Brühl, C: Geburt zweier VölkerCarlrichard Brühl
Gebundene Ausgabe
So viele Nationalstaaten gab es noch nie! Circa ein Dutzend haben sich seit dem Ende des Kalten Krieges in Europa neu etabliert. Was in diesem Fall zum Teil über Nacht geschah, stellt sich im Mittelalter als langwieriger, widerspruchsvoller Prozess dar. Carlrichard Brühl beschreibt in < I> Die Geburt zweier Völker denn auch eher die erste Phase einer Schwangerschaft und warnt davor, heutige Vorstellungen von Staat und Nation 1000 Jahre zurück zu projizieren. < P> Von " Deutschen" und " Franzosen" (die Anführungszeichen im Untertitel des französischen Originals sind bei der Übersetzung verloren gegangen!) kann seiner Ansicht nach allenfalls am Ende des Betrachtungszeitraums in Ansätzen gesprochen werden. Genüsslich nimmt er in einem ideologiekritischen Vorlauf die nationalistisch-chauvinistischen Geschichtsbilder, die lange Zeit beiderseits des Rheins kursierten, auseinander. Dann stellt er klar: Die Herrscher, die auf Karl den Großen folgten, wie auch ihre Untertanen dachten vor allem in dynastischen und regionalen Bezügen. Erst ganz allmählich wuchs zusammen, was ursprünglich nicht zusammen gehörte, nämlich die Gebiete der ( Ost) Franken, Sachsen, Alamannen und Baiern zum "regnum Teutonicorum" des 11. Jahrhunderts. < P> Stationen auf dem Weg dorthin waren 955 der Sieg über die Ungarn auf dem Lechfeld (der erstmals so etwas wie ein Wir-Gefühl auslöste) und die Ausrichtung der ostfränkischen Politik auf Italien unter den ottonischen Kaisern. In Westfranken war die neue Dynastie der Kapetinger um die Konsolidierung ihrer Herrschaft bemüht - die einst so eng verbundenen Zwillingsbrüder entfremdeten sich zusehends, die angebliche " Erbfeindschaft" ist allerdings ein Phänomen der Neuzeit. < P> Brühl schreibt politische Geschichte der alten Schule. Er analysiert, angenehm nüchtern und behutsam in seinen Schlussfolgerungen, aber auch in ermüdend eintönigem Stil, die immer gleichen Strukturen: Ereignis - Ursache/ Motiv - Wirkung. Hier und da wäre ein Ausflug in die Wirtschafts- oder Mentalitätsgeschichte sicherlich von Nutzen und eine erfreuliche Abwechslung für den Leser gewesen. Die wenigen Pointen sitzen dafür umso besser: " Wir erfahren nur, was wir wissen sollen, nicht, was wir wissen möchten" - das Dilemma des Historikers. -Patrick Fischer
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