Wilhelm II., Der Aufbau der Persönlichen Monarchie 1888-1900John C.G. Röhl
Gebundene Ausgabe
Er gilt als Hansdampf der deutschen Geschichte. Zu Unrecht! Vorbei sind die Zeiten, in denen Kaiser Wilhelm I I. , von der Geschichtswissenschaft zum harmlosen Spinner und Maulhelden degradiert, quasi apologetische Narrenfreiheit genoss. Entgegen dem Mainstream macht John C. G. Röhl im zweiten Band seiner monumentalen Biografie < I> Wilhelm I I. Der Aufbau der Persönlichen Monarchie den letzten Herrscher der Hohenzollern auf dem Thron von Preußen und dem Deutschen Reich zur entscheidenden Schlüsselfigur auf dem fatalen Weg von Bismarck zu Hitler. < P> Der deutsch-britische Historiker analysiert auf fast 1. 200 Seiten (zzgl. Anhang) das "desaströse politische Wirken" des jungen Kaisers, dessen Monarchenideologie sich innenpolitisch in der Verherrlichung von Militär, protestantischer Kirche und Adel sowie in der Verachtung für Zivilisten, Parlamentarismus, Linksliberale, Sozialdemokraten, Katholiken und Juden äußerte, außenpolitisch in einem verhängnisvollen Streben nach einem weltpolitschen " Platz an der Sonne" für sein Reich. Der Professor für Neuere europäische Geschichte an der Universität Sussex zeigt, wie es Wilhelm verstand, zielstrebig die Bismarck-Herrschaft zu unterminieren, beseelt von der anachronistischen Idee seines Gottesgnadentums und entschlossen, die enorme ererbte Machtfülle der preußisch-deutschen Militärmonarchie nach dem Motto "sic volo sic iubeo, suprema lex regis voluntas" voll auszuschöpfen und die Richtlinien der Politik selbst zu bestimmen. Er führt ferner den überzeugenden Nachweis, dass es einzig und allein den waghalsigen außenpolitischen Manövern des Kaisers zu verdanken war, dass das Deutsche Reich in den Augen sämtlicher seiner späteren Kriegsgegner schon um die Jahrhundertwende zum unberechenbaren, "bösartigen Schurkenstaat" auf der Weltbühne mutierte. < P> Die politischen Eskapaden Wilhelms, insbesondere sein von Minderwertigkeitskomplexen gegenüber der übermächtigen Großmutter Queen Victoria geprägtes Verhältnis zu England, das zwischen Anglomanie und Hass auf das "perfide Albion" wechselte, bringt Röhl in Zusammenhang mit der labilen psychischen Konstitution des Monarchen. Sich einer eigenen Meinung über den Geisteszustand des Kaisers enthaltend, macht er dabei mögliche Ursachen für die Rüpelhaftigkeit Wilhelms, seinen mutmaßlichen Cäsarenwahn, sein rigoroses Familienpatriarchat, sein obszönes Interesses am Sexualleben anderer Regenten et cetera in mangelnder Mutterliebe, körperlicher Verkrüppelung und erblichen Vorbelastungen deutlich. < P> Mit seinem episch breit und mit Liebe zum Detail angelegten erstklassigen Werk - für das erstmals die umfangreiche Korrespondenz der Hohenzollernfamilie mit der Verwandtschaft aus dem englischen Königshaus Sachsen-Coburg-Gotha erschlossen wurde - befindet sich John C. G. Röhl auf dem besten Wege, sich neben seinem Landsmann Ian Kershaw als weitere führende Koryphäe für Neuere deutsche Geschichte zu profilieren. < I>-Roland Detsch
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