Du, mein Licht in dunkler Nacht

Ein Liebesroman von Peter Althammer

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Die Entscheidung

Einer von beiden verlangte nun unmissverständlich entscheidende Worte. Fest umschlungen verweilten die beiden weiterhin wortlos, bis schließlich die Erlösung kam. Mimmi tat die Türe auf und war von diesem Anblick der beiden schlichtweg entzückt. Sie wusste doch, wie einsam Johnny seiner Lebtage war und, bis auf Sheila, nie die Richtige fand. Einen Augenblick verharrte Mimmi und sah den beiden tief in die Augen. Und beide, Sheila und Johnny, konnten einen zutiefst zufriedenen und glücklichen Ausdruck in Mimmis Gesicht erkennen. »Aber warum steht ihr denn hier draußen herum, kommt doch lieber in die gemütliche Stube. «, lächelte Mimmi. Ja, selbst Sir Peter von Pfefferberg, der noch immer am Tisch in der Wohnstube saß und sich gerade eine kleine Prise Schnupftabak durch die Nase zog, konnte sein Entzücken nicht verbergen. So saßen die vier in gemütlicher Runde und diskutierten über Gott und die Welt. Der Abend ging schnell seinem Ende zu und es wurde für Mimmi Zeit ins Bett zu gehen. Auch für Sir Peter von Pfefferberg wurde es Zeit, sich, und natürlich gegenüber seiner Angebeteten in feinster und gekonnter Manier, zu verabschieden. Dennoch spürte man, dass Sir Peter nicht gerne ging. Ja er liebte Mimmi, seine für ihn schönste Frau auf Erden. Mimmi hieß eigentlich mit ihrem Vornamen Elisabeth und wie gerne würde Sir Peter sie mit ihrem Vornamen anreden. Was er aber nur einmal tat und sie ihm einen Blick zuwarf, der alles aussagte. Seither nannte er sie genau wie Johnny eben schlicht und einfach Mimmi. Ja, Mimmi hatte so ihre Eigenheiten. Doch Sir Peter schluckte all ihre Marotten und Launen herunter. So war er nun mal. Eine gute Seele von Mensch, mit einer ausgezeichneten Erziehung. So ging er in langsamen, aber dennoch gewandten Schritten von dannen, in seine Häuslichkeit nebenan. Währenddessen bot Mimmi Sheila die Übernachtung in ihrem Hause an, was sie annahm.
»So, nun überlasse ich dem Jungvolk das Feld. Ich wünsche euch beiden eine gute Nacht. Und bleibt nicht so lange auf, es wird in meinem Hause zeitig aufgestanden und anständig gefrühstückt, ehe der Tag beginnt.«, sagte sie und gab jedem der beiden ein Küsschen auf beide Wangen, was die beiden natürlich brav bejahten. Als Großmutter in ihr Schlafgemach verschwand, drehte sich Sheila zu Johnny um. Sie sah ihn ganz tief und lange in die Augen. Und er, ja und er konnte seine Blicke nicht von ihr lassen. Sie war so wunderschön, noch dazu in dieser Atmosphäre. Es brannte nur eine Nachtlampe, die neben Mimmis Sessel auf einem hölzernen kastanienbraunen Sockel stand. Es war so eine altmodische Lampe, noch aus den fünfziger Jahren mit hängenden Bändchen bzw. Bommeln rings herum um den Schirm. Überhaupt war dieser Stoff der Lampe noch handgenäht, sozusagen aus festem und dickem Seidenstoff, der nicht viel und nur gedämpftes Licht durchscheinen lies. Dadurch wirkte der Raum irgendwie geheimnisvoll. Ihr zartes, etwas bleiches Gesicht schimmerte im Schattenspiel, in diesem Licht. Langsam und ganz zärtlich begannen sich beide zu umarmen. Hörbar, aber dennoch ganz leise, vernahm Johnny einen Seufzer. Mit seiner linken Hand strich er ihr ganz vorsichtig über ihre linke Wange. Sie schloss dabei ihre Augen.
»Johnny?«, flüsterte sie ihm leise ins Ohr.
»Ja, Sheila?«, antwortete er unsicher.
»Verzeih mir bitte.«, sagte sie weinend.
Abrupt löste Sheila die Umarmung und ging in Richtung des Telefons, während Johnny total verblüfft, ja, wie geschockt ihr nach sah. Er sah es ihr an, wie schwer es ihr fiel, zu dem Telefon zu gehen. Mit einem male begriff er, wen sie da anrief und noch bevor sie das gewünschte Gespräch führen konnte, wusste Johnny, dass es die Taxizentrale sein musste. Nachdem sie das Taxi bestellt hatte, ging sie wieder auf ihn zu und umarmte ihn erneut. Johnny brachte keinen Ton mehr heraus. Wie ein verurteilter Schwerverbrecher wartete er nun auf das Urteil von ihr. Doch was Johnny ja nicht ahnen konnte, ist, sie wollte ihn ja nicht für immer verlassen, nur für so lange, bis sie ihr Leben auf ihn vorbereitet hatte.
»Verstehe das bitte nicht als endgültig, Johnny, ich liebe dich. Doch ich muss gehen und mein Leben vorbereiten, für uns beide. Es ist noch so viel ungeklärt. Ich muss das tun, sonst könnten wir beide niemals richtig glücklich werden. Es stünde immer etwas zwischen uns. Glaubst du mir?«, fragte sie ihn mit bedrückter Stimme.
Doch Johnny gab keine Antwort, er konnte in diesem Moment nicht antworten, selbst wenn er es wollte.
»Ach mein Liebster, ich kann dich gut verstehen. Glaube mir, es fällt mir nicht leicht.
Auf einmal verstand er. Sie wollte ihn nicht verlassen, wie er dachte, es war für sie kein Abenteuer. Er verstand, dass sie im Begriff war, ein neues Leben zu beginnen. Das letztere hinter sich zu lassen, die Vergangenheit zu vergessen von sich abzustreifen. Ein neues Glück zu erleben.
Seine Stimme war wie zugeschnürt. Ja, Geduld musste nun seine Tugend sein.
»Johnny, ich habe mich so sehr in dich verliebt, dass der Gedanke, was heute unter der Eiche geschah, mir Angst macht, dass es für uns beide vielleicht nur ein Abenteuer war. «, sagte sie bedrückt und sichtlich auf eine Antwort wartend. Doch Johnny schwieg sich noch einen Moment lang aus.
Als er diese Worte von ihr hörte, dass sie ihn liebt. Ja, dass sie so wie er, richtig verliebt sei, stockte seinen Atem.
»Sheila, hilf uns beiden, lass es nicht zu, dass es nur ein Abenteuer war. «, flüsterte er ganz leise.
Sie sah ihn an und spürte seinen inneren Kampf, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, den er mit sich selbst führte. In diesem Moment konnte sie seine Angst spüren. Vielmehr noch, sie sah die Angst in seinen Augen. Es war nicht die Art Blick, die Reue vermittelte. Verantwortung für sein Handeln und Tun übernehmen zu müssen. Es war die Angst, dass sie es bei einem Andrang von Schwäche geschehen ließ und es in ihrem innersten Selbst noch gar nicht verarbeitet hatte und für sich nur einen Ausweg sah. Ja, nur einen Ausweg sah, es ihm klar zu machen, es ihm zu deuten, es ihm wenn nötig, zu sagen, dass sie noch eine gewisse Zeit benötige, um ihr Leben zu ordnen. Und sie wusste auch, dass sie, um dies zu verwirklichen, jetzt gehen musste. Sie fühlte, dass es Liebe war. Sie musste sich aber auch eingestehen, dass sie sich wirklich und wahrhaftig in ihn verliebt hatte. Es war für sie kein Abenteuer. Sie musste aber auch einen klaren Kopf behalten. Viel zu viele Probleme standen zwischen ihr und dem Glück mit Johnny, ihr Vergangenes, das sie hinter sich lies. Sie wusste ganz genau, was sie zu tun hatte. Sie durfte nicht zu lange zögern und musste nun diesen Schritt tun, bevor sie gänzlich eine Gefangene dieser Liebe würde, um so zu schwach für diesen für sie so wichtigen Schritt zu sein. Sheila fuhr, vielmehr flüchtete sie zurück in ihre Heimat, um ein neues Leben zu beginnen. Viele Aufgaben warteten auf sie in der nächsten Zeit. Sie konnte zum jetzigen Zeitpunkt nicht zulassen, in eine neue Liebe mit Leib und Seele zu investieren, noch nicht. Erst musste sie ihre privaten Probleme regeln, bevor sie mit Johnny ein neues Leben beginnen konnte. Sie wollte ihm diese Probleme nicht aufbürden. Was für ein einfühlsamer Mensch, Johnny doch war, dachte sich Sheila. Sie verstand nun seine Angst und sie wusste, dass er es wusste, dass er es spürte, obwohl ihr beider Liebe zueinander wahrhaft und von ehrlichen Gefühlen geprägt war, sie gehen musste. Es schmerzte sie zutiefst, ihn so verzweifelt sehen zu müssen. Es riss ihr fast das Herz entzwei. Ob er es verstehen würde. Zudem beruhigte sie sich selbst, da es ja nicht für immer war. Nur für so lange, bis ihr Leben hier in Deutschland wieder geordnet sei. Eine neue Anwaltskanzlei zu eröffnen, ihr Leben in neue Bahnen zu lenken. Einen Platz zu finden, den sie ihr Zuhause nennen durfte. Sie würde dann zu Johnny zurückkehren und wäre für ihre Liebe bereit. Es stellten sich trotzdem noch unbeantwortete Fragen. Brachte sie es wirklich fertig, ihm dabei in die Augen zu sehen? Dachte sie nicht an ihn und den Schmerz, den sie ihm damit zufügen würde? Und die alles entscheidende Frage blieb dabei ja noch aus. Würde er denn auf sie warten? Es nicht als endgültigen Schlussstrich verstehen? Sie hatte mit ihm auf dem Hügel unter dieser Eiche geschlafen. Sie gab sich ihm hin und gab ihm ihr innerstes Gefühl, wie man Liebe nur bereit ist, geben zu können. Noch immer harrten die beiden Arm in Arm und sahen sich in die Augen. Johnny sah den Konflikt in ihrem Verhalten, mit dem sie Rang. So schwer es ihm auch fiel, wusste er, dass er loslassen musste, wenn er sie nicht gänzlich verlieren wollte. Er begriff auch, dass es keinerlei Garantie für ihn gab, dass sie auch wirklich zu ihm zurückkehren würde. Zurückhalten mochte, ja konnte er sie nicht. Sicherlich könnte er betteln, sich vor ihr auf die Knie fallen lassen, sie beschwören, sie anflehen. Ja, sich sogar vor ihr zu erniedrigen. Zu allem war er bereit. Doch dafür liebte er sie zu sehr, um ihr all das anzutun und verstand ihren inneren Krieg, den sie mit ihren Gefühlen führte.
Dann kam der Augenblick den Johnny so fürchtete, es klingelte an der Haustüre und man vernahm ein Rufen des vermeintlichen Taxifahrers, der sich mit dem Ruf bestätigte.
Ja, Zeit musste nun seine Tugend sein. Er beschloss, gegen seine Gefühle zu handeln, um ihr diesen Schritt zu ermöglichen. Er war bereit den Schmerz zu ertragen, auf sich zu nehmen, der jedweder Vernunft entsprach und alles, um ihr es leichter zu machen, um gehen zu können. Noch einmal sah er sie mit tränenunterdrückten Augen an und schenkte ihr ein erzwungenes Lächeln. Langsam ließ er seine Umarmung locker, immer lockerer bis er schließlich seine Arme fallen lies, drehte sich langsam aber stetig um, von ihr weg, so dass sie ihn nicht mehr in die Augen sehen musste und blieb starr wie ein Fels in der Brandung stehen. Was dies bedeutete, wusste Sheila genau.
Es folgte ein beiderseitiges Schweigen, das für beide zu Qual wurde. Bis er schließlich ihre Schritte in Richtung der schweren Haustür hörte. Leicht quietschend öffnete sie die Türe. Sie drehte sich noch einmal zu Johnny um. Wieder folgte ein quälendes Schweigen. Doch dann:
»Johnny, du warst kein Abenteuer. Vergib mir Johnny, ich liebe dich. Vergiss das bitte nie. Auch wenn du es jetzt noch nicht verstehen kannst. Ich muss das tun, um mit dir einmal glücklich sein zu können. Warte auf mich, bitte warte auf mich.«, sagte sie weinend und ging.
Für Johnny fiel eine Welt zusammen. Seine Beine zitterten so sehr, das er sich nicht mehr darauf halten konnte. Während er auf seine Knie fiel, hörte er das Zuschlagen einer der Türen des Wagens und schließlich das Abfahren des Taxis. Er wollte aufstehen, er wollte zu ihr, er wollte ihr nur noch sagen, dass er sie unendlich liebte. Er wollte ihr sagen, dass er auf sie warten würde, für immer, wenn es sein muss. Doch seine verdammten Beine wollten nicht. Das Abfahrtsgeräusch des Taxis wurde immer leiser, bis er es schließlich nicht mehr hören konnte.
Durch den Fall auf seine Knie wurde seine Großmutter wach. Als sie ihren Enkel auf allen Vieren, verzweifelt mit sich selbst ringend, auf dem Boden sah, erschrak sie fast zu Tode. Noch nie hat sie ihren Enkel mit so einem verzweifelten und bekümmerten Verhalten erlebt. Rasch kniete sie sich neben Johnny und hielt ihn so fest sie nur konnte. Es bedurfte keinerlei Worte, was geschehen ist.
Und Johnny schrie so laut, dass es jeder Nachbar hören musste. Ja, er schrie so laut, als hätte man ihn seiner Seele beraubt. Es ging Mimmi durch Mark und Bein.
Einige Augenblicke später wurde die schon leicht geöffnete Haustüre mit einer Wucht aufgestoßen und Sir Peter von Pfefferberg stand entsetzt, aber dennoch aufs höchste kampfesbereit, mit einem Schrotgewehr in der Stube. Als er glaubte, die Situation zu erkennen, hielt er völlig außer Puste kurz inne. Entsetzt richtete sich sein Blick in abwechselnder Folge auf Johnny und Mimmi. Er sah sprachlos den einst so fröhlichen und aufgeweckten jungen Mann an, der kauernd und elend anzusehen, von seiner Oma umarmt auf dem Boden kniete.
»Was ist denn los? Um des Himmels Willen, was ist denn nur geschehen?«, Fragte er irritiert, benommen.
Mimmi sah kopfschüttelnd zu Sir Peter hoch. Sie erkannte sofort die Angst, die er um sie und ihren Enkel hatte, die Angst, die sich in Form von Schweißtropfen wie Perlen auf seiner faltigen Stirn sammelte.
»Genaueres weiß ich jetzt auch nicht, ich fand ihn gerade in diesem Zustand. Aber ich denke, es geht um Sheila. «, sagte Mimmi, außer sich.
»Wie kommst du darauf, liebste Freundin? «, fragte er.
»Siehst du Sheila hier irgendwo? Nachdem du gegangen warst, bat ich sie über Nacht hierzubleiben und sie willigte ein. «, erzählte sie weiter.
»Das tut mir leid für Johnny.«, sagte Sir Peter.
»Sir Peter, hilf mir Johnny in den Sessel zu setzen.«
Sir Peter entspannte denn Hebel des Laufes am Schrotgewehr und stellte es rechts neben sich an die Wand. Anschließend, und mit vereinten Kräften, hoben sie Johnny auf und setzten ihn in den Sessel. Er hingegen wirkte wie apathisch, so als wäre er überhaupt nicht anwesend. Bewegungslos starrte er ins Leere. Mimmi bat Sir Peter, noch eine Weile zu bleiben. Was er gerne tat. Und während beide am Tisch saßen beobachteten sie ihren Liebling aufs Genaueste. Mimmi ging zum Schrank und öffnete die sich darin befindliche Bar, nahm drei Schwenkgläser und eine Flasche Cognac heraus, setzte sich wieder zu Tisch und schenkte die drei Gläser bis zum Rand hin voll ein.
Johnny ließ sein Glas unberührt stehen, doch er schien sich langsam zu beruhigen.
»Johnny, mein Liebling, trink doch einen Schluck Cognac, er wird dir gut tun und dich beruhigen.«, empfahl Mimmi ihrem Enkel voller Besorgnis.
»Nein danke, es geht schon wieder. Es tut mir leid, dass ich euch so erschrocken hatte. Aber einen Moment lang dachte ich, ich müsste den Verstand verlieren.«, gestand Johnny offen.
»Johnny, willst du darüber reden?«, fragte Sir Pfefferberg mit sorgenvollem Gesichtsausdruck.
»Was soll ich schon dazu sagen, sie ging fort, um ihr Leben in Ordnung zu bringen.«, erwiderte er fassungslos.
»Ja, aber das hört sich doch ganz vernünftig an.«, wies Sir Pfefferberg hin.
»Ja, das finde ich auch, das muss doch nichts Negatives sein.«, gab Mimmi Sir Pfefferberg Recht.
Nun erzähl doch mal Johnny, und lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. «, verlangte Mimmi im festen Ton. Und Johnny erzählte von Anfang an.
»Ach Johnny, du Dummerchen. An ihrer Stelle hätte jede Frau in dieser sich befindlichen Situation genauso gehandelt. Sie hat das einzig Richtige getan, um später eure Liebe nicht in Frage stellen zu müssen.«, sagte Mimmi.
»Genau, das denke ich auch. Denn wenn sie jetzt ihr Leben nicht in rechte Bahnen lenkt, kann sie mit dir gar nicht glücklich werden.«, fügte Sir Pfefferberg hinzu.
»Ja, aber ich kann doch für ihre Situation nichts dafür.«, sagte Johnny.
»Genau deswegen ist sie ja gegangen, weil es eben eine Sache zwischen ihr und ihrem vergangenem Leben ist. Sie wollte dich da ganz heraus lassen. Sicherlich, für sie wäre es einfacher gewesen, dich da mit hineinzuziehen, doch weil sie dich so sehr liebt, tat sie es nicht. Du musst dich nun in Geduld üben.«, sagte Mimmi.
»Ja und vor allem darfst du nun nicht den Fehler begehen und sie bedrängen.«, sagte Sir Peter von Pfefferberg.
»Aber, wenn ich mich nicht bei ihr melde und ihr meine Hilfe anbiete, was muss sie wohl über mich denken. «, sagte Johnny unverdrossen.
»Glaube mir, mein lieber Junge, wenn sie deine Hilfe wirklich benötigt, dann wird sie sich schon bei dir melden. Sie hat ja auch deine Adresse in Nürnberg.«, sagte Mimmi.
»Verdammt, dazu kam ich ja noch gar nicht, ihr diese Adresse zu geben.«, ärgerte sich nun Johnny.
»Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich habe sie ihr in die Handtasche gesteckt.«, lächelte Mimmi leicht verlegen.
»Ach Mimmi, wenn ich dich nicht hätte. Wo wäre ich dann.«, gestand er seiner Oma.
»Zuhause, denke ich.«, scherzte Mimmi mit einem süßen Lächeln. Worauf Sir Pfefferbergs Herz höher schlug, als er ihr Lächeln sah.

*


Wahrend Sheila im Taxi auf den Rücksitz saß, Tränen flossen ihr von den Wangen herunter und sie schniefte ins Taschentuch, glaubte sie, Johnnys Gedanken zu hören. Sie musste an den Augenblick denken, als er zu ihr sagte, bitte lass es kein Abenteuer sein. In diesem Augenblick sah sie sein erzwungenes Lächeln und sah für einen winzigen Augenblick, wie tapfer und edel sein Verhalten ihr gegenüber doch war. Und sie erkannte, was sie ihm angetan hatte. Es folgte ein kurzer Blick vom Taxifahrer in den Rückspiegel. Sie spürte, dass sie dieser Taxifahrer beobachtete. Es folgte ein krampfhafter Versuch, ihre Gefühle zu verbergen. Sie beschloss, sich etwas zusammenzureißen. Jedoch konnte sie Johnnys verzweifelte Blicke einfach nicht vergessen. Und wieder dachte sie, wie mutig und gezwungen er mir noch ein Lächeln schenkte, um mir zu zeigen, dass alles in Ordnung sei und ich mir keine Sorgen oder gar Gedanken um ihn zu machen bräuchte. Und sie dachte auch, was habe ich nur getan. Wie gedankenlos von mir, so mir nichts dir nichts ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ich hätte ihn besser darauf vorbereiten sollen. Aber ich weiß auch, dass ich es dann nicht, ja niemals fertig gebracht hätte, diesen für mich so wichtigen Schritt zu gehen. Diesen für uns beide so wichtigen Schritt zu gehen. Während der Weiterfahrt, sie saß auf der rechten Fensterseite, sah sie aus dem Fenster und beobachtete die hübschen, ja, fast in Barock ähnlich dicht an dicht gedrängt errichteten Häuser an ihr vorbeirauschen. Sie versuchte, sich abzulenken. Nach zirka einer Stunde Fahrt kam sie schließlich an dem prunkvollen Anwesen ihrer Eltern an, bezahlte den Taxifahrer und stieg aus. Nun begann die gleiche und für sie ärgerliche Prozedur, um in das Haus ihrer Eltern zu gelangen. Sie hasste diese übertriebenen Sicherheitsoptionen. Nach einer Weile war es endlich geschafft. Kaum im Haus und in der Vorhalle angelangt, kam ihr auch schon Claudia entgegen.
»Sheila mein liebes Kind, du bist schon wieder zurück. Wie ist es dir mit Johnny ergangen? Verrate es mir.«, Fragte Claudia neugierig. Doch als sie Sheilas tränenverzerrtes Gesicht sah, schwante ihr nichts Gutes. Sofort rannte Sheila in Claudias Arme und weinte bitterlich.
»Ist schon gut, mein Liebling. Komm mit herunter in mein Zimmer.«, tröstete sie Sheila.
Sheila erzählte Claudia alles. Wort für Wort bis aufs I-Tüpfelchen.
»Dummerchen, liebes kleines Dummerchen, für ihn ist nichts vorbei. Johnny ist sicherlich klar, du tatest nur das was du tun musstest. Was glaubst du, warum er dir dieses erzwungene Lächeln am Ende schenkte. Er gab es dir, um dir bei dieser so schwierigen Situation seine Unterstützung anzubieten. Wovor er am meisten Angst hatte, war die eventuell längere und die damit verbundene Trennung von dir, ertragen zu müssen. Du hattest ihm deine innerste Umarmung geschenkt. Das, meine liebe Sheila ist zwischen zwei Menschen der größte Beweis der Liebe zu einander. Zwei Seelen die sich in einem Zugabteil in weniger als zwei Stunden unsterblich ineinander verliebt haben. Das, mein liebes Kind, ist kein Zufall, das ist Bestimmung.«, beruhigte und bestärkte Claudia Sheila.
»Wenn ich dich nicht hätte, Claudia. Ich hab dich ganz arg lieb.«, sagte Sheila noch etwas schluchzend.
Anschließend raste Sheila wie sonst auch die zweiunddreißig Stufen ins Obergeschoss auf ihr Zimmer hoch. Dort angekommen, nahm sie ihr Tagebuch aus der Lade heraus, setzte sich in den Schneidersitz und begann zu schreiben. Ihr war klar, dass dieser Eintrag für sie der schwerste ihres bisherigen Lebens werden würde. Dennoch, obwohl sie ein sehr empfindsames Wesen war, war Sheila nicht der Typ Mensch, der schwierige Aufgaben, die das Leben für sie bereithielt, beiseite schiebt. Im Gegenteil, je schwieriger etwas zu sein schien, desto aggressiver stellte sie sich dieser Herausforderung, koste es was es wolle. Noch während sie vertieft in ihrem Tagebuch schrieb, klingelte plötzlich ein Telefon in ihrem Zimmer. Erschrocken fuhr sie hoch und guckte in allen Richtungen des Raumes. Dann fiel es ihr wie Schuppen vom Kopfe.
Ach du meine Güte, stimmt ja, ich hatte mich ja mit Claudia geeinigt, dass ein Telefon in meinem Zimmer installiert würde. Na, das ging aber schnell, dachte sie sich noch. Hastig warf sie ihre Blicke, von wo das Klingeln des Telefons kam.
»Ah, ein Wandtelefon, wie originell.«, sagte sie im Selbstgespräch und sprang wie ein Gummiball von ihrem Bett aus direkt vor das Telefon, das auf ihrer Schulterhöhe an der Wand befestigt war, nahm den Hörer ab und verstellte ihre Stimme zu einem piepsigen Tonfall.
»Ja, hier Amt für öffentliche Ordnung?«, scherzte sie ohne zu wissen welcher jener sich überhaupt am anderen Ende des Haustelefons befand.
»Was, wer ist da? Sheila, lass diese Scherze. Ich bin es doch, Claudia«, schrie sie ins Telefon.
»Ja, das weiß ich ja, war ja nur ein Scherz. Was gibt es denn, Claudia?«, fragte Sheila neugierig.
»Deine Frau Mama wünscht dich unverzüglich zu einem Cocktail im großen Saal zu sehen.«, entgegnete Claudia.
»Gut, richte eurer Hoheit aus, dass ich gleich herunter komme.«, sagte Sheila etwas bissig.
»Sheila, um des Friedens willen, lass deiner Frau Mama nicht anmerken, dass dir die Cocktailstunde zuwider ist. Du weißt doch, dass sie das wieder an mir auslässt.«, bat Claudia.
»Mache dir deswegen keine Sorgen, ich werde mich sogar extra für dich anstrengen, eine gute Tochter zu sein.«, sagte sie und hing den Hörer in die Gabel.
Noch eine kleine Eintragung, und sie legte ihr Tagebuch wieder ins Nachtkästchen. Nun begann sie fix, die Abendgarderobe anzuziehen und machte sich unversehens auf den Weg. Nicht wie sonst, indem sie förmlich wie ein Wirbelwind die zweiunddreißig Stufen hinunter stürzte, im Gegenteil, ja fast schwebend schritt sie elegant mit der rechten Hand führend, die Balustrade hinunter. Unten im großen Saal starrte Sheila erst auf den großen Tafeltisch, doch da konnte sie ihre Mutter nicht finden. Ihre Blicke fielen auf die bequemen Sessel, die großzügig im gesamten Saal verteilt waren. Schließlich entdeckte sie ihre Mama auf einem der beiden rosa Sessel, eingehüllt in einem matten Licht, das die Lampe auf einem von vielen kleinen Tischchen neben ihr leuchtete. Sie ging auf sie zu und wie es sich gehörte, beugte sie sich zu ihrer Mama herab und gab ihr ein Küsschen auf die linke Wange und begrüßte sie mit einem gekonnten Lächeln.
»Guten Abend liebste Mama, du siehst heute Abend bezaubernd aus.«, umschmeichelte sie ihre Mutter, was ihr natürlich nur zum Vorteil gereichen konnte.
»Danke mein liebes Kind.«, gab sie kühl und dennoch in guter Erziehung zurück.
»Setz dich mein Kind. Ich möchte mit dir ein wenig plaudern.«, forderte sie.
Und obwohl Sheila sich, was sie eigentlich niemals tat, extra ein Abendkleid für diese so späte Cocktailstunde anzog, kam von Mama kein einziges Lob, wie liebreizend oder zumindest wie angenehm sie darin aussehe.
»Wo ist Papa?«, fragte Sheila berechtigterweise.
»Ach Kindchen, wo soll er schon sein.«, antwortete die Mama gelangweilt.
»Und wo ist er?«, wiederholte sie sich.
»Dein Herr Papa widmet sich einer seiner ach so vielen und kostbaren Briefmarkensammlungen.«, sagte sie mit einem Seufzer, der alles aussagte.
Sheila schwieg sich aus. Beide beäugten sich in einer so kühlen Stimmung, dass es für beide Seiten schon peinlich wurde, weiterhin nichts zu sagen. Sheila wusste, warum ihre Mama sie zum nächtlichen Cocktail bat. Es war schlicht und einfach nur Neugierde. Ihre Mutter brannte auf Informationen von ihrer Tochter. Das war schon immer so. Dennoch trug sie einen gewissen anerzogenen Stolz in sich, der es ihr unmöglich machte, sich in bestimmten Situationen normal zu verhalten. Also tat ihre Frau Mama eben das, was sie am besten konnte. Sich zu verstellen bzw. sich anders zu geben, als sie in Wirklichkeit war oder sich fühlte. Eine gewisse Schadenfreude konnte sich Sheila dennoch nicht verkneifen, denn sie sah es ihrer Mama an, dass sie sich nicht mehr lange beherrschen konnte. Und so kam schließlich die entscheidende, schon längst fällige Frage.
»Und, mein liebes Kind, wie hast du deinen heutigen Tag verbracht?«, fragte sie im festen Ton.
»Mama, du weißt doch ganz genau, dass ich bei meinem neuen Freund Johnny war. Wir hatten doch erst kürzlich darüber geredet.«, erinnerte sie.
»Johnny? Ach ja, du meinst diesen netten jungen Mann den du im Zug kennen lerntest? Das ist mir doch wirklich entfallen.«, antwortete sie zynisch.
»Wenn du es genau wissen möchtest, ja es war schön mit ihm und ja, er ist ein wundervoller Liebhaber und ja, verdammt, ich möchte, wenn ich hier alles erledigt habe, mit ihm mein ganzes Leben verbringen.«, sagte Sheila sehr laut.
»Liebes, du vergisst dich. Beruhige dich. Ich habe dir nur eine ganz normale und sachliche Frage gestellt.«, sagte sie.
»Nein, das hast du nicht. Du redest stets drum herum. Ich hasse das.«, sagte Sheila nun wutentbrannt.
»Verzeih, das war nicht meine Absicht. Aber du kennst das ja, die Macht der Gewohnheit eben.«, verteidigte sie sich.
»In Ordnung Mama, vergessen wir das und unterhalten wir uns über etwas erfreulicheres.«, schlug Sheila vor.
»Was ist mit Karl?«, kam die Frage wie aus einem Blitz geschossen.
Sheila glaubte sich verhört zu haben. Haben sich doch erst vor kurzem Mutter und Tochter über Johnny und Karl ausgesprochen. Sie dachte eigentlich, dass ihre Mutter verstanden hatte.
»Mama, wieso tust du mir so weh. Du selbst sagtest zu mir, dass es gut sei, von Karl gegangen zu sein. Du selbst sagtest, dass er ein Mistkerl sei. Das er mich nur ausgenutzt hatte. Warum um Himmelswillen fragst du nach ihm?«, eine durchaus verständliche Frage, die da Sheila ihrer Frau Mama stellte.
»Mein liebes Kind, ich beabsichtige nicht, dir auf irgendeiner Weise weh zu tun. Ich gestehe, dass ich vor Neugierde brannte, wie es um dich und diesen Johnny bestellt ist. Aber der Hauptgrund, warum ich dich noch zu mir bat, ist ein ganz anderer. Mich rief heute Nachmittag Karl an.«, sagte Mama, eher nebensächlich.
Als Sheila das hörte, wurde sie Kreidebleich. Sie konnte nicht begreifen, dass ihre Frau Mama so ruhig bleiben konnte, als sie den für Sheila so verächtlichen Namen Karl aussprach. Blieb ihr doch nicht verborgen, dass Karl sie geschlagen und gedemütigt hatte.
»Sheila, du weißt, dass ich nicht der Typ Mensch bin, der sich vor irgendetwas oder irgendjemanden zu verstecken sucht. Nein und nochmals nein. Ich stelle mich der Probleme und laufe nicht wie du vor ihnen weg.«, sagte die Mama unverblümt.
Für Sheila wurde der Gipfel der Empörung erreicht.
»Weißt du, liebste Mama, was du daher redest? Ich bin nicht von Karl und seinen Problemen davon gelaufen. Ich bin vor ihm aus Angst geflohen. Ich habe alles zurücklassen müssen. Meine Freunde, meine Anwaltskanzlei, ja mein gesamtes bisheriges und beschissenes Leben mit ihm, musste ich zurücklassen. Da besteht ein himmelweiter Unterschied, zwischen Davonlaufen oder Fliehen. Ich hätte dir das nicht zugetraut, dass du nun versuchst, für diesen, wie nanntest du ihn kürzlich, Mistkerl, Partei zu ergreifen.«, sagte sie nun außer sich.
»Sheila, wenn du allen ernstes glaubst, dass ich für diesen brutalen Versager Partei ergreife, dann, mein liebes Kind, kennst du mich nicht genug. Ich habe diesem Schandfleck, der es gewagt hatte, mein Kind, mein Fleisch und Blut auf eine so schändliche Art zu misshandeln, gehörig den Marsch geblasen. Glaube mir, du hättest nicht geglaubt, wenn du das Gespräch mit angehört hättest. Ich ließ an diesem Versager kein gutes Haar mehr. Ich habe ihm unmissverständlich versichert, sollte er es je wagen sich dir, egal von wo aus auch immer, sich dir nur auf einen Kilometer zu nähern, werde ich alle mir zu Verfügung stehenden Optionen ausschöpfen, was unser Rechtstaat, was unsere Gesetze zu bieten haben.«, sagte Mama mit einem hasserfüllten Gesichtsausdruck.
Als Sheila das hörte, fiel ihr sichtlich ein Stein vom Herzen.
»Mama, das hast du ihm wirklich ins Gesicht gesagt?«, fragte Sheila erstaunt.
»Nun, eher ins Ohr. Ja, das habe ich ihm gesagt. Keiner schlägt oder demütigt mein Kind ungestraft. Du bist mein Kind, und ich liebe dich. Auch wenn ich es dir nicht immer so sagen kann, wie du es dir wünscht.«, bestätigte sie im festen Ton, stolz und erhobenen Hauptes.
Sheila ließ ihre Mama nicht mehr ausreden. Wie ein geölter Blitz sprang sie ja, flink wie eine Katze, zu ihrer Mama auf den Schoß und küsste sie mehrmals auf beiden Wangen. So sehr und wild, dass ihre Mama fast die Luft weg blieb.
»Ich hab dich ganz toll lieb, Mama.«, sagte sie unter Freudentränen.
»Beruhige dich doch, mein Kind.«, sagte die Mama stolz und schnappte nach Luft. Und während dieser aus irrtümlichen Begebenheiten nun beendete Streit sein glückliches Ende fand, stand plötzlich im faden Lichteschein, ja fast schemenhaft, der Herr Papa vor den beiden.
»Guten Abend die Damen. Darf ich vielleicht auch an jenem freudigen Ereignis teilhaben? «, fragte der Herr Papa sichtlich erstaunt.
»Oh, guten Abend liebster Papa. Ich freue mich, dich zu sehen.«, sagte Sheila.
Wohlan, und wie es sich im Hause der Roigers gehörte, schritt der Herr Papa vor den Damen und küsste voran den rechten Handrücken der ersten Dame des Hauses, danach folgte seine Tochter Sheila. Doch Sheila ließ es sich nicht nehmen, danach ihren heißgeliebten Papa ganz toll und innig zu umarmen und zu küssen. Wobei der Herr Papa ganz verlegen wurde. Anschließend rückten die drei in einer gemütlichen und diskussionsfreudigen Runde zusammen; sozusagen ließen sie bei einigen stark gemixten Cocktails ihren Gedanken freien Lauf.



 Kapitel 11
© 2008 by Peter Althammer

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