Und es gibt keiner dem andern ein böses Wort: Reportagen vom Leben in der SchweizHanspeter Bundi
Taschenbuch
< I> Vom Fortwollen und dableiben, so lautet der Untertitel der ersten Reportage in Hanspeter Bundis Buch über das Leben in der Schweiz, und er hätte auch einen schönen Titel für das Ganze abgegeben. Fort und doch auch dableiben zu wollen, ein Gefühl so widersprüchlich wie das Leben - in diesem Falle das in der Schweiz. Davonlaufen möchte man bisweilen vor der "gesitteten Unhöflichkeit", die Bundi beobachtet hat und von der er erzählt, daß einem das Herz ganz eng wird. Doch wer weiß, vielleicht würde mancher auch die andernorts vermissen. < P> Jede einzelne der in diesem Buch versammelten, größtenteils zuerst in der < I> Weltwoche erschienenen Reportagen ist die Lektüre wert. Bundi erzählt von Menschen und Zuständen in der Schweiz - von religiösen Sektierern, die in der Einöde auf den Weltuntergang warten (mit dem sie am 7. März 2005 rechnen), von Ausländern und Inländern, von Minderheiten und Vorurteilen, Selbstmördern, Drogenhändlern, von einem Vater, der seine Tochter - die er doch liebt - mißbraucht hat. Er berichtet von Heimweh, von Fernweh und aus dem Herzen des Kapitalismus, das, wie wir erfahren, acht Meter tief im Grundwasser von Olten schwimmt, wo es darauf wartet, daß sein Inhalt "dematerialisiert" - es selbst mithin überflüssig - wird. Die Rede ist von dem Tresor, in dem die Schweizerische Effekten-Giro A G für ihre Kunden insgesamt dreißig Millionen Wertpapiere im Gesamtwert von etwa einer Billion Franken aufbewahrt. Früher war es mehr. Dennoch: viel zu viel und viel zu teuer. Denn das Wertpapier an sich ist Relikt einer vergangenen Zeit und gehört - in seiner physischen Form - abgeschafft. < P> Doch so weit ist man noch nicht. Noch werden frischgedruckte Obligationen "eingelagert und nicht mehr bewegt bis zum Tag ihrer Vernichtung, worauf sie als Schnipsel in die Papierfabrik kommen, hochwertiges Rohmaterial für Taschentücher, Servietten und Klopapier". Noch darf es also eine Zeitlang schlagen, das Oltener Herz des Kapitalismus, synchron mit seinem Nachfolger. Der heißt C M O S und steht im ehemaligen Tresorraum in Zürich. " Er steht da wie der Monolith in Stanley Kubricks < I> Space Odyssee, wohlproportioniert und makellos schwarz bis auf einen orangen Kippschalter und einen roten Lüftungsschlitz. " Dieser Kubus ist "ein Arbeitstier, das alle Börseninformationen in realtime verwertet und dabei 134 Millionen Instruktionen pro Sekunde erledigt. C M O S summt leise, und die Aufgeregtheiten der Börse, Megafusionen und Crashs, verflüchtigen sich bei ihm in einen Hauch warmer Luft, den nur spürt, wer mit der Hand ganz nahe an die Rückwand herangeht. Da sind keine Zeiger, keine Blinklichter, nichts, was das Auge ablenken könnte. Da ist nur dieser schwarze Kasten, der Information in ihrer reinsten, schönsten Form fließen läßt, ohne Bezug zu Gewinn und Verlust und losgelöst von der häßlichen, weil widersprüchlichen Realität. " - Ach ja: Bergdörfer mit Alpenpanorama kommen auch vor. < I>-Andreas Vierecke
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