sollte es auch anders sein, ihren Rosen.
Dabei, und das war im wahrsten Sinne des Wortes die einzige Ausnahme,
wo sie sich wie ein Landmädel kleidete. Ansonsten zog sie sich
für jeden nur erdenklichen Anlass die dazu passende Kleidung
an. Es kam öfter vor, dass sie bis zu viermal am Tage, passend
also, dem Anlass gerecht, die Kleidung wechselte. Doch für ihre
Rosen und die Ruhe, die sie sich dort ersehnte, würde sie jedes
Opfer bringen. Nur sehen durfte sie dabei, mit Ausnahmen der Bediensteten
und natürlich dem Rest der Familie, kein einziger außerhalb
des Anwesens. Es kam auch schon vor, dass genau in der Zeit, wo sich
die Hausherrin zwischen ihren Rosenhecken befand, plötzlich
des Bürgermeisters Anmut vor dem großen und prunkvollem
Außentor stand und um Einlass bat. Und das auch noch ohne
Voranmeldung! Man stelle sich das mal vor! Sicherlich schätzte
der Roigers Clan den Umgang mit solchen Persönlichkeiten. Es
würde zudem auch noch das Persönlichkeitsbild dieser, ihrer
Familie, nicht nur im geschäftlichen sondern auch in der
Öffentlichkeit, um einiges steigern. Dessen waren sie sich
bewusst. Doch, ging es um die Privatsphäre, entpuppten sie sich
schließlich als die Eigenbrötler schlechthin und gaben
sich als die wahren Snobs zu erkennen. Und der Bürgermeister,
tja der Bürgermeister musste wieder in seine Limousine
einsteigen und, zwar etwas in seiner Persönlichkeit
gekränkt, unverrichteter Dinge abfahren.
Gunther hingegen bevorzugte ein eher nicht sehr
verbreitetes Hobby, da es sich die meisten sowieso nicht leisten
konnten. Sicherlich gab es viele unter den ersten Zehntausend, doch
vergleicht man diese mit der tatsächlichen Masse an Bewohnern der
gesamten Städte dieser Welt, so waren diese ersten Zehntausend,
an überdurchschnittlich Superreichen doch in der Minderheit.
Laut Gunther, eher ein Sternchen im großen Himmelsfirmament. Er
sammelte Münzen und hatte eigens dafür Sammler
verpflichtet. Diese verstanden ihr Geschäft und jeder einzelne
mit einem unschätzbaren Wissen ausgestattet, feilschten sich
förmlich durch sämtliche Auktionen der Großstädte
dieser Welt nach diesen kostbaren und doch seltenen Münzen. Sie
forschten nach Absprache ihres Chefs, eben Gunther Roiger, wenn
verlangt, nach allem was er aufkaufen wollte. Und sei es noch so
kostspielig. Per Zufall fing ihn diese Leidenschaft vor zirka dreißig
Jahren ein. Ein guter Freund hatte ihm zu jener Zeit seine
Münzsammlung verkaufen wollen und als Gunther diese herrlichen
und glänzenden Münzen sah, war es um ihn geschehen. Fortan
interessierte er sich nicht nur für ihren hochpolierten Glanz
und Wert nein, auch die Geschichte, die eine jede solch seltene Münze
erzählte, verzauberte seine Sinne und Fantasien. Mittlerweile
besaß Gunther, und das wurde bewiesen, die größte,
die wertvollste und in der Erhaltung teuerste Münzsammlung auf
dem gesamten Globus den man Erde nennt. Der nur grob geschätzte
Gesamtwert seiner Sammlung wird von den heutigen Experten auf weit mehr
als vier Milliarden Euro veranschlagt. Natürlich verwahrte
Gunther all diese kostbaren Münzen nicht in seinem Anwesen auf,
sondern der größte Hauptanteil, achtundneunzig Prozent,
liegt sicher verwahrt und natürlich auch gut versichert in einer
Haupt- und Zentralbank, in einem Land von dem nur sehr wenige und
dennoch vertraute, wussten.
Aber er sammelte auch in seiner extra dafür
eingerichteten Räumlichkeit, wo seine kleinen Babys, so nannte
er seine Münzen, in Reih und Glied unter beleuchteten
Glasvitrinen lagen. Dort fühlte er sich wohl und entspannt. Nur
dort in diesem Raum konnte er für ein paar Stunden seine
geschäftlichen Aktivitäten und Verpflichtungen für viele
Menschen, gänzlich beiseite Schieben. Da waren sich Gunther und
seine über alles geliebte Adelheid einig. Sie brauchte den
Duft, die Farben und die Ruhe zwischen ihren Rosen und er eben seine
Münzen und deren Geschichten.
*
Währenddessen in Claudias Wohnzimmer.
Ein sehr lautes Gelächter hallte vom Wohnzimmer auf
den Flur hinaus. Claudia und Sheila amüsierten sich aufs
köstlichste. Sie lachten und lachten. Claudia hatte im wahrsten
Sinne des Wortes ein hochgradiges Talent, Witze zu erzählen. Das
tat sie meistens um Sheila von ihren Problemen, oder wie auch gerade
eben von ihrem Liebesleid, ein wenig abzulenken und das gelang ihr in
den meisten Fällen. Ja sie liebte Sheila als wäre es ihr
eigenes Kind.
»Ach meine liebe Claudia, du bist und bleibst für
mich ein seltenes Unikat. Ich bin echt froh, dass du da bist.«,
wies sie darauf hin und guckte Claudia ganz ernst und tief in die
Augen, während ihr Tränen von den Wangen liefen.
»Ist schon gut, mein liebes Kind, ist schon gut.
Also, wenn du nicht bald aufhörst, so ein traurig liebes Gesicht
zu machen, fange ich auch gleich das Heulen an.«, entgegnete
Claudia, wobei ihr auch schon ein paar Tränchen über die Wangen
herunter liefen. Es folgte nun eine innige Umarmung.
»Mein liebes Kind, dich hat es ganz schön
erwischt. Dieser Johnny muss ja was ganz besonderes sein, oder?«
»Das ist er, Claudia, wahrlich das ist er.«,
bestätigte Sheila.
»Nun aber Schluss für heute. Wir müssen
uns jetzt wieder beruhigen. Außerdem habe ich noch eine Menge
Arbeit zu erledigen.«, entgegnete Claudia leicht streng. Was
sie aber nicht böse meinte. Es war halt ihre Art,
alles in gewohnter Form zu halten. In all den vielen Jahren, wo
nun Claudia für die Familie Roigers arbeitete, hatte sie niemals,
nie, die ihr aufgetragenen Arbeiten in diesem Hause vernachlässigt
oder gar nur oberflächlich erledigt. Sie gab stets
einhundertzwanzig Prozent. Und das sollte auch so bleiben.
»So Kleines, ich muss jetzt meine Mädels
kontrollieren. Diese jungen Dinger treiben nur Unsinn, wenn ich außer
Reichweite bin. Du kannst ruhig hier bleiben, wenn du magst. Bis bald
meine Hübsche.«, sagte Claudia, mit einem herzwarmen
Lächeln.
»Ist gut, wir sehen uns ja dann beim Abendessen.«,
erwiderte Sheila, wobei sie Claudia ein freches Augenzwinkern
entgegen warf.
Claudia ging also ihren häuslichen Pflichten der
Roigers nach. Und Sheila, ja Sheila saß noch auf Claudias Bett
und dachte nach.
Sie brauchte nicht lange zu überlegen und ihr fiel
schon etwas ein. Sie beschloss, sogleich auf ihr Zimmer zu gehen und
mal wieder in ihr Tagebuch zu schreiben. Gerade wollte sie
losspurten, da fiel ihr in Claudias Räumlichkeiten, und das,
obwohl sie schon so viele Male hier unten war, etwas auf. Zunächst
guckte sie sich nun intensiv in diesem Schlafzimmer um. Sie sah dabei
nach links, nach rechts nach unten und nach oben, ja, einfach überall hin.
Wusste gar nicht, dass Claudia so schlicht und einfach
wohnt. Nur das Bett. Dann ein einfacher und uralter schmaler
Schrank stand auf der rechten Seite an der Wand. Ein paar Pflanzen,
die mit einem ultraviolettem Licht bestrahlt wurden, da ja hier unten
im ausgebauten Keller kein Tageslicht eindringen konnte, standen auf
einem extra dafür geeigneten Tisch. Ein kleiner Tisch aus Holz,
passend für zwei Personen. Jedoch nur ein Stuhl vorhanden.
Teppich oder dergleichen, die diesen Raum ein bisschen verschönern
würden, gab es auch nicht. Sonderbar, hat meine Claudia
vielleicht finanzielle Probleme oder mag sie es so. Das lässt
mir jetzt keine Ruhe. Ich werde sie später danach fragen. Und
nicht vor den Dienstmädchen. Muss unbedingt vermeiden, Claudia
auf irgendeine Art und Weise bloßzustellen.
Von einer Sekunde auf die andere verfiel Sheila in eine
Art Nostalgie. Es war Johnny, der ihr wieder in den
Sinn kam. Schon allein der Gedanke an ihn ließ ihr verliebtes
Herzchen schnell und wie wild pochen. Ein Kribbeln machte sich in
ihrem Bauch bemerkbar, was sich aber als nicht unangenehm
entpuppte. Im Gegenteil, in ihrem Innern machte sich eine wohltuende
Wärme bemerkbar. Sie konnte es bald nicht mehr aushalten, so sehr
sehnte sie sich nach ihm. Es war ja ihre Entscheidung, dass sie sich
erst morgen so gegen zehn Uhr vormittags bei seiner Großmutter
Mimmi treffen werden. Mittlerweile bereute sie es schon. Denn längst
hätte sie bei ihm sein können. Doch ihr Wort, zwar etwas
spät, sich zu ihren Eltern bei Kaffee und Kuchen zu gesellen,
wollte sie nicht brechen. Am liebsten würde sie hinaus auf die
Straße gehen und es der ganzen Welt zurufen. Ich bin
verliebt, ich bin verliebt, verliebt in Johnny Meinert. So fühlte
sie sich eben.
So, jetzt muss ich aber hoch in meine Wohnung, dachte
sich Sheila.
Wohl erdacht, sogleich gemacht.
Mit einem stilvollen Schwung sprang sie förmlich
von Claudias Bett in einem Satz und landete fest im Stand. Rannte aus
dem Wohnbereich ab in den Flur und stieg die Stufen hoch bis in den
Salon oder wie er meistens genannt wurde den Großen Saal. Dort
angekommen hielt sie kurz inne. Da stand sie nun und sah zwei der
insgesamt zwölf Dienstmädchen, die fleißig die Stühle
und die langen Tafeltische aufs gründlichste reinigten. Da
diese Dienstmädchen allesamt gleichermaßen gekleidet
waren, fiel es Sheila ein wenig schwer, jene welche, die sie gerade
eben erspähte, auseinander zu halten. Ja, diese heilige
Kleiderordnung geht auf die Forderung ihrer geliebten Mama zurück.
Gegen eine einheitliche Dienstkleidung hatte Sheila nichts
einzuwenden. Doch diese Dienstkleidung, die alle Dienstmädchen
tragen mussten, hielt sie schon für durchaus übertrieben.
Man stelle sich einmal vor. Diese Dienstmädchen mussten nämlich
die Dienstkleidung aus dem Jahre 1940 tragen. Nur an Hand von alten
Fotos, die ihre Mama von ihrer Großmutter mitvererbt bekam. Es
wurde diese Kleidung der damaligen Zeit in einer Spezialschneiderei
speziell, also separat, angefertigt. Ihre Mama erachtete dies nicht
nur für notwendig, sondern für ein absolutes Muss. Nur
diese Dienstkleidung passte ins Ambiente dieses Hauses. Laut der
Hausherrin. Und wer sich weigerte, diese Kleidung zu tragen oder gar
sich über diese Verordnung lustig zu machen pflegte, konnte
jeder Zeit gehen. Kurz und gut, wer sich weigerte, flog noch im
gleichen Augenblick und das im Sauseschritt, aus dem Hause, aus dem
Anwesen, durch das große und prunkvolle Außenhaupttor und
hinaus in die Freiheit.
Ausgeschlossen von dieser speziellen Kleiderverordnung
wurden lediglich Claudia und der Gärtner. Selbst die beiden
Spitzenköche, die in abwechselnder Schicht die köstlichsten
Gaumenfreuden aus bester Qualität und allerfrischesten Produkten,
was man für Geld kaufen konnte, herbeizauberten, mussten für
ihren Job die entsprechende Kleidung aus dieser Zeit tragen. Was
aber für die beiden Köche keinerlei Problem darstellte. Ja,
ihnen gefiel diese Ordnung sogar. Und die Dienstmädchen haben
sich längst daran gewöhnt. Trotz alledem wollte Claudia
nicht aus dem Rahmen fallen und bat kurzer Hand die Hausherrin,
wenigstens eine Art Dienstkleidung, ihrem Rang als Oberaufseherin
und zugleich Haushälterin entsprechend, in Auftrag dieser
speziellen Schneiderei zu geben. Was, wie man sich natürlich
bestens vorstellen konnte, die Hausherrin mit Freude in Auftrag gab.
Und man staune, als Claudia diese neue Dienstkleidung in fünffacher
Ausführung, von der Hausherrin persönlich gebracht anzog,
sah sie wie aus dem Ei gepellt aus. Es war nicht aus dem Jahre
1940, nein im Gegenteil, sie sah darin wie eine Managerin oder gar
eine Geschäftfrau aus. Natürlich freute sich Claudia über
alle Maßen darüber. Was die Hausherrin in so höchste
Verzückung versetzte.
Sheila sah sich öfter den großen und nach
ihrer Meinung hässlichen Saal an. Das tat sie immer dann, wenn
sie kurz nachdenken musste. Komischerweise, was sie sich aber
nicht erklären konnte, fiel es ihr hier am leichtesten. Aber
auch die unheimliche und bedrückende Stille die dieser Saal
vermittelte, hat es ihr angetan. Warum auch immer. So beließ
sie es dabei, holte tief Luft und rannte die Zweiunddreißig
Stufen hoch. Oben angekommen eine Scharfe Kurve nach links zu ihrem
linken Flügel und ab, den langen Flur, bis hin vor ihre Türe.
Dort angekommen ging sie in die Hockhaltung über und atmete
sich erst einmal richtig aus. Diese Sprints veranstaltete sie des
Öfteren, der Figur zuliebe. Kurze Zeit darauf öffnete sie
das Vorzimmer, man könnte es auch als Wohnzimmer bezeichnen,
ging indessen hindurch, öffnete die nächste Türe, wo
sich ihr Schlafzimmer befand. Sprang mit einem gekonnten Satz aufs
Bett und ging in den Schneidersitz über. Es folgte ein gewohnter
Griff nach links, wo ihr Nachtkästchen stand und sie öffnete die
dazugehörende Lade, in dem sich ihr Tagebuch befand. Sheila
holte es heraus und legte es auf ihren im Schneidersitz postierten,
Schoß. Sie öffnete den ersten und harten Seitendeckel des
Buches, wo ein Kugelschreiber klemmte, zog ihn heraus und
begann zu Schreiben.
Liebes Tagebuch.
Mein Herz ist mit Glücksgefühlen und
unsagbarer Sehnsucht nach Liebe, ja, nach meiner großen Liebe,
durchtränkt. Ach, was schreibe ich denn da. Selbst diese Zeilen
vermögen nicht das zu beschreiben, was mein Herz, ja meine Sinne
mir zärtlich zuflüstern. Es ist nicht die erste Liebe
selbst. Doch diese neue Liebe, die mir unbekannte und noch nie
dagewesene Gefühle aus den tiefsten Tiefen meines innersten
Selbst regelrecht überfluten. Mein Verstand, der mir nicht mehr
gehorchen will, der mich von diesem Abenteuer der Liebe stets
versucht, mich zu entmutigen. Doch liebes Tagebuch, bin ich nicht
Willens und stark genug, mich dagegen zu wehren. Doch so frage ich
dich, möchte ich mich denn wesenhaft dagegen wehren? Mitnichten.
Ich sehne mich nach seinen warmweichen und zärtlichen Lippen,
die die meinen in diesem Zugabteil schon einmal berührten und
zu einem Kuss gereifen ließen. Als dies in diesem Moment
geschah, bebte und zitterte mein gesamter Körper. Nach diesem
ersten Kuss, nach dieser ersten Zufallsbekanntschaft, die ich erst
zwei Stunden kannte, schämte ich mich und fühlte mich
folglich wie eine Schlampe. Wortlos ja, wortlos berührten sich
unser beider Lippen. Keine Hand oder irgendein anderes Teil unseres
Körpers berührten sich. Danach stürzte ich wie eine
schwachsinnig gewordene aus dem Zug und rannte. Doch je weiter ich
mich von ihm entfernte, desto näher fühlte ich mich ihm
hingezogen. Seit diesem Augenblick muss ich immerzu an ihn denken.
Mein Herz, mein armes kleines, mich immerzu quälendes Herz,
lechzt, ja hungert nach dieser Liebe. Mein Bewusstsein flößt
mir nebenher noch Angst und Ungewissheit ein. Es, so scheint mir,
vermischt und vereinigt sich mit meinen Gedanken, der Gefühle
Herz, zu einem Wirrwarr, das mich unsicher werden lässt. Nicht
nur wirre Gedanken, nein auch absurde Vorstellungen durchströmen
mein Gehirn. Sind es vielleicht die Hormone, die mich oft zum Weinen
bringen. Sicher, leicht wäre es, es ihnen zuzurechnen. Doch, so
frage ich, woher kommt sie, die Liebe? Das Wort mit Fünf
Buchstaben, das so mächtig sein kann, um einem die Sinne zu
rauben? Das einem dazu bringt, verrückte Dinge zu tun, während
dieses Rausches der Gefühle. Ich erkenne mich selbst nicht mehr.
Manches mal stehe ich vor dem Spiegel und sehe hinein und frage
mich, was ich da sehe. Ist das wirklich jene welche Person, die einst
schwor, als sie das erste Mal enttäuscht wurde, ja verliebt war,
sich nie mehr von dem Rausch der Liebe bezirzen zu lassen? Nie mehr
wieder auf die schönen und schmeichelnden Worte so genannter
potenzgesteuerter Macho zu hören? Ja diese selbe Person die
schwor, sich nie wieder zu verlieben? Jenige welche, sich nicht mehr
von diesen Gefühlen leiten und beirren zu lassen? Erkennen,
bekennen muss ich, dass ich diese jenige bin? Ja, das bist du, Sheila
Roiger. Und doch. In meinem innersten Selbst lodert aufs Neueste und
viel stärker als je zuvor diese neue Liebe. Es ist so, als lebte
ich nur noch für den morgigen Tag, wo ich ihn wiedersehen
werde. Um noch einmal mein Herz zu öffnen! Morgen werde ich
nicht viel darüber nachdenken. Ich werde einfach geschehen
lassen was eben geschieht. Ich werde meinem Herzen folgen und mich
nicht von der Etikette meines Namens leiten lassen.
So beendete Sheila ihre heutige Eintragung in ihrem
Tagebuch. Sie klemmte auf der Innenseite ihren Kugelschreiber wieder
in den ersten harten Seitendeckel, der im Übrigen mit Hochglanz
aus reinem Silber bespannt war. Danach legte sie ihr Tagebuch
wieder in die Schublade. Weiterhin saß Sheila im
Schneidersitz und dachte nach. Dann guckte sie auf ihre Armbanduhr.
Noch ne halbe Stunde bis zum Abendessen. Was könnte
ich nun anstellen. Vielleicht sollte ich die Bediensteten ein wenig
ärgern, so wie ich es als Kind immer tat. Eigentlich keine so
gute Idee. Wenn man ein Kind ist, wird einem eher verziehen. Aber
als Erwachsener im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gibt es
eher Ärger. Man, wie doch die Zeit vergeht. Ich kann mich noch
gut an meine Kindheit erinnern. Man bemerkt gar nicht, wie schnell
zwanzig Jahre vergangen sind. Ja, es kommt einem vor, als wäre es
erst gestern gewesen. Drei, höchsten noch viermal zwanzig Jahre,
und dein Leben ist vorüber. Und das natürlich nur, wenn man
einigermaßen gesund ist. Es ist ein Jammertal. Dachte sie sich
des Weiteren.
Sheila beschloss, in den großen Saal zu gehen, um
sich eine schöne Tasse Kaffee servieren zu lassen. Gesagt,
getan. Wieder einmal sauste sie in flotten Schritten den Flur hinaus
und im Endspurt bis hin zu den zweiunddreißig Stufen, welche
sie flink wie ein Wiesel hinunterstolperte. Sie hielt, als sie unten
ankam, kurz inne, um ihr zu hastiges Atmen nach diesem Spurt wieder
unter Kontrolle zu bringen. Anschließend ging sie zu dem
Tafeltisch, wo sie stets mit ihren Eltern zu dinieren pflegte. An
jedem Ende dieses Tisches befand sich unterhalb der Tischplatte ein
hervorstehender Knopf. Drückte man auf einen dieser beiden
Knöpfe, so ertönte in der Küche ein Signal, was jedem
der sich in dieser Zeit dort aufzuhalten pflegte, aufhorchen lies,
um anschließend sofort auf dieses Signal zu reagieren und sich
zu diesem Tisch zu begeben. Dies war eine direkte Order und sie fand in
allen Arbeitsverträgen ihren festen Platz.
Sheila saß auf ihres Vaters Platz, was sie immer
tat, sollte sie sich alleine an diesem Tisch befinden. Jedoch
beobachtete sie, und das mit Argusaugen, von ihrem Vater nicht gesehen
zu werden. Eines von so vielen Eigenheiten seitens ihres Vaters, wo
er gänzlich aus der Haut fahren konnte. Der Herr Papa, sollte
man wissen, ist in gewisser Weise ein Gewohnheitsmensch und hasste
nichts mehr, als dass diese Gewohnheit missachtet würde. Also,
sich trotz dessen Verbots auf seinen Platz zu setzen, war für
Sheila jedes Mal ein kleines Abenteuer. Zudem kam noch erschwerend
hinzu, dass sie sich ein klein wenig mächtig fühlte. Man
stelle sich nur einmal vor. Sheila Roiger sitzt auf dem Platz von
einem der reichsten Männer dieser Welt. Es gab ihr irgendwie ein
gutes Gefühl. So drückte Sheila zur Linken dieses Tisches
jenem Signalknopf und wartete. Es verging nicht einmal eine Minute,
schon kam eines der zwölf Dienstmädchen in schnellen,
jedoch geordneten Schritten an den Tisch herbei. Alice Brückner
war es, die etwas schüchtern und leicht bleich wirkend im
Gesicht auf Sheilas Anordnung wartete. Alice ist der Jüngste
Spross von insgesamt zwölf Dienstmädchen und erst, soviel
wie Sheila von Claudia erfuhr, seit exakt drei Monaten dabei, also im
Hause der Roigers tätig. Ein niedliches, sehr natürlich
hübsches hellblondes Mädchen mit sehr langem, jedoch im
Dienste hochgebundenem Haar. In etwa in der Mitte des Kopfes musste
ein jedes Dienstmädchen auf dem hochgesteckten Haar eine mit
kleinen Rüschchen verzierten Pelerine (halbe oder nach hinten
offene Kopfbedeckung) tragen, die durch zwei nach
hinten, hinter den Ohren führenden Schnüren, im Bereich des
Genickes zusammengebunden wurde. Mit fünfzehn Jahren hatte sie
ihre Lehre begonnen und mit zirka achtzehn Jahren, wie kann es anders
sein, erfolgreich abgeschlossen. Ohne eine Ausbildung hätte
Sheilas Mama sowieso keine einzige in Stellung genommen. Ihre Mama
legte auf die Standfestigkeit und Arbeitswillen ihrer jeweiligen
Angestellten großen Wert. Ihre Meinung darüber? Wer eine
mehrjährige Lehre absolviert, das auch noch mit Erfolg und
Fleiß, was ja die Empfehlungen der jeweiligen Berufszeugnisse
aussagten, verdient es, sich im Hause der Roigers, in einem Zeitraum
von zwei Jahren zu qualifizieren, sozusagen sich zu beweisen und zu
bewähren. Wobei jene neue Kraft von Claudia der Oberaufsicht und
zugleich Haushälterin, aufs Genaueste geprüft, beobachtet
und zu guter Letzt beurteilt wurde. Auf Geheiß bzw. Order von
der Hausherrin musste Claudia über jeden, und das nicht nur von
den neuen Dienstmädchen, eine Art Dienstarbeit und
Verhaltensbuch führen. In diesem Buch musste Claudia alle
Verhaltensweisen eklatant aufs Genaueste, mit Datum, Uhrzeit usw.
eintragen. Worauf die Hausherrin stets zurückgreifen konnte,
wenn eine Arbeitskraft nicht mehr von Nöten oder gar unzumutbar
für das Ansehen des Hauses Roigers wurde. Doch bisher
konnte Claudia fast jedes, sofern es ein fleißiges Mädchen
war, durch die harten und anforderungsreichen Zusatzprüfungen
der Hausherrin bringen. Dabei ging es ihr nicht darum, wie ihre
Hausherrin, jede noch so kleinste Kleinigkeit zu rügen und in
ihrem Dienstbuch zu notieren, nein vielmehr, um Individualität,
also Charakter und Eigenbemühungen.
Unglückliche Missgeschicke, wie zum Beispiel das
Zerbrechen von teurem Porzellan und dergleichen, versuchte Claudia in
den meisten Fällen sowieso auf sich zu nehmen. Denn es hätte
schlimme Folgen für die neuen Dienstmädchen
gehabt. Doch nicht jedes Dienstmädchen konnte Claudia vor einer
fristlosen Entlassung verschonen. So wie in dem Fall eines schwanger
gewordenen Dienstmädchens, das schon 6 Jahre in diesem Haus der
Roigers zufrieden arbeitete. Claudia versuchte verzweifelt, dem
Mädchen ihre Arbeit zu bewahren. Sie teilte das schwangere
Mädchen nur noch unten in der ausgebauten und hochmodernen
Großküche ein. Auf diese Weise war sie in den meisten
Fällen von der hohen Herrschaften Blicke weitgehend
verschont. Doch wie bekannt, wächst ein solch unschuldig kleines
Menschlein weiter und weiter, bis es schließlich nicht mehr zu
verbergen war und bei der nächsten unangemeldeten Kontrolle von
der Hausherrin höchstpersönlich entdeckt wurde. Was
natürlich mit sofortiger Wirkung zu einer fristlosen Kündigung
führte. Alles Flehen und Bitten konnte das Herz der Hausherrin
nicht erweichen. Es brach Claudia, als sie die junge werdende Mutter
weinend für immer verabschieden musste, fast ihr Herz. Und nicht
genug der Strafe, wurde Claudia von der Hausherrin abgemahnt, ja fast
noch selbst entlassen. Die Hausherrin hielt Claudias Verhalten für
einen Vertrauensbruch, weil jene welche es vor ihr monatelang
verbarg. Claudia hingegen ließ sich diese Drohung nach so
vielen Jahren der Aufopferung für diese Familie nicht gefallen
und packte noch am selbigen Tag ihr Hab und Gut zusammen. Worauf der
Hausherr bei seiner liebsten Adelheid erzürnt Einspruch erhob und
im eigenen Ermessen die Abmahnung zurückzog und, noch darüber
hinaus, eine saftige Gehaltserhöhung drauflegte. Claudia nahm
natürlich an und ging wie eh und je mit stolzem und erhobenen
Haupt ihrer Verpflichtung im Hause der Roigers nach. Sie wusste
von diesem Tage an, was sie aber nicht im Entferntesten ausnutzte,
dass sie im Leben der Familie Roigers unentbehrlich geworden war. Von
diesem Zeitpunkt an, bekam sie nie, ja überhaupt keine Rüge,
noch Abmahnungen oder dergleichen von der Hausherrin mehr. Im
Gegenteil, Claudia konnte sogar eigene Entscheidungen treffen, ohne die
Hausherrin vorher Fragen zu müssen. Was sie aber nicht
gerne tat. Sobald die Hausherrin nicht im Hause zugegen war,
entschied sie nun mal alleine, das hatte sie auch schon vorher so
gemanagt, ungeachtet dessen, ob es der Familie Roiger gefiel oder
nicht. Es gab nun mal Entscheidungen, die nicht erst der Genehmigung
seitens des Hausherrn oder der Hausherrin bedurften. Zum Beispiel als
Sheila im hohen Fieber lag und Claudia dieses arme kranke Kind in ihr
Auto verfrachtete und eigenständig ins nächstgelegene
Krankenhaus brachte, während die hohen Herrschaften auf irgendeinem
Empfang zugegen sein mussten. Natürlich aus geschäftlichen
und gesellschaftlichen Gründen, versteht sich. Denn Hausherren
sah man nicht so oft wie die Hausherrin im Hause. Doch war diese
zugegen, fragte Claudia sie höflich um eine Entscheidung
seitens der Hausherrin. Mit der Zeit stärkte dies wieder das
beiderseitige Vertrauen. Natürlich war das alles von Claudia
genau geplant. Sie wusste, wie sie mit ihrer Chefin umzugehen hatte.
Sie musste ihr nur das Gefühl der Unterordnung geben. Sie
brauchte nur in Anführungsstrichen, brav und in guter Manier, ab
und an um Hilfe und Vorschläge von ihrer Hausherrin zu
erbitten. Das gab ihrer Chefin das nötige Selbstwertgefühl
und stärkte sie in dem Glauben, dass ohne sie hier im Hause der
Roigers überhaupt nichts mehr funktionieren würde. Von da
an gab es keinerlei, nun sagen wir einmal, fast keine unangemeldeten
Kontrollen mehr. Auf diese Art und Weise der gegenseitigen
Verständigung befanden sich beide Parteien für zufrieden
und alles konnte seinen, zumindest für Claudia, gewohnten Gang
weitergehen.
»Sie wünschen bitte?«, fragte Alice mit
einem Hofknicks Sheila nach ihrem Bedürfnis.
»Alice, schön dass ich dich auch mal zu sehen
bekomme. Du bist also das neue Dienstmädchen hier.«,
stellte Sheila fest.
»Gewiss, Fräulein Roiger.«, gab sie
kleinlaut und mit schüchternem Wesen zurück.
»Aber, aber, Alice, wenn meine Eltern nicht
zugegen sind, wir wollen ja um jeden Preis verhindern, dass du Ärger
bekommst, kannst du mich beruhigt Sheila nennen.«, gab sie zu
verstehen.
»Gerne Sheila. Und was möchten Sie, oh ich
bitte um Verzeihung, was möchtest du gerne?«, frage Alice
nach.
»Ach ja, ist mir doch glatt entfallen, warum ich
hier in diesem Saal der Hässlichkeit überhaupt anwesend
bin. Sei so nett und bringe mir bitte ein kleines Kännchen
Kaffe, viel Zucker und extra viel Milch, ja?«, bat sie darum.
Da guckte Alice nicht schlecht. Ja, sie war von Sheila
über die Maßen entzückt. Sie konnte es fast nicht
glauben, das Sheila eine Roiger ist. Dementsprechend reagierte Alice
auch fassungslos. Denn seit sie in diesem Hause arbeitete, hatte sie
nur klipp und klare Befehle empfangen, nicht mehr und nicht weniger.
Nicht eine einzige Bitte hatte sie seither erhalten. Ausgenommen
dieser hier.
»Was ist, Alice, hab ich etwas falsches gesagt?
Dich, irgendwie beleidigt? Wenn ja, dann tut es mir leid.«,
wollte nun Sheila wissen. Ihr ist nämlich das Erstaunen in Alices
Gesicht nicht entgangen.
»Sheila, du hast mich nicht gekränkt. Ich war
nur etwas erstaunt, dass du so anders bist?«, gestand Alice ganz
offen.
»Anders? Als wer oder was?«, fragte nun
Sheila neugierig geworden.
»Verzeih Sheila, es steht mir nicht zu, hier im
Hause deiner Eltern auf irgendeine Art und Weise Kritik zu üben.«,
gab Alice zu verstehen.
»Doch, wenn wir beide alleine sind und ich
einverstanden bin, darfst du das allemal.«, forderte Sheila mit
einem leichten und nicht zu überhörendem Unterton von
Alice.
»Na ja, ich meinte, dass du, entschuldige bitte,
eben ganz anders als deine Eltern bist. Ich hoffe inständig, dass
ich dich nun nicht gekränkt habe?«, fragte sie vorsichtig
nach.
»Papperlapapp, du hast mich nicht im geringsten
gekränkt, liebste Alice. Deine Worte sind Balsam für meine
Seele. Ich möchte nie so sein wie meine Eltern. Gewiss, ich habe
sie sehr, sehr lieb. Doch kann ich nicht auf ihre Gesellschaft oder
geschäftlichen Wellenlängen mit reiten. Das ist ihre Welt,
die sie sich aufgebaut haben und nicht die meinige. Ich, liebste
Alice, habe, wie du und all die anderen Menschen, ganz normale Träume.
Bestimmt nicht mehr, aber auch nicht weniger. Weist du, nicht viele
Menschen werden, so wie ich, im Reichtum geboren. Der
Ottonormalverbraucher, wobei ich ihm aber nicht Recht geben kann,
belächelt dies als Glück. Meine Wenigkeit bezeichnet es als
Schicksal. Klar, soviel Reichtum macht nicht gerade traurig, das gebe
ich durchaus zu. Es kann aber auch in vielen Dingen ein Fluch sein.
Wenn du verstehst was ich meine?«, versuchte sie Alice zu
erklären.
»Ja Sheila, selbst die Reichen die alles haben,
besitzen im Grunde auch nicht mehr als die, die die Mehrheit
verkörpern.« Ein weiser und gerechter, für beide
Seiten gelungener Spruch. Was Sheila völlig in Erstaunen
versetzte. Wie Recht sie doch hatte.
»Da stimme ich dir zu, Alice.«, erwiderte
Sheila bejahend.
»So, Sheila, ich gehe jetzt den gewünschten
Kaffee holen.«, gab sie zu verstehen. Und ging ihres Weges.
Sheila saß fast regungslos auf des Herrn Papas
Thron und während sie auf den Kaffee wartete, dachte sie nach.
Sie hatte nur eines im Sinn. Sie freute sich auf morgen.
Ja, morgen werde ich mit dem Taxi zu Johnny fahren.
Dachte sie sich.
Immer und immerzu sah sie Johnny vor sich. Sie hatte
das Gefühl, als würde dieser Tag nicht enden wollen. Im
nächsten Augenblick vernahm Sheila, wie aus einem Echo klingend,
laute Stimmen. Sie zuckte förmlich vor Schreck zusammen.
»Träumerle. Ich bin es doch, Alice mit dem
Kaffee. Hab ich dich etwa verschreckt?«, frage Alice.
Ȁh, was? Durchaus nicht. War nur in Gedanken
versunken. Du kannst jetzt den Kaffee anrichten.«, gab sie kühl
zurück.
»Na, das muss ja ein Wahnsinns Typ sein?«,
betonte sie, mit einem Blick, der alles auszusagen schien. Von ihrer
anfänglichen Schüchternheit war nun nichts mehr zu sehen.
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte Sheila
nach.
»Was meinst du, worauf?«, kam Alice mit
dieser Gegenfrage.
»Na, dass ich an einen bestimmten Typen gedacht
hatte.«
»Von einem bestimmten Typen habe ich nicht
gesprochen, sondern nur von einem Wahnsinns Typ.«, ergänzte
Alice ihre Gedanken.
»Weißt du was, Alice? Du bringst mich ganz
durcheinander.«, erklärte sie fest.
»Ich bringe dich ganz bestimmt nicht
durcheinander, sondern dieser irre dufte Typ, den du offensichtlich
an der Angel hast. Ist wohl noch nicht viel passiert, was? Na ja, geht
mich ja nichts an. Entschuldige bitte. Meine Neugier wird mich noch
mal Kopf und Kragen kosten.«, bat sie mit einem kühlen und
vorsichtigen Lächeln.
»Nein, lass nur, aber was mich jetzt brennend
interessieren würde, ist, worauf du hinaus willst?«, fragte
Sheila mit gerunzelter Stirn.
»Aber, aber, meine Liebe. Das ist doch
offensichtlich? Du bist verliebt und das nicht nur ein bisschen, nein
du bist Hals über Kopf, ja, fast besinnungslos verliebt. Und du
hast mit ihm noch nicht geschlafen. Lass mich mal raten. Es war nur
ein einziger Kuss, der dich völlig durcheinander gebracht hatte.
Er geht dir nicht mehr aus dem Kopf. Er ist höchstwahrscheinlich
nicht einmal dein Typ. Anfangs versuchtest du ihn verzweifelt aus
deinen Gedanken zu verbannen. Er ist höchstwahrscheinlich eine
flüchtige Bekanntschaft, eine zufällige Bekanntschaft, doch
immer und immer wieder siehst du ihn vor dir. Du kannst nicht
schlafen, nicht viel essen. Du bist stets launisch und verstehst dich
selbst nicht mehr. Du kommst dir richtig schlecht vor, weil du dich
einem völlig fremden Mann öffnetest. Doch immer und
immerzu musst du an ihn denken. Er hat sich wie ein Virus in deinem
Herzen eingeschlichen und du hast das Gefühl, als schnüre
sich dein Herz immer enger und enger zusammen. Doch es ist kein
unangenehmes Gefühl, eher Kribbeln in deiner Bauchgegend, ein
ungebanntes und noch nie so intensiv verspürtes Gefühl.
Noch kämpft dein Verstand dagegen an. Doch im Innern deines
Herzens spürst du, dass du machtlos gegen diese Gefühle, die
du für ihn empfindest, bist. Stimmt es oder habe ich Recht?
Fazit, kämpfe nicht dagegen an, Sheila. Es ist sinnlos. Du bist
einer der wenigen glücklichen Menschen, die die wahre Liebe
erfühlen und erleben dürfen. Du solltest, wenn dich meine
Meinung interessiert, jeden nur erdenklichen Moment der Zweisamkeit,
die sich für dich ergibt, mit ihm auskosten.« Offenbarte,
Alice ihre Gedanken an Sheila. Die nun wie geschockt maulaffenfeil
hielt.
»Aber woher weißt du denn so viel von mir?«,
fragte Sheila nun baff. Sie konnte es fast nicht glauben, was sie von
diesem erst achtzehn Jahre jungen Mädchen zu hören bekam.
Woher wusste sie soviel von mir und meiner großen
Liebe? War es wirklich so offensichtlich? Wirkte ich wirklich so
auffällig, dass ein jeder so mir nichts dir nichts aus meinen
Verhalten gedankenschnell aus mir lesen konnte. Unglaublich. Oh Gott,
ist das peinlich.« Dachte sich noch Sheila und sah Alice
verwundert in die Augen.
»Also, du brauchst dir keine Gedanken darüber
zu machen. Von mir wird keine Menschenseele etwas darüber
erfahren. Ich weiss, ich bin ein Plappermaul. Verzeihst du mir liebe
Sheila?« Erbat sie nun, während sich Alice über
sich selbst ärgerte.
»Du hast ja Recht, Alice. Aber sag mal, dir ist es
wohl auch schon so ergangen? Ich meine, dass du so verliebt warst und
dich, genau wie ich, so verrückt verhalten hast?« Eine
berechtigte Frage, die sie da Sheila stellte.
»Ehrlich gesagt, nicht. Es war bisher nur ein
Wunschtraum von mir.«, gestand Alice, ein klein wenig traurig.
»Nun, du hast ja noch so viel Zeit. Du bist jung
und ein überdurchschnittlich wunderschönes Mädchen.
Wenn ich ein Mann wäre, dann würde ich dir den Hof machen.
Und glaube mir, du hättest keine Chance, nein zu sagen?«
Machte Sheila ihr Mut.
»Oh vielen Dank, das ist aber sehr nett von dir.
Ich dachte immer, dass ich ein hässliches Entlein wäre.«,
erklärte Alice etwas nachdenklich.
»Was? Du und ein hässliches Entlein? Wie
kommst du denn darauf? Du bist ein wunderschönes und natürliches
Mädchen. Ich finde, und das kannst du mir auch ganz bestimmt
glauben, dass du dir über dein Aussehen keinerlei Gedanken
machen solltest. Dennoch, leider habe ich im Verlauf meiner ersten
und langjährigen Beziehung eindeutig feststellen müssen,
wobei ich mich natürlich auch dazu zählte, dass viele
Menschen denken sie wären hässlich, gewissermaßen
im höchsten Maße unattraktiv. Das, meine liebe Alice, wird
auch der Grund sein, warum diese Menschen so oft alleine sind und
das, obwohl sie die gleichen Wünsche und Sehnsüchte haben und jene
Geborgenheit suchen wie jeder normal empfindende Mensch, den diese
Gefühle von Anbeginn seiner Existenz mitgegeben wurden. Und da
gibt es noch jene welche, die sich anscheinend vor Partnern nicht
mehr retten können und dadurch, genau auf unsere unsichere und
schüchterne Art Typ fixiert sind. Sie beginnen, auf unseren
Herzen herumzutrampeln, wobei sie keinerlei Rücksicht auf unser
Ziel, nämlich nur ein wenig, aber dennoch ehrlich, geliebt zu
werden, nehmen. Sie sehen uns nur als Objekte ihrer eigenen Begierde.
Glaube mir, meine liebste Alice, unter so vielen sexhungrigen Männern
auf den Richtigen zu Treffen, der dir all diese innigen Gefühle
bieten könnte, wäre glatt ein Lottogewinn. Ich will deine
Hoffnungen nicht zunichte machen, doch, wenn der Tag für dich
kommen mag, und er wird kommen, egal wie lange es noch dauern wird,
lasse dich nicht von seinem Aussehen oder was er besitzt, noch wie
beliebt jener welche von dir auserwählte doch in seinem Kreise
sei, blenden. Denn nichts ist schemenhafter, irreführender, als
der erste Eindruck. Auf diese Weise meine Liebe sind schon viele
bitterlich enttäuscht worden, weil sie nicht willens und fähig
waren, erst einmal den inneren Kern dieses Menschen zu
durchleuchten.«, erklärte Sheila Alice aus ihren
Erfahrungswerten.
»Gewiss, Sheila, das werde ich, falls ich mich
einmal verlieben sollte, berücksichtigen. Mein Ehrenwort
darauf.«, bestätigte Alice.
»Gut, das solltest du auch, meine Liebe.«,
antwortete sie.
Die beiden, unterhielten sich noch eine gewisse Zeit
miteinander, währenddessen sich ein ganz anderer so seine
quälenden Gedanken machte.
Kapitel 7
© 2008 by Peter Althammer
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