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Du, mein Licht in dunkler Nacht
Ein Liebesroman von Peter Althammer
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Die Erinnerung
Sheila saß längst in einem Taxi und fuhr zu
ihren Eltern, wo sie ja derzeit zu Hause war. Sie fühlte sich
nicht sehr wohl. Immerzu musste sie an Johnny denken. Es ärgerte
sie sehr, dass sie nicht nach seiner Adresse oder zumindest nach
einer Telefonnummer gefragt hatte. Das einzige was sie von ihm
wusste, dass er Johnny hieß und dass er fast jedes Wochenende zu
seiner Großmutter, die am Stadtrand ein kleines Häuschen
hatte, fuhr. Und während sich die Fahrt im Taxi fortsetzte,
entspannte sie sich etwas, um einen klaren und nüchternen
Gedanken zu fassen.
Man, Sheila, reiß dich zusammen! Du bist fünfunddreißig
Jahre alt und kein Teeny mehr. Ich kann einfach nicht aufhören,
an Johnny zu denken. Ich glaube es einfach nicht, ich küsse nach
nur zwei Stunden einen mir wildfremden Mann. Oh mein Gott, ich bin
eine Schlampe. Und wenn schon, ich brauche es ja niemanden zu
erzählen. Aber wenn ich ehrlich bin, so gut wie dieser Johnny,
hat mich noch kein einziger geküsst. Es ging mir fast wie ein
Stromschlag durch den ganzen Körper. Am liebsten hätte ich
ihn noch viel länger geküsst. Wenn ich so recht nachdenke,
war er ja ein bisschen mollig, genau und ein kleines Bäuchlein
hatte er zudem auch noch. Wie ich schon dachte, eigentlich ist er ja
so gar nicht mein Typ. Komisch, ich stand doch eigentlich auf Männer,
die einen gut durchtrainierten Körper aufweisen konnten. Und bei
Johnny konnte davon überhaupt nicht die Rede sein. Und sehr groß
ist er ja nun auch wirklich nicht. Er ist nur ein bisschen größer
als ich. Na ja, ich hatte ja Schuhe mit hohen Absätzen
an. Wenn ich sie nicht an hätte, wäre er doch um einiges
größer als ich. Was ist nur los mit mir, was für
einen Unsinn denke ich mir da zusammen. Kann es sein, dass ich mich in
ihn... Ach Quatsch. Vielleicht mag er mich gar nicht mal. Wieder
Unsinn, wenn er mich nicht mögen würde, hätte er mich
überhaupt nicht geküsst. Obwohl, wenn ich so nachdenke,
sind viele, ja fast alle Männer nur noch Unterleibs gesteuert.
Ob er wohl einer davon ist? Nein, so darf ich nicht von ihm denken.
Ganz so dumm bin ich auch nicht. Ich bemerkte ja, dass sein ganzer
Körper zitterte, obwohl wir uns nur mit unseren Lippen
berührten. Ich glaube, ich bin verrückt geworden. Oder etwa
doch nicht. Ich sollte ihn vielleicht wiedersehen. Mist, ich habe ja
seine Adresse gar nicht mal. Verflixt, warum habe ich ihn nicht nach
seinem Nachnahmen gefragt. Ich bin ein Dummkopf. Halt, er hat doch
meinen Nachnahmen. Oder habe ich ihm doch nicht meinen Nachnahmen
gesagt? Doch, ich kann mich gut erinnern, dass ich gesagt habe, mein
Name ist Sheila Roiger. Genau, er hat meinen Namen. Wenn er mich
wirklich mag, dann kann er ihn ausfindig machen. Oder ich mache ihn
ausfindig. Er sagte doch, dass er fast jedes Wochenende zu seiner
Großmutter fährt. Heute ist Samstag und es war der 8 Uhr
Zug, den ich nahm. Da er aus Nürnberg wie er sagte kam, saß
er dann folglich eine Stunde eher im Zug. Also, stieg er um 7 Uhr in
den Zug ein. Wenn er ein Gewohnheitsmensch ist, dann könnte ich
ihn am nächsten Samstag um die gleiche Zeit im Zug antreffen.
Ich brauch also nur wieder den 8 Uhr Zug zu nehmen und schwupps sind
wir wieder vereint. Ach was denke ich da. Ich kenne ihn doch
überhaupt nicht. Ich bin doch noch nie einem Mann nachgelaufen.
Das habe ich doch gar nicht nötig. Wenn ich ihm etwas bedeute,
dann meldet er sich schon. Ich meine auf irgendeiner Weise. Oh
Sheila, reiß dich jetzt zusammen. Es war ein schönes Erlebnis
und dabei sollte es auch bleiben. So und nun lebe dein Leben und
denke nicht mehr an diesen Johnny.
Nachdem Sheila ihre wirren Gedanken einigermaßen
wieder unter Kontrolle hatte, beschloss sie, diese flüchtige
Begegnung als ein kleines und schönes Erlebnis, also als ein
Abenteuer in Erinnerung zu behalten. Doch ihr innerstes Gefühl
in Ihrem Herzen flüsterte ihr leise zu, dass es mehr als das
war. Dann hielt das Taxi an und die Fahrt fand sein Ende.
»So, hübsche Frau, wir sind am Ziel. Das
macht dann, zweiundzwanzig Euro bitte.« verlangte der
Taxifahrer.
»Sheila saß hinten und holte aus Ihrer
Tasche die Geldbörse und reichte dem Taxifahrer fünfundzwanzig
Euro nach vorne.
»Das stimmt so.«, gab sie ihm Bescheid und
stieg aus. »Oh, danke sehr und einen schönen Tag, hübsche
Frau.«
Sheila gab darauf keine Antwort, denn sie musste wieder
an Johnny denken und das, obwohl sie es gar nicht wollte. Langsam und
völlig durcheinander ging Sheila auf den Haupteingang, der zum
Grundstück, auf dem ein mächtig pompöses Haus stand,
zu und blieb vor dem großen und mächtig wunderschönen
Eingangstor im Barockstil stehen. Es folgte ein kurzes Hherumstöbern
in ihrer Tasche.
»Man, wo ist denn nun diese blöde Karte.«,
ärgerte sie sich laut, im Selbstgespräch.
Für den Einlass auf das Grundstück und dem
Hause der Roigers benötigte man keine Schlüssel, so wie es
die meisten Bewohner in dieser, ach so feinen Gegend bevorzugten,
nein ihre Eltern wollten natürlich von allem anderen
Hervorstechen. Dazu brauchte man, natürlich eine spezielle und
elektronische Karte mit einem 8stelligen Sicherheitscode. Sheila
hatte sich schon oft darüber geärgert, wenn sie ihre Karte
verlegt oder zuhause vergessen hatte. Oft musste sie lange warten bis
sie ins Haus eingelassen wurde. Ihre Eltern waren nach ihrer Meinung,
sprichwörtlich im höchsten Maße Snobs. Und wünschte
jemand Einlass, im ach so feinem Hause der Roigers, so musste es
schon mit Stil sein. Man konnte eine Karte schicken, um Einlass zu
erbitten also, termingerecht, oder sich telefonisch anmelden. Es kam
auch sehr oft vor, dass gesellschaftsgerecht bestimmte Kunden oder gar
Persönlichkeiten geladen wurden. In diesem Falle wurde eines
des Hauspersonals, von dem es Sechzehn an der Zahl im Hause der
Roigers gab, am Haupttor postiert und das, obwohl es auch automatisch
geöffnet werden konnte. So wurde dann beim Ankommen der hohen
Persönlichkeiten, eigens für sie, das prunkvoll aus
echtem Guss von Hand geschmiedet, verziert und im höchsten Maße
der Zeit gerecht gefertigte, zudem höchstpersönlich, dieses
jene schwere Tor von Hand geöffnet. Dieses Personal bezog den
gesamten Kellerbereich des riesigen Anwesens. Natürlich war der
Keller ja fast wie ein kleines Hotel ausgebaut und mit allem, was man
zum Leben vor und nach der Arbeit so brauchte, ausgestattet. Einer
der wenigen Dinge, die Sheila von ihren Eltern sprichwörtlich
dufte fand. Den Hausangestellten fehlte es wirklich an nichts. Jedoch
musste jeder einzelne alles können, vom Bügeln bis hin zum
Bedienen und so weiter und sofort. Außer das Kochen, da mussten
schon einige Meisterköche ihres Faches her, von dem es
gleichermaßen zwei davon gab, die natürlich, und wie sollte
es auch anders sein, in abwechselnder Schicht alles nur erdenkliche
an Gaumenfreuden, für die feine Herrschaft und ihren Gästen,
in gekonnter, ja bis hin zur Phänomenalität kreativer
Kreationen, in Vollendung, kredenzt wurden. Sheilas Eltern waren
eines der reichsten in ganz Deutschland und darüber hinaus. Sie
machten in Immobilien, teilweise in Aktien. Dann besaß ihr
Vater noch mehrere Smaragdminen in Brasilien und Afrika. Zudem
mehrere Firmen in den USA und Kanada, wo Computerchips hergestellt
wurden. Sicherlich hätten sie sich mit ihrem Vermögen
längst ein Paradies in südlichen Gefilden leisten, also
quasi niederlassen können, doch ihr Vater liebte Deutschland und
die Stadt Stuttgart. Wie er immer so schön zu sagen pflegte,
hier wurde ich geboren und hier will ich sterben. Ja ihre Mutter wäre
schon längst in ein wärmeres Klima gezogen, doch müsste
sie dann ohne ihren Mann fahren. Was er ihr auch öfter und
knallhart wörtlich entgegen warf. Wie sich Sheila erinnern
konnte, als sie noch sozusagen feste zuhause wohnte.
»Na endlich, da ist diese blöde Karte ja?«,
meckerte sie in sich hinein.
Dann schob Sheila gelangweilt die Sicherheitskarte in
das dafür zuständige Elektronenerfassungsgerät,
drückte also, gab den 8stelligen Code ein und wartete. Es folgte
als nächstes eine elektronische Stimmbestätigung.
»Willkommen, sie dürfen eintreten.«,
klang es aus dem Lautsprecher. Anschließend öffnete sich
ganz langsam das mächtig und pompöse Tor automatisch. Ein
kleiner genervter Seufzer von ihr und sie ging durch das Tor. Sheila
ärgerte sich stets aufs neue, wenn sie diese ganzen
Sicherheitsbarrieren mit Karte und Codes, über sich ergehen
lassen musste. Sie konnte diesen ganzen Schnickschnack einfach nicht
ausstehen. Klar musste eine Gewisse Sicherheit vorhanden sein, das
verstand sie schon. Doch man konnte es ja auch übertreiben, so
wie es ihr Vater tat, was sie einfach nicht verstehen konnte. Sie
glaubte vielmehr, dass dies seitens ihres Vaters mehr eine Angeberei,
als das es der Sicherheit dienlich sein konnte, war. Sheila war der
festen Überzeugung, wenn jemand beabsichtigte, in dieses Anwesen
hinein zu kommen, dann käme jener oder jene welche auch hinein.
Nun, sie musste ja nicht damit leben. Sie blieb ja nur so lange, bis
sie das geeignete Haus für ihre neue Anwaltskanzlei gefunden
hatte. Dann wäre sie so schnell wir nur irgend möglich
wieder verschwunden. Sheila liebte ihre Eltern sehr. Doch lebten ihre
Eltern in ihrer eigenen Welt, auf ihre eigene Art, wo Sheila
einfach nicht ihren Platz fand. So ging sie den wundervoll verzierten
mosaiksteinernen Weg, zum prächtigen Anwesen hoch. Ganze vier
Minuten brauchte man zu Fuß, um dort anzukommen. Sheila hätte
sich natürlich auch mit dem Taxi hoch bis zum Anwesen fahren
lassen können, doch sie lief gerne ein Stück zu Fuß.
Dabei sah sie sich gerne die riesige Gartenanlage auf der rechten und
linken Seite des Gutes an. Ihre Mutter liebte Rosen. Rosen in allen
nur erdenklichen Farben. Zugegeben, es war herrlich, sich diese
Farbenpracht anzusehen. Rosenstöcke, Rosenhecken, Rosen in
speziellen riesigen Tontöpfen, wohin man nur sah, nichts als
Rosen ja, ein Meer aus Rosen.
Dafür gab ihre Mutter ein enormes Vermögen
aus. Die edelsten Rosen aller Art, ja sogar seltene Rosenhecken, die
es nicht mehr zu kaufen gab, präsentierten sich in ihrer
edelsten Farbenpracht. Außerdem gab es auch Züchtungen
in diesem Reich aus Rosen, die als sehr schwierig, wenn gar unmöglich
zu züchten galten. Für diese enorme Rosenanlage musste
sich ihre Mutter sogar einen Fachmann, also einen Gärtner, der
speziell auf Rosenzucht geeignet war, engagieren. Man stelle sich
das mal vor, wie schwierig es war, einen solchen Fachmann zu finden,
der bereit und willens war, sein ganzes Leben lang sich nur noch um
die Rosen ihrer Mutter zu kümmern. Und er tat es und wie er es
tat. Obwohl er ein Vermögen in seiner Anstellung kostete, dieser
Gärtner pflegte und hegte die Rosen ihrer Mutter als wären
es seine eigenen Kinder. Es kam auch schon mal vor, das er ihre
Mutter sogar rügte, wenn sie sich zwischen die Rosen begab und
versehendlich oder gar durch Unachtsamkeit, nicht fachgerecht,
bestimmte Triebe abschnitt, die am besten nicht hätten,
geschnitten werden dürfen. Er war wirklich der einzige der vor
ihr keine Angst hatte. Und sie hielt lieber den Mund. Sie wusste ganz
genau, dass sie ein zweites Mal keinen so fähigen Gärtner
mehr bekommen würde. Gut, ihre Mutter verbrachte natürlich
soviel Zeit wie nur irgend möglich im Garten, wenn sie mal
zuhause war. Doch meistens verschluckten die Geschäfte ihre
Freizeit.
Rosenhobbygärtner aus aller Welt durften sie sich
natürlich nur nach Termin ansehen, filmen und
fotografieren. Auch das Fernsehen war schon öfter vertreten.
Und es wurden sogar schon Dokumentationen fürs Fernsehen hier
gedreht. Ihre Mutter war darüber sehr stolz und es gab an
offiziellen Anlässen, selbstverständlich nur in Höheren
Kreisen, in Klatsch und Tratsch, mal wieder etwas zu erzählen.
Umringt war das gesamte Grundstück von drei verschiedenen
Gegebenheiten sozusagen, dienlich als Schönheit und als
Hindernis, gleichermaßen als Barriere anzusehen.
Die erste Barriere, die sich um das gesamte Gründstück
zog, war der äußerste Zaun. Dieser war ungefähr 160
cm und diente als Zeichen, dass hier jemand wohnt, der seine Ruhe haben
möchte und war zudem mit sämtlichen aus handgefertigtem
Gusseisen Schnickschnack, gefertigt. Dann folgte die zweite
Barriere, nämlich die Lebensbäumchen die zirka vier Meter
hoch ragten, die, genau wie die erste, das gesamte Grundstück
lückenlos umschloss. Und als letztes der Sicherheitszaun, er
wurde des Abends ab zwanzig Uhr unter Starkstrom gesetzt. Der erst
wieder um Sieben Uhr früh abgeschaltet wurde. Egal ob Sommer
oder Winterzeit. Und es gab noch etwas, dass aber nicht als
Barriere zählte und mit dem Wort Sicherheit nicht zu tun hatte,
Rankengewächse. Dort standen sie in Reih und Glied, sehr dicht
nebeneinander und diente lediglich dazu, dass man vom Haus aus den
hässlichen Elektrozaun nicht sehen konnte. Meter hohe
Rankengewächse erreichten eine Höhe von bis zu fünf
Metern. Wie man erkennen kann, eine kleine Festung, nur eben ohne
Wachpersonal. In diesem Fall war sich aber Sheila ziemlich sicher,
das dies auch nicht lange auf sich warten ließe. Zumindest wenn
etwas Schwerwiegendes vorfiele. Sheila kam nun am Hause an. Sie ging
also die 15 Steinstufen hoch und gelangte schließlich zu einer
prunkvollen Haustüre. Hier gab es keine Klingel. Doch hier
brauchte Sheila keine elektronische Karte. Denn hier genügte
eine vierstellige Geheimzahl, die man eintippt. Genau wie den Code am
Außentor, kannte sie diese Geheimzahl natürlich auswendig.
So tippte sie die 4 Zahlen ein. Und Schwupps öffnete
sich die schwere Türe nach innen hin. Nörgelnd und genervt
ging Sheila hinein. Vor ihr befand sich ein langer Gang der links und
rechts mit Marmorsäulen, bis hoch zur Decke gezogen, bestückt
war. Nach ungefähr 10 Metern kam sie dann schließlich im
Großen Saal an, wo ihre Eltern die gehobene und
gesellschaftliche Elite, zu empfangen pflegten. Ja man konnte es auch
mit einem riesigen Salon bzw. Gesellschaftssaal vergleichen, der selbstredend
natürlich mit allen nur erdenklichen Bequemlichkeiten
ausgestattet war. Da stand zum Beispiel ein Billard, ein Piano,
ein Klavier und eine Harfe. 4 bis 5 kleinere Rundtische an denen manches
mal und in den kalten Wintermonaten Skat, Poker, Rommé und
ähnliches gespielt wurde. Es gab zwei riesige offene Kamine. An
den Wänden hingen Ritterrüstungen und mittelalterliche
Waffen aller Art. Zwei riesige Tafeltische, wobei nur einer dieser
Tafeltische für mindestens 70 Personen Platz aufwies. Und viele
aus echtem Leder, selbstverständlich zeitgemäß,
Sesseln und Couch in allen nur erdenklichen Formen. Zudem also, trotz
dieser Fülle an Bequemlichkeiten, fand man noch immer genügend
Platz, um ein gesellschaftliches Tänzchen zu absolvieren. Denn
exakt in der Mitte des Saales, in Form eines Kreises per Mosaik
markiert, präsentierte sich eine Tanzfläche, wo sich die
Gehobene Gesellschaft in körperlicher Hochform vorführen
und zeigen konnte. Sheila war diese ganze Pracht und Darbietung des
Saales schon gewohnt, so dass sie dem allem gar keine Beachtung
schenkte. Sie ging nun ja fast gelangweilt einfach durch diesen Saal
hindurch und kam schließlich an der Haupttreppe an. Die halb
wendelartige Treppe, natürlich aus purem Marmor, zog sich bis
hin mit zweiunddreißig Stufen zur ersten und letzten Etage.
Diese leicht wendelartigen Marmorstufen wiesen am Geländer, das
sich auf der linken Seite befand, so zirka alle 2 Meter eine Statue
per Hand von einem Künstler gemeißelt und aus glänzendem
Granit, Statuen von allen nur erdenklichen geschichtlichen
Persönlichkeiten auf. Diese Persönlichkeiten standen je
auf einem Sockel, der am Geländer fest verankert war und ab den
Schultern zu Bestaunen. Diese Etage war für jeden Gast, und
ginge es um den Bundeskanzler höchst persönlich, absolut
tabu. Dort oben war das Reich der Roigers. Diverse und noble
Schlafräume und Arbeitszimmer, Badezimmer, Saunas, natürlich
auch die Zimmer von Sheila und zu guter Letzt, das gemeinsame
Wohnzimmer. Sheilas Zimmer ganz hinten auf der Linken Seite des
Flügels, wobei ihre Eltern den rechten Flügel
beanspruchten. Oben angekommen ging Sheila in Richtung ihrer zwei
Zimmer, als sie ihre Erzieherin Claudia traf. Claudia war gerade 19
Jahre alt, als sie bei den Roigers als Babysitterin und zugleich
Erzieherin für Sheila in Stellung ging. Sheila war gerade mal
zwei Wochen alt. Sie hegte und pflegte Sheila als wäre sie die
Mutter ja, als wäre sie die Amme also, die Nährmutter von
ihr. Sheilas Eltern waren sehr oft auf Geschäftsreise und
konnten sich folglich nicht so um Sheila kümmern wie sie es
gerne getan hätten. Als Sheila aus dem Kindesalter heraus war,
wollten ihre Eltern sie entlassen. Doch Sheila kämpfte mit allen
ihr nur erdenklichen Tricks und Mitteln, dass Claudia bleiben konnte.
Und so kam es, dass Claudia als Oberaufseherin neu unter Vertrag
genommen wurde. Fortan kümmerte sich Claudia um alles und jenes
was mit dem Personal und dem Hause Roiger zu tun hatte. Claudia wurde
schon nach kurzer Zeit unentbehrlich für Sheilas Eltern. Sie
hatte absolute Vollmacht, wenn es um den Einkauf, um die
Dienstmädchen und so weiter und sofort, ging. Sie war die
absolute Chefin, wenn Sheilas Eltern das Anwesen verließen. Sie
beherrschte ihren Job aus dem FF und führte ihr Regiment mit
eiserner Faust. Sie war zwar streng aber dennoch gerecht. Wenn jemand
seine Arbeit gut machte, so war sie auch gut zu jenem. Eines hasste
sie aber auf Teufel komme heraus. Wenn sie bemerkte, das sich jemand
von seinen Pflichten in diesem Hause der Roigers drücken
wollte. Ansonsten drückte sie schon öfter mal ein Auge zu,
wenn etwas im zu vollen Eifer daneben ging. Denn alles fiel ja auf
sie zurück, wenn zu viele Fehler gemacht wurden. Sie musste
letztendlich dafür gerade stehen.
»Ah, Fräulein Sheila, wie nett sie wieder zu
sehen. War es schön in der Stadt?«, fragte und freute sich
Claudia.
»Grüß dich, Claudia, ich freue mich
auch dich zu sehen. Aber sag mal, seit wann Siezen wir uns denn auf
einmal?«, fragte Sheila verwundert nach.
»Ach Sheila, dein Vater hat mir gestern eine
Predigt gehalten, die sich gewaschen hat. Ich möchte nicht, dass
du auch noch Ärger bekommst. Er muss irgendwie mitbekommen haben,
dass wir uns Duzen und du weißt ja, wie dein Herr Papa darauf
Reagiert!«, erklärte sie leicht beschämend.
»Was, aber wie kommt denn Papa dazu? Du kennst
mich seit ich 2 Wochen alt bin. Na lass mal, das werde ich mit Papa
heute Abend klären. Mach dir keine Sorgen, ich werde ihn mal
wieder Bezirzen müssen. Glaube mir, wenn ich ihm sage wie sehr
lieb, und das ist ja nicht gelogen, ich ihn habe, dann erfüllt er
mir jeden Wunsch.«, erwiderte Sheila.
»Na, wenn du dich da heute nicht gewaltig irrst.
Er ist zurzeit sehr gereizt, muss ich dir sagen.«, wies
Claudia sehr vorsichtig daraufhin.
»Das mag ja sein, meine Liebe. Aber meinem
töchterlichen Charme, wird er nicht widerstehen können,
darauf kannst du wetten.« erklärte Sheila in bestärkten
Worten.
»Na, wenn du meinst, Liebes.«, hoffte sie
innig.
»Und ob. Ach, Claudia sag mal wo sind denn
eigentlich Papa und Mama?«, fragte sie nach.
»Dein Herr Papa und deine Mama, pflegen heute
Nachmittag mit dem Bürgermeister und dessen gesamten Stadtrat
im Hotel Maritim zu dinieren. Anschließend gibt es noch einen
Umtrunk in des Bürgermeisters Haus, persönlich. Sie wollten
so gegen neun Uhr heute Abend wieder zurück sein. Soll ich dir
zumindest bei deiner Ankunft ausrichten.«, erklärte
Claudia auf feine Art. Was Sheila an ihr liebte.
»Ach Claudia du bist wirklich ein Unikat. Du hast
den falschen Job meine Liebe. Du solltest ans Theater gehen?«,
wies Sheila unter lautem Lachen darauf hin.
»Tja, vielleicht werde ich dies in meinem nächsten
Leben auch tun.«, erklärte Claudia Ihrer Sheila.
»Man, das heißt wieder mal alleine essen.
Wenn sie sagen, dass sie um neun wieder zu Hause seien, dann wird es
wie meistens viel später werden und ich bekomme sie heute nicht
mehr zu sehen.«, seufzte Sheila.
»Kindchen, du solltest dich doch langsam daran
gewöhnt haben. Sei nicht traurig, sonst bin ich es auch und das
möchtest du doch nicht. Ich meine deiner alten Claudia ihr Herz
erschweren oder?«, gab sie gekonnt zurück.
»Natürlich möchte ich das nicht, das
weist du doch, dass ich dich sehr lieb habe?«, sagte Sheila
leicht bedrückt.
»Ich habe dich auch sehr lieb. Ach übrigens,
um 18 Uhr gibt es Abendessen. Wo möchtest du heute dein
Abendessen zu dir nehmen?«, fragte Claudia.
»Och, ich dachte heute mal im großen Saal?«,
erwiderte sie.
»Gut, ich lasse es um Punkt 18 Uhr im Saal
anrichten.«, erklärte sie.
»Gut, danke Claudia.«, bestätigte sie.
Irgendwie bemerkte Claudia, das Sheila sehr nachdenklich
zu sein schien. Wenn einer Sheila kannte, dann war es
Claudia. Sheila konnte noch so sehr versuchen, gute Mine zum bösen
Spiel, zu machen. Aber bei Claudia hatte sie diesbezüglich
keinerlei Chancen.
»Sag mal liebes, ist mit dir alles in Ordnung?«,
fragte sie Besorgt.
»Aber ja doch, was soll denn mit mir nicht in
Ordnung sein?«, fragte und versuchte Sheila zugleich
abzublocken. Doch bei Claudia weit gefehlt, ihr konnte sie nichts
vormachen.
»Du hattest schon mal besser gelogen.«, gab
Claudia kurz und trocken, aber dennoch mit Wirkung, zu verstehen.
»Na ja, da wäre schon etwas. Doch ich weiß
nicht was ich davon halten soll. Ich...«, so hielt Sheila inne
und begann derart herzzerreißend zu weinen, dass Claudia, sofort
zu ihr ging und sie wie immer, wenn sie Sorgen hatte, ganz fest in
ihre Arme nahm.
»Na, na, so schlimm mein kleines Mädchen?
Komm wir gehen runter in den Großen Saal dort kannst du deiner
Claudia alles erzählen, was du auf dem Herzen hast?«,
tröstete sie Sheila. Dann gingen beide in den großen Saal
und setzten sich zu einem der riesigen Tafeltische.
»Ich habe auf dem Weg hierher im Zug einen Mann
kennen gelernt.«, dann erzählte Sheila von Anfang an, was
sie die zirka 2 Stunden im Zug erlebt hatte.
»Nicht doch, deswegen bist du traurig, aber
Kindchen das war doch sicherlich ein schönes Erlebnis? Hast du
schon die letzten 14 Jahre Odyssee mit diesem Mann vergessen? Der
dich in seinen Alkohol-Exzessen immer und immer wieder schlug? Bis du
nicht mehr konntest und vor ihm davon liefst? Schätzchen, du
hast einen besseren Mann verdient. Da war dieses Erlebnis doch
sicherlich sehr schön. Du darfst nicht beginnen, andere Männer
in deinem weiteren Leben, für die Fehler eines, ja, deines
letzten Freundes, verantwortlich zu machen. Du kannst nicht alle
unter denselben Scheffel stellen. Und an Hand dieses Erlebnises im Zug,
solltest du endlich begreifen, dass nicht alle Männer so sind, wie
dein Ex. Ich glaube sogar, dass es ein Wink des Himmels war. Es
flüstert dir leise zu, dass du nicht aufgeben sollst. Ja, daran
zu Glauben, dass für jeden Menschen eines Tages der Tag kommen
wird, an dem er seine wahre und Große Liebe vor sich stehen
hat. Bei manchen passiert dies, wenn er noch sehr jung ist und bei
anderen dauert es eben, sagen wir mal etwas länger, bis es soweit
ist, bis er bereit zu diesem Abenteuer der ehrlichen und aufrichtigen
Liebe ist. Aber sei dir gewiss, er wird für jeden kommen, wenn
er es sich nur von ganzen Herzen wünscht. Und die wenigen
welche, die niemals diesen Augenblick erleben sollen, na für die
hat die Zukunft eben ganz andere Pläne.« Ja, Claudia
machte wie immer Sheila Mut.
»Aber Claudia, ich kannte diesen Mann nicht mal
ganze 2 Stunden und wir haben uns geküsst, ich meine so richtig
geküsst. Das ist doch nicht normal? Weißt du was ich glaube, ich
bin eine Schlampe.«, sagte Sheila weiterhin unter Tränen.
»Och Gottchen, jetzt mach dich mal nicht selber
schlecht. Du bist auf keinen Fall eine Schlampe. Wenn es dich
wirklich interessiert, dann kann ich dir sagen was du bist?«,
erwiderte Claudia und musste sich das Lachen verbeißen.
»Ja, was bin ich denn?«, fragte nun Sheila
hellwach geworden.
»Du bist verliebt, Liebes.«, erwiderte
Claudia mit sanfter Stimme.
»Was, ich bin doch nicht verliebt. Man kann sich
doch nicht in einem Menschen verlieben, den man nicht einmal 2 Stunden
kannte. Das ist absolut unmöglich, das ist doch absoluter
Blödsinn. Das ist absurd, das ist...«, Sheila plapperte
und plapperte und plapperte. Sie bemerkte anfangs nicht, dass sie
absolut nervös und grob gesagt, einfach Mist daherredete. Bis
sie Claudia ansah und ihr Entzücken mit einem Schmunzelnden
Gesichtsausdruck noch unterstrich.
»Du meinst wirklich?«, vergewisserte sie
sich noch bei Claudia, während Claudia sich mal wieder
ausschwieg und weiterhin mit einem Schmunzeln im Gesicht, ihren
Verdacht erhärtete.
»Jetzt beruhige dich erst mal. Pass auf, ich
stelle dir jetzt ein paar Fragen Ja? Du solltest sie mir aber bitte
ganz ehrlich bejahen oder verneinen, Okay?«, wies Claudia an,
während Sheila bemerkte, das sie nun von ihr in die Enge
getrieben wurde, dass Claudia nun in die Offensive überging.
Jetzt begriff Sheila, das sie nicht mehr schwindeln konnte, sonst
würde sie ja Claudia belügen und das hatte sie außer
ein paar Notlügen, ihrer Lebtage nie und nimmer getan. Dafür
liebte Sheila Claudia viel zu sehr.
»Okay, ich werde ehrlich zu dir sein.«,
versprach Sheila schluchzend.
»Ist es nicht so, dass du, obwohl du es eigentlich
gar nicht möchtest, stets an ihn denken musst?«, ein
kluger Frontalangriff von Claudia.
»Ja, wenn ich es so recht bedenke, ja er geht mir
einfach nicht aus dem Kopf.«, gestand Sheila und Eins zu Null
für Claudia.
»Und ist es denn nicht so, dass du eine gewisse
Angst in dir trägst, dass du ihn nie wieder siehst, dass er es
vielleicht gar nicht so ernst gemeint hatte, dass ihm der Kuss
eventuell gar nichts bedeutete?«, kam die nächste Frage,
zumindest einer Feststellung gleich.
»Ja, ich muss mir deswegen immerzu selber Mut
zureden, die Angst verdrängen.«, sagte nun Sheila mit
großen und erstaunten Augen. Absolut erstaunt, woher Claudia
dies alles wissen konnte.
»Und ist es nicht so, dass er eigentlich gar nicht
dein Traummann ist. Dass du dir eigentlich deinen Traummann ganz
anders vorgestellt hattest und deswegen nicht begreifen kannst, warum
er dir nicht mehr aus dem Kopf, aus denn Sinn geht?«, stellte
Claudia knallhart fest.
»Wow, wie kannst du das wissen, kannst du
vielleicht meine Gedanken lesen. Das stimmt haargenau, Claudia.«,
stellte Sheila nun absolut baff fest.
»Nun Liebes, deine Gedanken kann ich nicht lesen,
das kann nur Gott allein. Doch dein Verhalten verrät mir viel.
Wenn man einen Menschen lange genug kennt, so wie ich dich. Dann ist
es nicht sonderlich schwer, bestimmte Verhaltenweisen und Merkmale zu
einem Satz zu bilden. Und außerdem war ich auch mal verliebt.
Ja ich war sehr verliebt.«, gestand Claudia mit einem wohligen
Seufzen.
»Wirklich, was ist eigentlich mit deiner Großen
Liebe geschehen? Ich meine, ich habe dich nie mit einem Mann zusammen
gesehen.« wandte nun Sheila ihr Interesse zu Claudia.
»Ja, das stimmt schon. Weil ich niemals einen Mann
so lieben könnte wie ich diesen Mann geliebt hatte. Ich war
gerade mal 16 Jahre alt, als ich vom Fahrrad fiel und er plötzlich,
wie aus dem nichts vor mir stand. Zu meinem Leidwesen fiel ich auch
noch in eine Pfütze und sah aus als käme ich gerade aus der
Wäscherei. Man muss sich das mal vorstellen? Weit und breit nur
eine einzige Pfütze und ausgerechnet in diese musste ich
hineinfallen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, ich wurde
knallrot. Dagegen war die Farbe einer Tomate nur ein blasses etwas.
So sehr hatte ich mich geschämt.«, erzählte Claudia
mit warmen Herzen.
»Und weiter, erzähl doch weiter ja?«,
Sheila hörte mit großem Interesse zu.
»Nun, wenn es dich wirklich Interessiert, dann
will ich dich nicht länger auf die Folter spannen. Also, wie
schon gesagt, da lag ich nun, in dieser kalten und dreckigen Pfütze.
Und da stand er nun vor mir. er kuckte mich von oben an. Nicht so,
als wolle er groß erscheinen, als ganzer Kerl dastehen? Er
wirkte eher hilfloser als ich es in dieser Situation war. Er
vermittelte mir vielmehr das Gefühl, dass er schon so lange auf
der Suche war und es nun endlich gefunden hatte. Dann beugte er sich
zu mir hinunter, nahm ohne ein Wort zu verlieren, ganz kess meine
rechte Hand und zog mich ganz sachte und behutsam, als wäre ich
aus Watte, die jeder Zeit auseinander reißen könnte, zu
sich hoch. Als ich dann wieder auf meinen Füßen festen
Halt fand, da guckte er mir in die Augen, ja er guckte mir so tief
und intensiv in die Augen, als wolle er mich all meinen Gedanken
berauben. Als wolle er das Gefühl vermitteln, dass mir nichts,
aber auch rein gar nichts in seiner Nähe geschehen konnte. Als
wolle er mir sagen, ich bin es, der dich beschützt, der sein
Leben bereit ist für dich zu geben, wenn es denn von Nöten
sei.«, dann wurde Claudia von Sheila unterbrochen.
»Weiter, erzähl doch weiter, was geschah
dann?«, drängte Sheila, unablässig und bis aufs
äußerste gespannt.
»Gut. Ja dann standen wir uns von Angesicht zu
Angesicht gegenüber. Mir wurde so schwindelig, dass ich glaubte jeden Moment in
Ohnmacht zu fallen. Und ich begann schon leicht zu schwanken. Meine
Füße wurden weich wie Butter und mein ganzer Körper
begann zu Zittern als wäre es 20 Grad unter Null. Mein Gott,
dachte ich mir, ist das peinlich. Bitte lass ihn jetzt verschwinden,
ihn einfach in Luft auflösen. Lass es einen Traum sein und mich
jetzt aufwachen. So sehr machte mir dieses neue und unbekannte Gefühl
Angst. Und doch wünschte ich wiederum insgeheim, dass es niemals
vorbeigehen sollte. Ich wusste in diesem Augenblick nicht mehr, wie
mir geschah. Dann geschah etwas mit mir, was ich bis heute noch nicht
begreifen konnte. Eine unerklärliche Macht in mir zwang mich,
die Augen zu schließen. Immer ärger bebte mein gesamter
Körper. Ich hasste dieses und liebte ja, ich verlangte mit all
meinen Sinnen diesen einzigen Augenblick, ja ich sehnte mich mit
aller mir zur Verfügung stehenden Gefühlen, die ein Mensch
nur besitzen konnte und fähig war zu fühlen.«, so
schwieg sich Claudia kurz aus und wischte ihre Tränchen aus den
Augen.
»Wie ging es weiter, so erzähle doch, liebe
Claudia. Was geschah dann?«, bettelte nun Sheila weiter,
während sie tröstend ihren linken Arm um Claudias Schultern
legte.
»Tja, ich hatte meine Augen geschlossen und
plötzlich spürte ich, wie seine Lippen, die meinen
berührten. Und in diesem Augenblick konnte ich mich nicht mehr
auf den Beinen halten. Ich fiel, ich sank ein kleines Stückchen
nach unten. Doch er fing mich auf. Ganz zart umschlang er meine Taille
mit seinen kräftigen Händen und hob mich wieder hoch. Als
er sich sicher war, das ich wieder festen Bezug zum Erdboden hatte,
also dass ich nicht wieder zu Boden fallen würde, ich hatte noch
immer die Augen geschlossen, spürte ich keine Berührung
mehr von ihm. Langsam und noch etwas schwindelig und zittrig auf den
Beinen, öffnete ich meine Augen. Da war er verschwunden, er war
einfach nicht mehr da.«, erzählte Claudia des weiteren.
»Ja und das war es dann schon?«, fragte
Sheila.
»Nicht ganz. Tage später stand er, ich war
gerade beim Einkaufen, so mir nichts dir nichts, mit einem riesigen
Blumenstrauß vor mir. Eigentlich hätte diese Situation für
mich peinlich sein müssen, denn ich stand ja gerade an der Kasse
beim Zahlen. Stell dir das mal vor, Sheila, all diese Leute dort
kannten mich ja. Doch zu meinem Erstaunen und Bewunderung, für
diese Leute, machte kein einziger irgendeine dumme Bemerkung. Im
Gegenteil sie klatschten und feuerten diesen jungen Mann geradezu
noch an. Manche sogar mit den Worten, man, ist die Jugend heutzutage
vielleicht dämlich. Kuck sie doch nicht nur an, du Dummkopf. Du
sollst sie küssen. Ich war vielleicht konfus in diesem Moment,
wie du dir vielleicht vorstellen kannst.«, erzählte
Claudia leicht errötend.
»Und was wurde dann aus euch beiden?« Fragte
Sheila nun Gespannt.
»Nun, nur eine Woche später verlobten wir
uns. Doch zur Heirat kam es nicht mehr. Wir waren ganze 3 Jahre
zusammen. Bis ich hier mit 19 Jahren, bei deinen Eltern vorstellig
wurde.«, sagte Claudia nun leicht bedrückt.
»Ja, was ist dann Geschehen? Habt ihr euch denn
getrennt?«, fragte Sheila, wobei sie spürte, dass sie das
lieber hätte nicht fragen sollen. Denn sie spürte nun, dass
die Antwort Claudia sehr weh zu tun schien.
»Verzeih Claudia, ich wollte dir nicht wehtun.«,
bat sie darum.
»Ach, ist schon gut. Ich mache es auch nicht
besser, wenn ich es verschweige. Wir hatten uns mal wieder, wie so
oft, verabredet. Er war immer der Pünktlichste und niemals aber
auch niemals hatte er mich versetzt. Selbst als er eine starke Grippe
hatte, kam er, stell dir das mal vor, kam er mit 41 Grad Fieber zu
unserem Treffpunk. Natürlich habe ich ihn gleich nach Hause
geschickt. Nach nur wenigen Tagen, ich kann mich noch ganz genau
daran erinnern, es ist mir, als wäre es erst gestern gewesen.
Ja, es war ein Montag. Ich wartete und wartete, ich wusste, dass ihm
etwas geschehen sein musste. Obwohl ich wusste, obwohl ich fühlte,
dass er heute nicht mehr kommt, ja dass er niemals mehr kommen würde,
wartete ich trotzdem. Und mit jedem Augenblick des Wartens, starb in
mir etwas mit. Dann kam, ich wusste gar nicht mal, wie lange ich
schon an dieser Ecke neben dem Schuhgeschäft stand, sein etwas
jüngerer Bruder. Je näher er kam, je größer
wurde die Angst in mir. Je näher er auf mich zu kam und sein
Gesichtsausdruck in dem Lichterschein der Straßenlaternen
immer deutlicher wurde, je mehr glaubte ich jeden Moment den Verstand
verlieren zu müssen. Ich wollte schreien, ich wollte sterben.
Doch meine Kehle war wie zugeschnürt. Und als sein Bruder so
einen Meter vor mir stand. Bedurfte es keiner Worte mehr. Ich wusste,
dass er nicht mehr leben würde. Sein Bruder umarmte mich noch
einmal ganz fest und weinte, wie ich noch nie einen Menschen habe
weinen hören. Dann drehte sich ein jeder von uns in seine
Richtung und ging wortlos seines Weges. Ich torkelte wie eine
Betrunkene, was mir ein Passant der gerade meinen Weg kreuzte,
vermessen mit dem Kopf schüttelte und mich als besoffenes
Weibstück anfeindete, ja beschimpfte. Ich konnte mich nicht mehr
aufrecht halten und viel vor Erschöpfung auf die Knie. Ich
schaute, ich flehte gen Sternenhimmel, die wegen der Beleuchtung,
der so hellen Stadt, nur sehr schwach zu erkennen waren, sich nur in
einen schwachen Leuchten präsentierten. Ich guckte und suchte,
ich suchte verzweifelt nach Gott. In mir staute sich nun aller
Schmerz, der sich wie ein Dieb in mein Herz und meine Seele
stahl. Es musste raus, jetzt und sofort, sonst, das war mir klar,
würde ich vor Kummer tot umfallen. Ich schrie, wie ich noch nie
in meinem gesamten bisherigen Leben je geschrieen hatte. Ich schrie
immer wieder warum, warum er? Ich verfluchte in diesem Moment sogar
Gott. Ich konnte und wollte es nicht begreifen. Es war schwer zu
verstehen, dass ich meine erste und einzige Liebe, ja meine Große
Liebe, nie mehr in den Armen halten durfte. Ihn nie mehr lachen zu
sehen. Nie mehr mit ihm Hand in Hand durch die Straßen zu
schlendern, während er, in Form von Gedichten, seinen Träumen
und Fantasien freien Lauf lies. Und nie mehr seine unendliche
Zärtlichkeit zu spüren. Für mich fiel eine Welt, meine
Welt, unsere Welt, zusammen. Ich weiß nicht mal, wie lange ich dann
durch die Straßen umherirrte. Doch dann wurde ich ruhig,
innerlich ruhig und ich fühlte nichts mehr.«, erzählte
Claudia mit Tränen in den Augen.
»Was war denn geschehen?«, und Sheila
umarmte Claudia ganz feste.
»Nun, etwas später erfuhr ich, dass er mir
schon Tage zuvor, bei diesem einzigen ortsansässigen Juwelier,
ein goldenes Kettchen anfertigen ließ, mit der Gravur. In
ewiger Liebe bis in den Tod hinaus.
Wie Recht er doch damit hatte. Nun, als er das
Juweliergeschäft betrat, um dieses Kettchen abzuholen, da
sprangen zwei bewaffnete und vermummte Gestalten in das Geschäft
und schossen auf alles was sich dort bewegte und das waren der
Juwelierbesitzer und eben mein Peter. Der Juwelierbesitzer überlebte,
weil sich mein süßer dummer Peter auf den Juwelierbesitzer
geworfen hatte, um ihn vor den Kugeln dieser Mörderbestien zu
schützen. Was ihm natürlich mit Bravur gelang. Diese
Bestien sind bis heute nicht verhaftet worden. Sie sind wie vom
Erdboden verschwunden. Na ja, Mord, so sagen die Beamten, verjährt
ja, nicht.«, Claudia unterdrückte krampfhaft ihre Tränen.
Und Sheila umarmte sie noch fester. Beide mussten nun weinen und sie
taten es, wie schon oft in betrübter Stimmung.
»Aber nun genug davon. Eigentlich hast ja du ein
Problem und nicht ich, nicht wahr mein Liebes?«, stellte
Claudia fest.
»Claudia, ich hab dich sehr lieb und du wirst
immer meine zweite Mutti sein.« gestand Sheila Ihrer Claudia.
Und als das Claudia hörte, fing sie erneut zu weinen an und wie
sollte es auch anders sein. Sheila weinte natürlich mit. So
langsam beruhigten sich die Gemüter und Sheila bekam ihr
Abendessen präsentiert.
»Ah endlich, bin ich vielleicht hungrig, ich
könnte glatt einen ganzen Elefanten verdrücken. Wie, was
denn, wo willst du denn hin Claudia? Isst du denn nicht mit, zu
Abend?«, fragte Sheila.
»Aber nein Sheila ich, ich habe schon gegessen.
Außerdem muss ich noch heute in der Küche Inventur
machen. Dies hat sich dein Papa mal wieder ausgedacht. Tja, ich hasse
es zwar, aber Befehl ist eben Befehl. Es muss halt sein, wenn ich
meinen Job behalten möchte. Du entschuldigst mich doch bitte?
Ich wünsche dir noch eine gute Nacht Sheila und Kopf hoch. Du
wirst deine große Liebe bestimmt wieder sehen. Es kommt, was
kommen muss. Daran kannst du nichts verändern. Also, wehre dich
nicht so sehr gegen deine, oder vielleicht sogar euer beider,
Bestimmung.«
»Ja, ich danke dir, Claudia. Ich werde darüber
nachdenken. Also, bis morgen früh dann, ja?«, warf Sheila
ein.
»Klar Liebes, bis morgen in der Frühe.«,
gab sie zurück.
Da saß sie nun im großen Saal oder Salon,
wie man es eben charakterisieren möchte und tafelte hastig ihren
Bauernsalat mit etwas Weißbrot in sich hinein. Sheila dachte nach,
während sie nun, satt geworden, in ihrem noch übrig
gebliebenen Salat herumstocherte. Ja sie dachte unentwegt an Johnny.
Noch immer konnte sie nicht begreifen, warum sie sich habe im Zug so
gehen lassen. Doch zu ihrem eigenen Erstaunen, genoss sie diesen
einen einzigen Kuss dieses wildfremden Mannes mit all ihren Sinnen.
Und sie musste sich eingestehen, dass, wenn die Fahrt noch länger
gedauert hätte, aus diesem Kuss noch mehr hätte werden
können. Und genau dieses Wissen, diese Erkenntnis von sich
selbst, ihre Schwäche, machte ihr eminent bzw. ohnegleichen
Angst. Niemals hatte sie sich für so ein Abenteuer, und das auch
noch in so kurzer Zeit, fallen lassen. Ja sie fühlte sich wie
eine Schlampe. Sheila starrte auf ihren Teller. Krampfhaft versuchte
sie, diesen Johnny aus ihren Gedanken zu verbannen. Doch dieser
Versuch war von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Er saß
fest, er brannte sich buchstäblich in ihre Gedanken ein. Bin ich,
kann es wirklich sein, dass ich verliebt bin? Verliebt, in jener
flüchtigen Begegnung? Dachte Sheila nach.
Und insgeheim, obwohl sie sich noch immer innerlich
wehrte, wusste, fühlte sie schon längst, dass es um sie
geschehen war, ja dass sie sich unsterblich in Johnny verliebt hatte.
Trotz allen Wenns und Abers. Was solle sie nur tun. Ihn
versuchen ausfindig zu machen? Ihm nachzustellen wie ein
vierzehnjähriger Teeny, die ihren ersten Kuss bekam? Sich aufdringlich
zu benehmen? Sämtliche Verpflichtungen, Hals über Kopf,
stehen und liegen lassen, um sich dann in ein Liebesabenteuer zu
stürzen? Ungeachtet der dadurch aufkommenden und der damit
verbundenen Probleme, die vielleicht ein Chaos in ihrem zurück
gewonnenen und geordneten Leben mit sich führen würden?
Nein und nochmals nein.
Was mache ich denn jetzt nur? Kann ich mir denn sicher
sein, dass er bei diesem Kuss genauso fühlte wie ich? Was ist,
wenn er mein Verlangen, ihn zu küssen, was ich letztendlich auch
tat, nur eine Geste guten Willens erwiderte und er aus Höflichkeit,
mir eine peinliche Situation ersparen wollte? Er zwar ein,
vollendeter Gentleman aber nicht willens und fähig, meine Liebe
ja, mein ganzes Verlangen zu erwidern, weil er längst einer
anderen seine Liebe versprach, dachte sich Sheila. Reflektionen des
Erlebten in diesem Zug bombardierten Sheilas Gedanken. Und umso mehr
sie nachdachte, desto mehr kamen in ihr Zweifel auf.
So machte sich Sheila auf den Weg zu Ihrem Schlafgemach.
Sie war müde und abgespannt. Sie konnte keinen klaren Gedanken
mehr fassen, so sehr regte sie sich über die Begegnung mit
Johnny auf. Sie Beschloss erst einmal, darüber zu schlafen.
Morgen ist ja auch noch ein Tag. Morgen? Ja Morgen würde sie
eine Entscheidung treffen. Während sie die Zweiunddreißig
Stufen hoch stieg, dachte sie weiterhin nach. Doch zu diesem
Zeitpunkt kam sie einfach nicht zu einer endgültigen
Entscheidung. Ob sie nun das Schicksal entscheiden lassen sollte,
also einfach so lange abzuwarten, bis Johnny sich von selbst
meldetete? Oder ob sie versuchen sollte ihn zu finden, um ihm ihre
Liebe zu offenbaren. Ja diese Entscheidung würde sie morgen
während des Frühstückes fällen lassen.
Kapitel 4
© 2008 by Peter Althammer
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