Wie Weltgeschichte gemacht wird: Frankreich und die deutsche EinheitTilo Schabert
Gebundene Ausgabe
Der Politikwissenschaftler Thilo Schabert hat von 1992 bis 1995 ausgiebig im französischen Elysée recherchiert, um die Rolle der französischen Regierung im Ringen um die deutsche Einheit zu erhellen. Er hatte dabei Zugang zu bislang unveröffentlichtem Aktenmaterial. Der Erlanger konnte Gespräche mit zahlreichen politischen Akteuren führen, die am Zu-Stande-Kommen des Zwei-plus-vier-Vertrages beteiligt waren, darunter vor allem der von Schabert hoch verehrte François Mitterand. Wie auch immer man zu dem politisch-philosophischen Rahmengeflecht Schaberts steht, das die Lektüre erschwert: Herausgekommen ist eine hervorragende Dokumentation des weltgeschichtlich einschneidenden Prozesses der deutschen Einigung - und zugleich ein exzellenter Beitrag zu einer politischen Biografie des damaligen französischen Staatspräsidenten Mitterand. Dies alles ist eingebettet in eine politische Theorie, die das Politische als Politisches ebenso ernst nimmt wie die politische Motivation der verantwortlichen Akteure. In der Sache eröffnet der Autor dieser stringenten und gut belegten Darstellung eine neue Perspektive auf die Rolle Frankreichs im deutschen Einigungsprozess, insofern er nämlich deutlich macht, dass und wie sehr die Haltung Mitterands gegenüber dem deutschen Einigungsbestreben von Beginn an bestimmt war von einer zweifachen Überzeugung: Zum einen, dass sich das Recht der Deutschen auf staatliche Selbstbestimmung auch auf die D D R bezog, zum anderen aber Deutschland auch nach seiner Einigung unbedingt eingebunden bleiben müsse in den Prozess der europäischen Einigung. Damit wird die bisher von manchem vertretene Auffassung revidiert, nach der Mitterand der deutschen Einigung an sich skeptisch gegenüber gestanden habe, ja diese gar zu verhindern suchte. Größte Skepsis allerdings hegte der französische Staatspräsident gegenüber einem um den Preis der Neutralität vereinten Deutschland. Vor diesem Hintergrund hat er immer wieder zu Recht bekräftigt, dass die deutsche Frage eine europäische Frage ist. -Andreas Vierecke
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