Erlebtes - Erschautes: Deutsche Frauen kämpfen für Freiheit, Recht und Frieden 1850-1940 (Edition Klassikerinnen)Lida G Heymann, Anita Augspurg
Taschenbuch
Als Lida Gustava Heymann 1941 in Zürich begann, unter Mitwirkung ihrer Lebensgefährtin Anita Augspurg die gemeinsamen Memoiren zu schreiben, gab es kaum schriftliche Dokumente, auf die sich zurückgreifen ließ: Ihre Bibliothek und weitere Unterlagen waren 1933 gleich nach der Machtergreifung Hitlers konfisziert worden. Statt den neuerlichen Aufzeichnungen jedoch Schaden zuzufügen, scheint gerade das Fehlen schriftlicher Quellen jene glasklare ethische Überzeugung noch deutlicher hervorzuheben, die hinter dem jahrzehntelangen Kampf der beiden Frauen für Menschenrechte steckte. Wer autonom entscheidet und handelt, hat meist auch ein ausgezeichnetes Gedächtnis. < P> Heymann erzählt nicht zuletzt in gerader Linie über ihre Jugend als wohlhabende Hamburger Kaufmannstochter, die das Leben als höhere Tochter anwidert und die es in der Folge zu sozialpolitischem Engagement treibt - für andere Frauen. Dies in einer Zeit, als es Frauen in Deutschland weit gehend untersagt war, sich politisch zu betätigen und das Frauen-Wahlrecht fast unerreichbar schien. 1897 gründete die damals 27-jährige mit anderen zum Beispiel den ersten abolitionistischen Verein in Deutschland, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, die staatliche Reglementierung der Prostitution abzuschaffen (erst über 100 Jahre später, im Jahr 2001, soll ein Gesetzesentwurf folgen, der Prostituierten den Weg in die Sozialversicherung öffnen will). < P> Ein explizites politisches Programm, das Dogmen beinhaltete, hatten weder Heymann noch Augspurg. Sie waren geistig wie materiell unabhängig und folgten einem tief verwurzelten Humanismus, der ihnen politisch stets die angemessene Entscheidung wies. Schwarze Flecken, Geschmacklosigkeiten, schwerwiegende historische Fehlentscheidungen blieben aus - eine Rarität in politischen Biografien. Im Gegenteil zeigen beide Frauen viel Lebenslust, Humor und bodenständigen Pragmatismus. Einfluss wird ihnen niemals zum Selbstzweck. Letztlich zweifeln sie auch trotz Nazi-Herrschaft nicht daran, dass der humanitäre Fortschritt zwar bedrückende Umwege macht, letztlich aber nie stagniert. Das Beispiel von Lida Gustava Heymann und Anita Augspurg (zu der es auch eine schöne Rowohlt-Monografie gibt) zeigt, dass Anstand Konsequenzen hat - und sich lohnt. < I>-Stephanie Sellier
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