Johannes Paul II: Das Geheimnis des Karol WojtylaAndreas Englisch
Gebundene Ausgabe
Karol Wojtyla, der seit 1978 als Papst Johannes Paul I I. seinen Dienst als Nachfolger des Heiligen Petrus versieht, macht sich über seine verbleibende Lebenserwartung keine Illusionen. Die längst fällige Neubesetzung zweier wichtiger Kardinalsposten im Vatikan will er mit Rücksicht auf seinen Nachfolger nicht mehr selbst vornehmen - und so bleiben, obwohl sie die Altersgrenze von 75 Jahren überschritten haben, Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano und Joseph Ratzinger als Chef der Glaubenskongregation einstweilen im Amt. Auch die Berufung von 26 neuen Kardinälen unter 80 Jahren im Sommer 2003 ist ein Zeichen dafür, dass der Papst sein Haus bestellt. Damit nämlich hat er die kirchenrechtliche Vorraussetzung dafür geschaffen, dass im Falle seines Todes umgehend das Konklave einberufen werden kann, um aus seiner Mitte (im Sinne Wojtylas) den neuen römischen Pontifex zu wählen. An der Papstwahl nämlich dürfen nur Kardinäle unter 80 teilnehmen, davon aber gab es zuletzt statt der mindestens vorgeschriebenen 120 nur noch 109. Nicht nur wegen des Dienstjubiläums wird es also Zeit für ein biografisches Porträt des polnischen Papstes. Eine nahe liegende Aufgabe für Andreas Englisch, der seit vielen Jahren für verschiedene ( Boulevard-) Zeitungen aus dem Vatikan berichtet und seit 1995 zum " Pool" der sechs handverlesenen Vatikanjournalisten gehört, die den Papst auf all seinen Reisen begleiten dürfen. Englisch ist also "nah dran". Und dass er sich seine zunächst nicht nur professionelle Distanz zum katholischen Oberhirten bis heute bewahrt hätte, kann man nicht behaupten. Das tut auch Englisch selbst keineswegs, sondern berichtet in seinem Buch freimütig davon, wie er einerseits dem ganz besonderen Charme des Papstes erlegen ist, zum anderen aber und vor allem von der tiefen Religiosität des großen Mystikers beeindruckt und berührt wurde. Der Einstieg, den der Autor wählt, ist ein zweifacher. Der eine ist - auf den ersten Blick - sozusagen handwerklicher Natur und folgt dem bekannten Muster " Anfangs war es nur ein Job, aber dann. . . ". Das wäre für sich genommen mindestens langweilig, vermutlich sogar ärgerlich. Aber Englisch hat diese nicht seltene Pointe hineingewoben in seine ganz persönliche Geschichte über seine erste Zeit als junger Reporter in Rom. Und diese ist einerseits amüsant, andererseits zeigt sie sehr schön, auf welch unterschiedliche Weise Lebens-, Berufs-, Erkenntnis- und Glaubenswege verlaufen und dennoch miteinander stimmen können. Und so wird man unmerklich hineingezogen in die Perspektive, aus der der Autor Johannes Paul I I. in den Blick genommen hat, und beginnt zu ahnen, worin die Faszination bestehen könnte, die bei aller Fragwürdigkeit mancher von ihm vertretenen Doktrin von diesem Mann auf so viele Menschen ausgeht. Kurzum: Englisch ist ein persönliches und deshalb überzeugendes Porträt Johannes Pauls I I. gelungen, das gerade auch solchen Lesern ans Herz zu legen ist, die - so fremd ihnen diese Faszination sein mag - wissen wollen, weshalb dieser Papst (nicht nur aufgrund seines Amtes) für so viele die unhintergehbare und unumschränkte Autorität besitzt, letztgültige Antwort auf die Frage nach dem guten Leben und dem rechten Glauben zu geben. -Andreas Vierecke
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