Du, mein Licht in dunkler Nacht

Ein Liebesroman von Peter Althammer

Kapitel 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Angst

Am nächsten Morgen in Johnnys Zimmer. Es war mal wieder Sonntag geworden und für Johnny wurde es langsam Zeit, sich für die Heimreise nach Nürnberg vorzubereiten. Schwerfällig, völlig lustlos packte er seine sieben Sachen. Ja, er quälte sich, denn in ihm kreiste nur ein Gedanke: Sheila. Sie sagte, dass er warten soll. Er beschloss während der Nacht, wenn nötig für immer auf sie zu warten und obwohl er eigentlich glücklich sein sollte, dass sie ihn nicht gänzlich verlassen hatte, konnte er einfach keinen Frieden finden. Diese Ungewissheit machte ihm Angst, Angst, dass sich Sheila, wenn sie denn ihre Vergangenheit geordnet hatte, anders entscheiden würde. All diese Fragen brachten ihn fast in den Wahnsinn. Es tat weh, als sie ging und mit dem Taxi davon fuhr. Andererseits konnte er sie natürlich verstehen. Sie wollte erst sämtliche Brücken hinter sich abbauen. Irgendwie fühlte er sich ja mitschuldig. Er hatte sie vermutlich doch zu sehr bedrängt. Ständig fragte er sich selbst, war es richtig oder falsch, ihr gleich zu anfangs zu sagen dass er sie liebt? Wäre es denn leichter, wenn sie sich nicht unter der Eiche geliebt hätten. Sicherlich nicht für ihn, denn er liebte sie schon zu sehr. Und für Sheila, sie sagte dass sie ihn auch liebt. Sie war eine Frau und er stellte sich die Frage, fühlen vielleicht Frauen anders als die Männer? Fragen über Fragen, die ihm keine Ruhe ließen, die ihm sprichwörtlich ein schlechtes Gewissen einzuhauchen versuchten. Eines jedoch wurde ihm in dieser langen und quälenden Nacht bewusst. Er würde, wenn nötig um sie kämpfen, und das mit aller Kraft. Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als es an seiner Türe, zwar sehr leise aber noch hörbar, klopfte.
»So, mein Junge, du bist schon auf. Dass ich das noch erleben darf. Sonst muss ich dich ja mit allen Raffinessen zum Aufstehen bewegen.«, sagte Mimmi leichtfertig, ohne daran zu denken wie es in Johnny nun aussah, was er gerade durchmachte. Johnny hüllte sich dennoch in Schweigen.
»Oh, verzeih mir Johnny, ich dachte eben nicht daran. Weist du, mein Geist wird von Jahr zu Jahr etwas verwirrter.«, sagte sie sichtlich irritiert.
»Ist schon gut Mimmi, es ist ja nicht deine Schuld.«, sagte er mit zitternder Stimme. Er versuchte krampfhaft, sich zu beherrschen, um seiner Großmutter keine Sorgen zu machen, doch irgendwie gelang es ihm nicht. Und als Mimmi sah, dass er mit seinen Tränen kämpfte, nahm sie ihn ganz feste in die Arme.
»Wird alles wieder gut, meine Junge. Lass es heraus. Lass es heraus.«, sagte sie und fühlte sein Leiden.
»Es tut so weh.«, flüsterte er zu Mimmi.
»Ich weiß, mein guter Johnny, ich weiß. So, und nun sieh mir mal direkt in die Augen.«, forderte sie nun mit fester Stimme. Er sah seiner Großmutter tief in die Augen.
»Oft verlangt das Leben einen Abzug, eine Art Spiegel aus der Dunkelheit. Doch du lässt dich nicht beirren. Du darfst dich darin nicht verlieren. Hörst du? Sie wird zu dir zurückkommen. Hast du mich verstanden, Junge? Ich habe diesem Mädel direkt in die Augen gesehen und ich sah, was sich eine Großmutter sehnlichst wünscht. Nämlich, dass ihre Enkelkinder geliebt werden. Und eines kann ich dir sagen, du wirst geliebt. Du wirst von deiner Sheila geliebt, unendlich geliebt. Denke daran, mein Junge, was sie im Augenblick durchmacht. Was glaubst du, was für eine Kraft es ihr gekostet hat, diesen für euch beiden so wichtigen Schritt zu gehen? Alleine zu gehen? Alle Probleme auf sich zu nehmen. Und sie wusste auch, dass du ihr dabei nicht helfen kannst. Das muss und wird sie selbst bewältigen müssen. Der einzige Feind, den du im Augenblick hast, ist die Zeit. Du musst ihr diese Zeit geben, dich in Geduld üben. Egal wie lange es dauert. Mach jetzt keinen Fehler, Johnny. Gib ihr diese Zeit und bedränge sie nicht. Beweise ihr deine innige Liebe, indem du diese harte Zeit bewältigst.«, sagte sie mit ruhiger und besonnener Stimme.
Anschließend belegte Mimmi Johnny ein paar Brotschnitten mit reichlich Wurst und Käste und füllte seine Thermoskanne mit Kaffee.
Als Johnny seine Sachen fertig gepackt, sich von seiner Mimmi und Sir Peter von Pfefferberg verabschiedet hatte, lief er wie jeden Sonntag zum Bahnhof, der sich etwa in 15 Minuten Fußmarsch von seiner Großmutters Haus entfernt befand. Dort angekommen, die Abfahrtszeiten längst im Kopf, setzte er sich wie auch sonst, auf eines der so vielen am Bahnhof verteilten Sitzbänke. Da saß er nun, wie ein Häufchen Elend und dachte nach. Dachte über die Worte seiner Großmutter nach und bekam einen kleinen Schub der Hoffnung. Johnny sah auf seiner Armbanduhr, die er stets am rechten Handgelenk trug. Noch Fünfzehn Minuten, dann kommt der Zug, dachte er sich.
Drei Stunden Heimfahrt nach Nürnberg hatte Johnny noch vor sich. Er fuhr gerne Zug, doch dieses eine Mal wünschte er sich, schon zu Hause zu sein. Er war lustlos und deprimiert, konnte das Geschehene noch nicht so ganz begreifen und verarbeiten.
So viele Jahre lang war es mir nicht vergönnt, meine, die große Liebe kennen zu lernen. Dann fand ich sie endlich und ich durfte mich sogar verlieben. Und nun, ja und nun sitze ich wieder hier, wieder alleine auf dieser Bank und sehe und beneide diese entzückenden und verliebten Paare, die sich Arm in Arm, Hand in Hand, vergnügt und glücklich durch die so enorm großen Hallen des Bahnhofes schlendern. Ich sollte aufhören, mich selbst zu beweinen. Wie Mimmi schon sagte, ich muss mich nun in Geduld üben, dachte sich Johnny und zündete sich eine Zigarette an. Nach einer Weile kam dann auch schon sein Zug nach Nürnberg, und Johnny stieg ein.


*


Guten Morgen mein Kind. Morgen Stund, hat Gold im Mund. Es ist Zeit zum Aufstehen.«, weckte Claudia Sheila fast wie Gesang klingend.
»Claudia, musst du mich immer so laut wecken, das geht doch auch etwas sanfter.«, beschwerte sich Sheila und zog sich die Zudecke noch weiter über das Gesicht.
»Ich werde mich hüten, dich sanfter, wie du es nennst, zu wecken.«, sagte sie mit einem Elan, der für Sheila so früh am Morgen jedweder Vernunft entbehrte.
»Aber warum denn nicht? «, kam die etwas dümmliche Frage.
»Na weil du dann überhaupt nicht aus den Federn kommst. Außerdem habe ich keine Lust, alle zehn Minuten die zweiunddreißig, Gott verzeih mir diese Worte, verdammten Stufen hoch und wieder herunter zu steigen. Ich habe noch mehr Pflichten in diesem Hause zu erledigen.«, sagte sie schnaufend.
»Aber warum schickst du denn nicht eines der Mädchen hier hoch und du brauchtest dich auch nicht so anzustrengen?«, eine durchaus berechtigte Feststellung.
»Gut wenn es dein ausdrücklichster Wunsch ist. Ich dachte, dass du dich freuen würdest, dass ich dich aufwecke. Das habe ich auch schon getan, als du noch ein kleines Mädchen warst.«, sagte Claudia beleidigt.
»Sei wieder gut, ja, ich habe das doch so nicht gemeint. Ich würde mich natürlich nur von dir wecken lassen.«, sagte Sheila gerade noch des Friedens willen. Denn wenn es um ihre kleine Sheila ging und das, obwohl sie schon zu einer erwachsen Dame herangereift war, verstand Claudia keinen Spaß. Das im Übrigen mussten selbst die hohen Herrschaften des Hauses feststellen. Jedoch waren die ganz heilfroh, dass Claudia ihre Pflichten gegenüber ihrer Tochter sehr ernst nahm.
»Ich bin schon wach, meine liebste Claudia.«, sagte sie und sprang mit einem Satz hoch, umklammerte Claudia wie ein kleines Äffchen und gab ihr einen Schmatz auf beide Wangen.
»Sheila, lass das und geh jetzt duschen, du verrücktes Huhn.«, schimpfte und keuchte sie vor Lachen. Doch genau diese Gesten brauchte Claudia von Sheila, eine Art Bestätigung für ihre Mühe. Das gab ihr Auftrieb zum weitermachen. In den letzten Jahren, wo ihre geliebte Sheila nicht mehr so oft im Hause der Roigers zu verweilen pflegte, dachte sie oft ans Aufhören. Sich endlich zur verdienten Ruhe zu setzen. Doch irgendetwas hielt sie immer wieder zurück. Was sollte sie auch anderes machen, dachte sie oft und beließ es in diesem Gedanken.
»Ach, hätte ich fast vergessen, deine Eltern lassen sich für das heutige Frühstück entschuldigen. Sie sind nämlich schon ganz in der Frühe und ohne Frühstück aus dem Hause gegangen.«, verkündete Claudia noch während Sheila unter der Dusche stand.
Sheila kam sich wundernd aus der Dusche heraus, wo Claudia schon mit einem riesigen Handtuch auf sie wartete und Sheila den Rücken trocknete.
»Was, sie gingen zusammen weg und das so früh und auch noch ohne Frühstück?«, sagte sie sich kräuselnd.
»Ja, das taten sie. Ich hatte mich ja auch gewundert.«, entgegnete Claudia.
»Haben sie dir vielleicht gesagt, wo sie hinwollten?«, fragte Sheila neugierig geworden.
»Nein, mein liebes Kind, ich tappe selbst im Dunkeln.«, erwiderte Claudia bedenklich.
»Sag mal Claudia, was für einen Eindruck machten sie auf dich?«, eine kluge Frage die da Sheila stellte.
»Ja, stell dir nur mal vor, sie haben gekichert und sich geküsst.«, berichtete Claudia voll Eifer.
»Was sagst du da? Sie haben gekichert und sich geküsst, du machst Scherze!«, sagte Sheila und konnte es gar nicht fassen. Klar liebten sich ihre Eltern, doch auf eine Art, die eher auf guter Manier basierte. Niemals, außer zur Begrüßung auf den Handrücken oder gar, wie man so schön sagt, ein Busserl auf die Wange. Aber sie gäben sich niemals und schon gar nicht vor den Bediensteten oder gar in der Öffentlichkeit die Blöße, sich verliebt zu küssen. Wie man sich doch irren kann. Sheila und Claudia saßen nachdenkend nebeneinander auf der Bettkante und überlegten, ob sie vielleicht nicht doch irgendeinen besonderen Tag der Familie Roigers verpasst haben könnten.
»Der Hochzeitstag ist erst in vier Monaten.«, sagte Sheila.
»Genau, und ein Geburtstag steht auch nicht an.«, gab Claudia zu ihrem Besten.
»Ich weiß es, sie müssen den Verstand verloren haben, ja das wird es wohl sein.«, räumte Sheila ein.
Noch sehr lange unterhielten sich beide auf dem Bett. Jedoch nebenher fiel es Sheila schwer, sich im Gespräch zu vertiefen. Zunehmend kreisten ihre Gedanken wieder um Johnny. Nur teilweise gelang es ihr, sich abzulenken, er ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Doch Gedanken hin und her, nun sollten auch Taten folgen. Sie beschloss, noch heute einen sehr guten Freund der Familie anzurufen. Es war der Immobilienmakler, Johann Dressler, der in München seinen Geschäftshauptsitz hatte und auch dort lebte. Er war ein hagerer Typ, etwa eins neunzig groß und trug einen, um sein mageres Gesicht etwas Fülle zu verleihen, Vollbart, den er ständig bzw. bei sich jeder befindlichen Gelegenheit zu kräuseln pflegte. Sheila kannte Johann schon als Kind und nannte ihn deshalb auch Onkel Johann. Oft residierte er zu Weinachten oder gar zum Neuen Jahr mit seiner gesamten Familie bei den Roigers. Sheilas Vater verführte ihn oft zu einem Schachspiel, das natürlich ihr Herr Papa gewann, da dieses Spiel Johann nicht sehr lag. Trotz alledem tat Johann dem Hausherrn diesen Gefallen. Nun, man konnte es auch so definieren: Jeder, der etwas auf sich und einer sogenannten guten Geschäftsbeziehung zu den Roigers hielt, also großen Wert darauf legte, tat oft Dinge, die ihm nicht so sehr lagen. Niemand wollte es sich mit dieser Familie und ihren außergewöhnlichen Verbindungen, in jeglicher Art auch immer, vermiesen. Und Sheilas Eltern hatten ein sehr gutes Gedächtnis, wenn es um Geschäfte und deren Partner ging. Nun, wie schon angesprochen, wollte Sheila Johann Dressler wegen einer Immobilie Anrufen. Da Sheila wusste, dass Johann auch einige Projekte hier in Stuttgart am Laufen hatte, wollte sie sich um eines dieser Projekte hier in Stuttgart bemühen, um ihre neue Anwaltskanzlei zu eröffnen. Dies sollte für Sheila ein wichtiger Schritt ins neue Leben werden. Damit schloss sie die Verbindung zu dem Land Frankreich, der Stadt Paris und zu ihrem Albtraum und Peiniger Karl, an dessen Nachnamen sie sich nicht einmal mehr erinnern mochte.



 Kapitel 12
© 2008 by Peter Althammer

Sollten Sie als Verlag Interesse an einer Veröffentlichung in Buchform haben, nehmen Sie bitte Verbindung auf:
 Kurze Vita des Autors, Kontakt

Reiseberichte mit Fotos, Interessantes und Kurioses aus aller Welt:
 www.panoptikum.net