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Du, mein Licht in dunkler Nacht
Ein Liebesroman von Peter Althammer
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Angst
Am nächsten Morgen in Johnnys Zimmer. Es war mal
wieder Sonntag geworden und für Johnny wurde es langsam Zeit,
sich für die Heimreise nach Nürnberg vorzubereiten.
Schwerfällig, völlig lustlos packte er seine sieben Sachen.
Ja, er quälte sich, denn in ihm kreiste nur ein Gedanke: Sheila.
Sie sagte, dass er warten soll. Er beschloss während der Nacht,
wenn nötig für immer auf sie zu warten und obwohl er
eigentlich glücklich sein sollte, dass sie ihn nicht gänzlich
verlassen hatte, konnte er einfach keinen Frieden finden. Diese
Ungewissheit machte ihm Angst, Angst, dass sich Sheila, wenn sie denn
ihre Vergangenheit geordnet hatte, anders entscheiden würde.
All diese Fragen brachten ihn fast in den Wahnsinn. Es tat weh, als
sie ging und mit dem Taxi davon fuhr. Andererseits konnte er sie
natürlich verstehen. Sie wollte erst sämtliche Brücken
hinter sich abbauen. Irgendwie fühlte er sich ja mitschuldig. Er
hatte sie vermutlich doch zu sehr bedrängt. Ständig fragte
er sich selbst, war es richtig oder falsch, ihr gleich zu anfangs zu
sagen dass er sie liebt? Wäre es denn leichter, wenn sie sich
nicht unter der Eiche geliebt hätten. Sicherlich nicht für
ihn, denn er liebte sie schon zu sehr. Und für Sheila, sie sagte
dass sie ihn auch liebt. Sie war eine Frau und er stellte sich die
Frage, fühlen vielleicht Frauen anders als die Männer?
Fragen über Fragen, die ihm keine Ruhe ließen, die ihm
sprichwörtlich ein schlechtes Gewissen einzuhauchen versuchten.
Eines jedoch wurde ihm in dieser langen und quälenden Nacht
bewusst. Er würde, wenn nötig um sie kämpfen, und das
mit aller Kraft. Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als
es an seiner Türe, zwar sehr leise aber noch hörbar,
klopfte.
»So, mein Junge, du bist schon auf. Dass ich das
noch erleben darf. Sonst muss ich dich ja mit allen Raffinessen zum
Aufstehen bewegen.«, sagte Mimmi leichtfertig, ohne daran zu
denken wie es in Johnny nun aussah, was er gerade durchmachte. Johnny
hüllte sich dennoch in Schweigen.
»Oh, verzeih mir Johnny, ich dachte eben nicht
daran. Weist du, mein Geist wird von Jahr zu Jahr etwas verwirrter.«,
sagte sie sichtlich irritiert.
»Ist schon gut Mimmi, es ist ja nicht deine
Schuld.«, sagte er mit zitternder Stimme. Er versuchte krampfhaft,
sich zu beherrschen, um seiner Großmutter keine Sorgen zu
machen, doch irgendwie gelang es ihm nicht. Und als Mimmi sah, dass er
mit seinen Tränen kämpfte, nahm sie ihn ganz feste in die
Arme.
»Wird alles wieder gut, meine Junge. Lass es
heraus. Lass es heraus.«, sagte sie und fühlte sein
Leiden.
»Es tut so weh.«, flüsterte er zu
Mimmi.
»Ich weiß, mein guter Johnny, ich weiß. So, und nun
sieh mir mal direkt in die Augen.«, forderte sie nun mit fester
Stimme. Er sah seiner Großmutter tief in die Augen.
»Oft verlangt das Leben einen Abzug, eine Art
Spiegel aus der Dunkelheit. Doch du lässt dich nicht beirren. Du
darfst dich darin nicht verlieren. Hörst du? Sie wird zu dir
zurückkommen. Hast du mich verstanden, Junge? Ich habe diesem
Mädel direkt in die Augen gesehen und ich sah, was sich eine
Großmutter sehnlichst wünscht. Nämlich, dass ihre
Enkelkinder geliebt werden. Und eines kann ich dir sagen, du wirst
geliebt. Du wirst von deiner Sheila geliebt, unendlich geliebt. Denke
daran, mein Junge, was sie im Augenblick durchmacht. Was glaubst du,
was für eine Kraft es ihr gekostet hat, diesen für euch
beiden so wichtigen Schritt zu gehen? Alleine zu gehen? Alle Probleme
auf sich zu nehmen. Und sie wusste auch, dass du ihr dabei nicht
helfen kannst. Das muss und wird sie selbst bewältigen müssen.
Der einzige Feind, den du im Augenblick hast, ist die Zeit. Du musst
ihr diese Zeit geben, dich in Geduld üben. Egal wie lange es
dauert. Mach jetzt keinen Fehler, Johnny. Gib ihr diese Zeit und
bedränge sie nicht. Beweise ihr deine innige Liebe, indem du
diese harte Zeit bewältigst.«, sagte sie mit ruhiger und
besonnener Stimme.
Anschließend belegte Mimmi Johnny ein paar
Brotschnitten mit reichlich Wurst und Käste und füllte
seine Thermoskanne mit Kaffee.
Als Johnny seine Sachen fertig gepackt, sich von seiner
Mimmi und Sir Peter von Pfefferberg verabschiedet hatte, lief er wie
jeden Sonntag zum Bahnhof, der sich etwa in 15 Minuten Fußmarsch
von seiner Großmutters Haus entfernt befand. Dort angekommen,
die Abfahrtszeiten längst im Kopf, setzte er sich wie auch
sonst, auf eines der so vielen am Bahnhof verteilten Sitzbänke.
Da saß er nun, wie ein Häufchen Elend und dachte nach.
Dachte über die Worte seiner Großmutter nach und bekam
einen kleinen Schub der Hoffnung. Johnny sah auf seiner Armbanduhr,
die er stets am rechten Handgelenk trug. Noch Fünfzehn
Minuten, dann kommt der Zug, dachte er sich.
Drei Stunden Heimfahrt nach Nürnberg hatte Johnny
noch vor sich. Er fuhr gerne Zug, doch dieses eine Mal wünschte
er sich, schon zu Hause zu sein. Er war lustlos und deprimiert, konnte
das Geschehene noch nicht so ganz begreifen und verarbeiten.
So viele Jahre lang war es mir nicht vergönnt,
meine, die große Liebe kennen zu lernen. Dann fand ich sie
endlich und ich durfte mich sogar verlieben. Und nun, ja und nun
sitze ich wieder hier, wieder alleine auf dieser Bank und sehe und
beneide diese entzückenden und verliebten Paare, die sich Arm in
Arm, Hand in Hand, vergnügt und glücklich durch die so
enorm großen Hallen des Bahnhofes schlendern. Ich sollte
aufhören, mich selbst zu beweinen. Wie Mimmi schon sagte, ich
muss mich nun in Geduld üben, dachte sich Johnny und zündete
sich eine Zigarette an. Nach einer Weile kam dann auch schon sein Zug
nach Nürnberg, und Johnny stieg ein.
*
Guten Morgen mein Kind. Morgen Stund, hat Gold im Mund.
Es ist Zeit zum Aufstehen.«, weckte Claudia Sheila fast wie
Gesang klingend.
»Claudia, musst du mich immer so laut wecken, das
geht doch auch etwas sanfter.«, beschwerte sich Sheila und zog
sich die Zudecke noch weiter über das Gesicht.
»Ich werde mich hüten, dich sanfter, wie du
es nennst, zu wecken.«, sagte sie mit einem Elan, der für
Sheila so früh am Morgen jedweder Vernunft entbehrte.
»Aber warum denn nicht? «, kam die etwas
dümmliche Frage.
»Na weil du dann überhaupt nicht aus den
Federn kommst. Außerdem habe ich keine Lust, alle zehn Minuten
die zweiunddreißig, Gott verzeih mir diese Worte, verdammten
Stufen hoch und wieder herunter zu steigen. Ich habe noch mehr
Pflichten in diesem Hause zu erledigen.«, sagte sie schnaufend.
»Aber warum schickst du denn nicht eines der
Mädchen hier hoch und du brauchtest dich auch nicht so
anzustrengen?«, eine durchaus berechtigte Feststellung.
»Gut wenn es dein ausdrücklichster Wunsch
ist. Ich dachte, dass du dich freuen würdest, dass ich dich
aufwecke. Das habe ich auch schon getan, als du noch ein kleines
Mädchen warst.«, sagte Claudia beleidigt.
»Sei wieder gut, ja, ich habe das doch so nicht
gemeint. Ich würde mich natürlich nur von dir wecken
lassen.«, sagte Sheila gerade noch des Friedens willen. Denn wenn
es um ihre kleine Sheila ging und das, obwohl sie schon zu einer
erwachsen Dame herangereift war, verstand Claudia keinen Spaß.
Das im Übrigen mussten selbst die hohen Herrschaften des Hauses
feststellen. Jedoch waren die ganz heilfroh, dass Claudia ihre
Pflichten gegenüber ihrer Tochter sehr ernst nahm.
»Ich bin schon wach, meine liebste Claudia.«,
sagte sie und sprang mit einem Satz hoch, umklammerte Claudia wie ein
kleines Äffchen und gab ihr einen Schmatz auf beide Wangen.
»Sheila, lass das und geh jetzt duschen, du
verrücktes Huhn.«, schimpfte und keuchte sie vor Lachen.
Doch genau diese Gesten brauchte Claudia von Sheila, eine Art
Bestätigung für ihre Mühe. Das gab ihr Auftrieb zum
weitermachen. In den letzten Jahren, wo ihre geliebte Sheila nicht
mehr so oft im Hause der Roigers zu verweilen pflegte, dachte sie
oft ans Aufhören. Sich endlich zur verdienten Ruhe zu setzen.
Doch irgendetwas hielt sie immer wieder zurück. Was sollte sie
auch anderes machen, dachte sie oft und beließ es in diesem
Gedanken.
»Ach, hätte ich fast vergessen, deine Eltern
lassen sich für das heutige Frühstück entschuldigen.
Sie sind nämlich schon ganz in der Frühe und ohne
Frühstück aus dem Hause gegangen.«, verkündete
Claudia noch während Sheila unter der Dusche stand.
Sheila kam sich wundernd aus der Dusche heraus, wo
Claudia schon mit einem riesigen Handtuch auf sie wartete und Sheila
den Rücken trocknete.
»Was, sie gingen zusammen weg und das so früh
und auch noch ohne Frühstück?«, sagte sie sich
kräuselnd.
»Ja, das taten sie. Ich hatte mich ja auch
gewundert.«, entgegnete Claudia.
»Haben sie dir vielleicht gesagt, wo sie
hinwollten?«, fragte Sheila neugierig geworden.
»Nein, mein liebes Kind, ich tappe selbst im
Dunkeln.«, erwiderte Claudia bedenklich.
»Sag mal Claudia, was für einen Eindruck
machten sie auf dich?«, eine kluge Frage die da Sheila stellte.
»Ja, stell dir nur mal vor, sie haben gekichert
und sich geküsst.«, berichtete Claudia voll Eifer.
»Was sagst du da? Sie haben gekichert und sich
geküsst, du machst Scherze!«, sagte Sheila und konnte es
gar nicht fassen. Klar liebten sich ihre Eltern, doch auf eine Art,
die eher auf guter Manier basierte. Niemals, außer zur
Begrüßung auf den Handrücken oder gar, wie man so
schön sagt, ein Busserl auf die Wange. Aber sie gäben sich
niemals und schon gar nicht vor den Bediensteten oder gar in der
Öffentlichkeit die Blöße, sich verliebt zu küssen.
Wie man sich doch irren kann. Sheila und Claudia saßen
nachdenkend nebeneinander auf der Bettkante und überlegten, ob
sie vielleicht nicht doch irgendeinen besonderen Tag der Familie
Roigers verpasst haben könnten.
»Der Hochzeitstag ist erst in vier Monaten.«,
sagte Sheila.
»Genau, und ein Geburtstag steht auch nicht an.«,
gab Claudia zu ihrem Besten.
»Ich weiß es, sie müssen den Verstand
verloren haben, ja das wird es wohl sein.«, räumte Sheila
ein.
Noch sehr lange unterhielten sich beide auf dem Bett.
Jedoch nebenher fiel es Sheila schwer, sich im Gespräch zu
vertiefen. Zunehmend kreisten ihre Gedanken wieder um Johnny. Nur
teilweise gelang es ihr, sich abzulenken, er ging ihr einfach nicht
mehr aus dem Kopf. Doch Gedanken hin und her, nun sollten auch Taten
folgen. Sie beschloss, noch heute einen sehr guten Freund der Familie
anzurufen. Es war der Immobilienmakler, Johann Dressler, der in
München seinen Geschäftshauptsitz hatte und auch dort
lebte. Er war ein hagerer Typ, etwa eins neunzig groß und trug
einen, um sein mageres Gesicht etwas Fülle zu verleihen,
Vollbart, den er ständig bzw. bei sich jeder befindlichen
Gelegenheit zu kräuseln pflegte. Sheila kannte Johann schon als
Kind und nannte ihn deshalb auch Onkel Johann. Oft residierte er zu
Weinachten oder gar zum Neuen Jahr mit seiner gesamten Familie bei
den Roigers. Sheilas Vater verführte ihn oft zu einem
Schachspiel, das natürlich ihr Herr Papa gewann, da dieses Spiel
Johann nicht sehr lag. Trotz alledem tat Johann dem Hausherrn diesen
Gefallen. Nun, man konnte es auch so definieren: Jeder, der etwas auf
sich und einer sogenannten guten Geschäftsbeziehung zu den
Roigers hielt, also großen Wert darauf legte, tat oft Dinge, die
ihm nicht so sehr lagen. Niemand wollte es sich mit dieser Familie
und ihren außergewöhnlichen Verbindungen, in jeglicher Art
auch immer, vermiesen. Und Sheilas Eltern hatten ein sehr gutes
Gedächtnis, wenn es um Geschäfte und deren Partner ging.
Nun, wie schon angesprochen, wollte Sheila Johann Dressler wegen
einer Immobilie Anrufen. Da Sheila wusste, dass Johann auch einige
Projekte hier in Stuttgart am Laufen hatte, wollte sie sich um eines
dieser Projekte hier in Stuttgart bemühen, um ihre neue
Anwaltskanzlei zu eröffnen. Dies sollte für Sheila ein
wichtiger Schritt ins neue Leben werden. Damit schloss sie die
Verbindung zu dem Land Frankreich, der Stadt Paris und zu ihrem
Albtraum und Peiniger Karl, an dessen Nachnamen sie sich nicht
einmal mehr erinnern mochte.
Kapitel 12
© 2008 by Peter Althammer
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