Du, mein Licht in dunkler Nacht

Ein Liebesroman von Peter Althammer

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Zur gleichen Zeit bei Johnny und seiner Großmutter:

Mimmi war längst zu Bett gegangen und schlief den Schlaf des Gerechten. Und Johnny? Ja, Johnny befand sich noch wach und stand in fast völliger Dunkelheit, eine Zigarette rauchend am Fenster. Nur noch das Aufleuchten der Glut, das er bei jedem Zug an seiner Zigarette des Tabaks hell erleuchtete, konnte man von ihm sehen. Und da war noch der Lichtschein der Straßenlaternen, der sich in sein Zimmer hineinschlich, wahrzunehmen, wobei sich dadurch sein eigener Schatten an der Wand hinter ihm abzeichnete. Johnny hatte noch immer sein eigenes Zimmer in dem Hause seiner Großmutter, wo er ja aufwuchs. Seine Mimmi brachte es nicht übers Herz es aufzulösen als Johnny auszog, um seinen eigenen Weg zu gehen. Immer schlief er nicht das ganze Wochenende bei ihr. Es kam immer darauf an, wie viel Arbeit er im Garten und bei den Einkäufen zu bewältigen hatte. Auch kam es vor, dass er einfach keine Lust hatte nach Hause zu fahren. Dort würde er ja sowieso alleine sein.
Seine Gedanken gönnten ihm keine Ruhe. Er war glücklich und dennoch zugleich traurig. Sheila offenbarte ihm ihre Liebe. Und doch brauchte sie Bedenkzeit. Wie konnte sie es nur aushalten auch nur eine Minute, ein Wiedersehen hinauszuschieben.
Wenn ich jetzt die Wahl hätte, ich hätte keine einzige Sekunde gezögert. Ich hätte auf der Stelle ein Taxi angerufen und würde so schnell wie nur irgend möglich zu ihr Fahren, in ihr Haus stürzen und sie in meine Arme nehmen. Sie Küssen, wie sie noch nie zuvor in Ihrem Leben geküsst worden war und sie und ihre Liebe mit all meinen Sinnen innerlich aufsaugen. Dachte sich Johnny, während er den Rest der Zigarette im Aschenbecher, der an der Innenseite am Fenstersims stand, ausdrückte. Ich darf mich nicht versündigen. Sie sagte doch ganz deutlich, dass auch sie in mich verliebt sei, dass sie genau wie ich fühle. Ich muss nun geduldig sein. Darf sie nicht bedrängen. Muss ihr die gewünschte Zeit lassen. Aber wie lange wird diese Qual noch andauern? Nun gut. ihr Wunsch sei mir Befehl, dachte Johnny noch nebenher. Dann zog er sich bis auf die Unterwäsche aus und begab sich ins Bett. Trotz vieler darauf folgender Fragen, die er sich noch wach liegend stellte, siegte auch über ihn letztendlich der Schlaf des Gerechten.

*


Am darauf folgenden Morgen um Sieben Uhr Dreißig in Sheilas Schlafzimmer:
Sheila schlief noch tief und fest, als sich ihre Türe öffnete und Claudia herein kam.
»Aufgewacht, mein Herzchen. Es ist ein wunderschöner Morgen und das Frühstück wird bald serviert werden.« Stürzte Claudia mit Elan und einem lauten gefechtsmäßigen Unterton ins Zimmer, so dass Sheila glaubte, sie befände sich in einer Militärkaserne.
»Oh man, Claudia, ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mich aus eigenem Antrieb freiwillig bei der Bundeswehr gemeldet hatte.«, meckerte sie Claudia an.
»Aber, aber, wer wird denn an so einem schönen Tag schlechte Laune haben. Also, raus aus den Federn und ab in die Dusche. Du hast noch exakt 25 Minuten bis zum Antreten im großen Saal.«, konterte Claudia wie immer mit Geschick.
»Muss das denn sein, ich bin noch sehr müde?«, versuchte Sheila noch etwas Zeit zu schinden.
»Ja, es muss sein, meine Liebe. Du kennst ja deinen Vater, wenn er etwas nicht auf den Tod ausstehen kann, dann ist es Unpünktlichkeit. Insbesondere beim Frühstück.«, erwiderte Claudia.
»Na schön, wenn es denn sein muss?«, warf sie ein.
Mit gähnender und zugleich absoluter Lustlosigkeit schleppte sich Sheila aus ihrem kuschelig warmen Französischen Bett. Mit geschlossenen Augen tappselte sie in Richtung des Badezimmers und ging sogleich unter die Dusche. Ohne die morgendliche Kaltdusche war mit Sheila einfach nichts anzufangen. Doch nach dieser schreckhaft kalten Dusche war sie wieder das Energiebündel schlechthin. Ab diesem Zeitpunkt hatte Claudia wahrhaft Schwierigkeiten, Sheila unter guter Manier zu halten. Worauf ihre Eltern, besonders ihr Vater, großen Wert legten.
Während eines der Dienstmädchen erschien, ihr Name war Rosalie, um Sheilas Bett frisch zu überziehen, was natürlich jeden Tag gemacht wurde, zog sich Sheila dem Frühstück gemäß an. Selbst wenn sie nicht auf Besuch war, wurde die Bettwäsche jeden Morgen gewechselt.
»Sheila, liebes, du hast noch exakt 5 Minuten. Du solltest dich nun aber wirklich beeilen.«, wies Claudia darauf hin.
»Ist ja schon gut liebste Claudia, bin ja schon fertig.«, erwiderte sie und küsste sie auf die rechte Wange, während sie anschließend wie ein Wirbelwind durch die beiden Zimmer hinaus in den Flur stürzte und in Richtung der zweiunddreißig Stufen rannte.
»Ach dieses Kind bringt mich noch mal um den Verstand.«, meckerte Claudia, was aber nicht böse gemeint war.
»Gewiss doch, trotzdem lieben sie dieses Energiebündel.«, gab Rosalie leicht neidisch wirkend von sich.
»Rosalie? Kümmere dich um deine Arbeit. Wie oft muss ich dir das noch sagen, das du dich nicht einzumischen hast?«, rügte sie Claudia.
»Verzeihung, ich dachte ja nur.«, entschuldigte sie sich.
»Na, überlass mal das Denken mir.«, konterte Claudia beherzt, während sie Rosalie bei Ihrer Arbeit aufs genaueste beäugte. Währenddessen kam Sheila im großen Saal, etwas aus der Puste, an. Ihre Eltern saßen schon am kleinen Frühstückstisch, der nur in Anführungsstrichen 12 Plätze aufwies, an. Die Sitzordnung war dementsprechend natürlich aufs Genaueste festgelegt. An jedem Ende des Tafeltisches saß zur linken Seite ihre Mama und zur Rechten ihr Papa. Für Sheila jedoch blieb dementsprechend eine Auswahl von zehn Stühlen, die sich auf jeder Breitseite durch je fünf Stühle aufteilten und sich Sheila je nach Laune mal auf dieser oder mal auf der anderen Seite zu setzen pflegte. Sie hatte stets einen Trick auf Lager, wenn sie etwas von einem ihrer Elternteile wünschte oder gar ein Problem zu besprechen beabsichtigte. Wollte sie etwas von ihrem Vater, so setzte sie sich unmittelbar in die Nähe von ihm. Das gleiche Schauspiel veranstaltete sie auch bei ihrer Mutter. Und wünschte sie in Ruhe gelassen zu werden, so saß sie dann einfach auf der lang gezogenen Seite in die Mitte des Tisches. Diese Art von Konversation hatten ihre Eltern schon als sie ein Kind war längst durchschaut, was sie aber mit größtem Eifer zu verbergen versuchten.
Als erstes rannte sie stets zu Ihrem Herrn Papa und gab ihm ein zärtliches Küsschen auf die Wange, in Verbindung mit einem freundlichen Lächeln und einem liebreizenden Guten Morgen liebster Papa. Anschließend rannte sie zum anderen Ende des Tisches und küsste ihre Mutter mit den Worten, guten Morgen liebste Mama, du siehst heute besonders hübsch aus. Dies variierte Sheila stets in verschiedenen Sätzen. Was ihre Mama natürlich etwas verlegen zu machen schien und sie etwas erröten ließ. Und dennoch von ihr mit Wonne aufgenommen wurde. Nach der freundlichen morgendlichen Begrüßung setzte sich Sheila in die Mitte auf der rechten Seite, was ja nicht so oft vorkam.
»Sheila, Liebes, du solltest nicht immer so wild die Stufen hinunter eilen, du wirst dir noch mal den Fuß dabei brechen.«, wies ihre Mutter etwas besorgt darauf hin.
»Verzeih Mama, ich werde das nächste mal daran denken.«, sagte Sheila.
»Das hast du deiner Mama schon so oft versprochen und trotzdem hältst du es niemals ein.«, wies ihr Vater darauf hin.
»Gewiss Papa, doch ich weiß auch, dass dir Unpünktlichkeiten zuwider sind.«, versuchte sie sich zu verteidigen.
»Sicherlich ärgere ich mich über Unpünktlichkeiten, mein liebes Kind. Doch dagegen gibt es ein sehr wirksames Mittel.«, konterte er.
»Und was wäre dies dann, Papa?«, fragte sie.
»Nun, sich einfach eher vorzubereiten?«, erwiderte ihr Vater mit einem Hauch der Zurechtweisung.
Sheila gab darauf keine Antwort mehr, sie wusste, dass sie ihrem Herrn Vater bei einem kleinen Streitgespräch keinesfalls gewachsen war. Doch selbst wenn sie Recht behielte, gegen seine Schlagfertigkeit in Rede und Antwort würde sie den Kürzeren ziehen. So beschloss sie, lieber den Mund zu halten. Auf diese Art konnte sich die gerade entstandene, angespannte Situation wieder etwas lockern und dem eigentlichen, nämlich dem Frühstück, genussvoll zugewandt werden. Eine zeitlang beherrschte die Stille den großen Saal. Merklich zu ruhig für ihre Eltern, die eigentlich ihre Tochter eher zum Stillschweigen ermahnen mussten, da Sheila im Allgemeinen mehr zu reden pflegte, als zu Frühstücken. Natürlich nur wenn sie etwas zu erzählen hatte und nicht befürchten musste, wie schon angedeutet, mit ihrem Herrn Papa zu konferieren. Deswegen wurde sie nun von beiden Seiten des Tisches aufs genaueste begutäugt.
»Sag mal Liebes, ist etwas mit dir? Du wirkst so angespannt? Du wirst doch nicht krank werden?«, fragte ihre Mutter besorgt nach.
»Aber nein, es ist alles in bester Ordnung. Ich denke nur etwas nach.«, antwortete sie auf die Frage hin.
»Das müssen aber sehr intensive Gedanken sein. Ich hoffe, dass diese Gedankengänge von harmloser Natur geprägt sind?«, wies ihr Vater darauf hin. Und wartete sichtlich auf eine Antwort.
»Sei dir gewiss, lieber Papa, dass diese Gedanken nichts mit dem Hause der Roigers zutun haben. Es wäre mir äußerst unangenehm, eure heile und intakte Welt anzutasten, wo sie doch in euren ach so wichtigen gGeschäftlichen Kreisen als so perfekt gilt.«, warf sie mit einem schnippischen ja sogar verletzendem Unterton ein.
»Sheila, wie redest du denn mit deinem Vater? Ich finde das nicht nett von dir. Du wirst dich sofort bei ihm entschuldigen.«, mahnte ihre Mutter sie.
»Entschuldigt mich bitte.«, mit einem Mal stand Sheila weinend und sich ohne bei ihrem Vater zu entschuldigen, auf und rannte, als wäre der Leibhaftige Teufel höchstpersönlich hinter ihr her, die zweiunddreißig Stufen empor und mit einem Donnerschlag der Türe auf ihre Zimmer. Dort angekommen warf sie sich schluchzend auf ihr Bett. Auf dem Bauch liegend und ihren Kopf auf beide Ellen gestützt, ging das Klagelied weiter.
Unterdessen guckten sich ihre Eltern verblüfft, ja völlig ratlos an. So hatten sie ihre gut geglaubt und erzogene Tochter noch nie erlebt. Es kam soweit, dass sich beide ernsthafte Sorgen um Sheila zu machen schienen. Auch Claudia, die Oberaufseherin würde jetzt am liebsten nach oben eilen um Sheila zu trösten. Sie wusste ja, was ihr fehlte, dass sie schrecklichen Liebeskummer hatte. Doch durfte sie sich, solange sich Herr und Frau Roiger im Hause befanden, nicht einmischen. Verraten durfte und würde sie Sheila auf keinen Fall. Wenn überhaupt, musste Sheila ihren Eltern schon selbst Bericht erstatten. Und um ehrlich zu sein, vergönnte sie Herrn und Frau Roiger mit innerlicher Befriedigung ihren jetzigen Kummer um ihre Tochter.
Wurde ja auch mal Zeit, dass diese beiden sich mal Sorgen um dieses arme Kind machen müssen. Dachte sich noch Claudia während sie den Hausherrn frischen Kaffee in seine fast leere Tasse nachschenkte.
»Sag mal, Claudia, ist etwas vorgefallen, was ich und Frau Roiger wissen müssten?«, kam die unberührte Frage von Herrn Roiger.
»Nicht dass ich wüsste. Außer dass sie gestern Abend etwas enttäuscht war, alleine Abendessen zu müssen, fiel mir nichts auf.«, gab Claudia zu verstehen.
»Na dann kann es ja nicht so schlimm sein.«, gab der Hausherr mal wieder anteilslos von sich. Worüber sich aber die Hausherrin nun ärgerte.
»Ach Gunther, wie kannst du nur so gefühllos zu deiner eigenen Tochter sein?«, mit einem Mal stand die Hausherrin wortlos auf, was sie noch nie vor Angesicht ihres Mannes tat und ging in Richtung der zweiunddreißig Stufen.
»Adelheid, wo gehst du hin?«, fragte nun Gunther sie, wobei er sich völlig durcheinander fühlte.
»Ich gehe jetzt zu meiner Tochter. Wenn du unfähig bist, deine Tochter, die anscheinend große Probleme hat, deine Hilfe anzubieten oder zumindest nachzufragen was ihr fehlt, dann werde ich es tun. Mir sind nämlich ihre Probleme nicht egal, so wie dir. Soweit ist es also schon gekommen, dass unsere eigene Tochter nicht einmal mehr mit uns über ihre Probleme reden möchte. Du kaltherziger Mensch.«, mit flotten Schritten stieg Sheilas Mutter die zweiunddreißig Stufen hoch und verschwand im linken Flügel des Obergeschosses, wo sich Sheilas Räumlichkeiten befanden.
»Da saß er nun alleine am Frühstückstisch und machte sich so seine Gedanken, was er für Fehler gemacht haben konnte. Zunächst fiel ihm nichts ein, doch als er in Claudias Gesichtsausdruck sah, was natürlich alles aussagte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Claudia sagte kein einziges Wort, doch ihr Blick verriet so einiges, so dass der Hausherr es ja fast schon als einen Befehl von ihr durchschaute. Plötzlich stand auch er auf und machte sich desgleichen auf den Weg zu seiner Tochter. Und als er an Claudia vorbei ging, die ihn noch immer wortlos mit einem ärgerlichen Gesichtsausdruck ansah, bekam er das erste Mal ein schlechtes Gewissen. Was sie ja damit beabsichtigte. Sie sah ihm mit Wonne zu, wie er sich, zwar noch flott, aber mit quälenden Schritten die zweiunddreißig Stufen emporschleppte. Geschieht ihm mal ganz recht. Dachte sie sich noch. Und befahl zwei der Dienstmädchen, den Frühstückstisch abzuräumen, während sich Claudia weiterhin ihren Pflichten widmete.
Unterdessen in Sheilas Räumen:
Sie lag noch immer weinend auf ihrem riesig großen Französischen Bett. Sie wirkte wie ein Häufchen Elend. Dann klopfte es ganz leise mehrmals an ihrer Türe. Doch Sheila gab keine Antwort. Stattdessen versuchte sie krampfhaft, die Tränen aus ihrem Gesicht zu wischen. Ihrer Mutter fiel es sehr schwer, einfach in ihrem Reich einzutreten, zudem war es schon lange her, dass sie sich mit ihrer Tochter über Probleme unterhalten hatte. Denn die meiste Zeit, wenn Sheila mal zu Hause war, gab es ja, außer den gewohnten Wortgefechten, keine Schwierigkeiten, da sich ihre Tochter meist Perfekt benahm. Also nahm Adelheid ihren ganzen Mut zusammen und ging einfach hinein, sah sie auf dem Bett liegend und setzte sich einfach neben ihr auf die Bettkante. Einen Moment lang schwieg sich ihre Mutter aus. Doch dann berührte sie ganz sanft ihre Schulter und begann sie zu streicheln.
»Willst du mir nicht sagen was dir fehlt, mein Liebling? Ich weiß, dass ich mir bisher nicht viel Zeit für dich genommen habe, aber du sollst wissen, dass ich dich immer lieb haben werde.«, sprach sie sanft zu ihr.
Im nächsten Augenblick sprang Sheila in einem Satz hoch und umarmte ihre Mutter mit einer Liebe, die nicht zu Beschreiben war. Ganz ganz feste umarmte sie ihre Mutter, wie sie es noch nie in ihrem Leben getan hatte. Und brach in einem darauf folgenden weinkrampfartigen Anfall aus.
»Ich habe dich auch ganz arg lieb Mami. Halt mich bitte fest. Lass mich nie wieder los.«, bat sie ihre Mutter.
»Ich halte dich fest, mein Schatz. Ich halte dich fest. Habe keine Angst, ich bin ja hier, mein Kind.«, gab nun auch ihre Mutter weinend zu verstehen.
Währenddessen stand auch schon ihr Vater in dem Türrahmen des Schlafzimmers und hielt nur maulaffenfeil. Mit weit aufgerissenen Augen stand er regungslos da und beobachtete das Geschehen zwischen seiner Frau und Tochter. In den vielen Jahren seiner Geschäftstätigkeit stumpfte er in seinen Gefühlen ab. Selbst in dieser sichtlich traurigen Situation in seiner Familie, dachte er doch tatsächlich an seine Geschäfte. Außerdem wurde er von Seiten seines Vaters sehr streng und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu jenem erzogen, was er heute ist. Ein milliardenschwerer, auf sein Leben bezogener und berechnender Geschäftsmann. Nicht mehr und nicht weniger. Das wichtigste für ihn, jedoch. Es musste in seiner Häuslichkeit, wenn er es verließ, alles in geordneten Verhältnissen sein. Er konnte sich nicht richtig ins Geschäft einfühlen, wenn zuhause nicht alles nach seinem gewohnten Gang verlief. Er brauchte die Gewissheit, dass alles was er tat ja eigentlich seiner Familie zugute kam. Dass es ihnen an nichts fehlen würde. Erst dann, ja erst dann, konnte er sich auf seine Geschäftsfeinde stürzen, um sie dann mit Berechnung zu ruinieren, um sich an ihrem Bankrott oder sagen wir einmal, an ihrem Ruin, gütlich zu tun. Dabei soviel Geld und Macht an sich zu reißen, dass sich der Gegner nie wieder erholen konnte und schließlich in Konkurs gehen musste. Erst dann konnte er beruhigt nachhause oder ins Hotel gehen, um dann zufrieden seinen Schlaf nachzuholen. So war er nun mal. Dass seine Familie ihn diesbezüglich nicht sehr verändern konnte, war beiden klar. Doch dass er so gefühllos sein konnte, machte doch den beiden sehr zu schaffen. Denn in ihrem Herzen liebten sie ihn, jeder auf seine ganz besondere Weise.
»Sheila, willst du mir denn nicht sagen, was dich so sehr bedrückt.«, fragte ihre Mutter nach. Noch immer bemerkte keiner der beiden, dass der Hausherr längst im Türrahmen des Schlafgemaches stand und alles mitbekam.
»Ach Mama, ich habe mich in einen Mann verliebt. Weißt du, ich hätte niemals wieder gedacht dass ich, nachdem Karl mich so schlecht behandelt hatte, mich noch einmal in einen Mann verlieben könnte. Es ist aber passiert, ich liebe ihn bis zum Wahnsinn. Ich kann es nicht verstehen.«, gestand sie ihrer Mutter.
»Ja aber Schatz, das ist doch wunderbar. Es gibt doch nichts Schöneres, als sich erneut zu verlieben. Vor allem, wenn man bemerkt, dass nicht alle Männer Mistkerle sowie Karl sind.«, erklärte ihre Mutter behutsam.
»Mama, das sagst du vielleicht jetzt, aber wenn ich dir erzähle wie lange ich diesen Mann kenne, dann wirst du nicht mehr so verständlich sein.«, erwiderte Sheila.
»Also, dann erzähl doch mal deiner alten Mutter, wie lange du diesen jungen Mann denn nun kennst?«, fragte sie nach.
»Du bist nicht alt, Mama.«, versuchte Sheila nun auszuweichen.
»Lieb von dir, das zu sagen, aber du hast mir auf meine Frage noch keine Antwort gegeben.«, drängte nun ihre Mutter weiterhin.
»Zwei Stunden.«, dann schwieg Sheila, wartete auf die Reaktion ihrer Mutter.
»So, ganze zwei Stunden also?«, gab sie ganz ruhig und gelassen von sich. Was natürlich Sheila sehr verwunderte.
»Du schimpfst mich gar nicht?«, fragte sie erstaunt.
»Warum sollte ich dich dafür rügen. Ich gebe zu, dass es schon eine sehr kurze Zeit ist. Ich denke aber, dass du alt genug bist, um selbst zu entscheiden welchen Mann du liebst. Das einzige was mir dabei Sorgen macht ist die Tatsache, dass du vielleicht wieder an einen schlechten Mann gerätst, der dir vielleicht auf irgendeine Weise weh tun könnte. Wenn du verstehst, was ich meine. Oder jemand, der dich gezielt ausnutzen möchte. Und so weiter und sofort.«, erklärte sie ihr.
»Aber Mama, es gibt doch für keine Beziehung eine Garantie, oder?«, stellte Sheila fest.
»Gewiss mein liebes Kind, da magst du schon Recht behalten. Doch es macht durchaus einen großen Unterschied, wie lange man einen Menschen kennt, dem man dann vertrauen kann. In der Zeit des Verliebseins, macht man manches Mal Dinge, die nicht ganz so ungefährlich sind, wie es den Anschein hat. Auch du kennst ja diesen Spruch, dass Liebe bekanntlich blind macht. Das solltest du nicht unterschätzen. Dennoch möchte ich dir in diesem Fall nicht hineinreden. Ich möchte nur, dass du mir versprichst, sehr vorsichtig zu sein und auf dich aufzupassen. In Ordnung mein Engel?« verlangte sie von ihr etwas bedrückt.
»Keine Angst Mama, das werde ich. Aber ich kann doch nichts dafür, dass ich ihn so toll lieb habe?«, warf sie noch mal ein.
»Natürlich, das weiß ich doch. Und sag mir mal, wie empfindet denn dieser junge Mann für dich?«, kam die berechtigte Frage von ihrer Mama.
»Er empfindet genauso wie ich. Wir hatten schon mit einander telefoniert und mit seiner Mimmi habe ich auch schon telefonisch gesprochen.« erzählte Sheila des weiteren.
»Seiner Mimmi? Wer ist denn diese Mimmi?«, fragte sie, nun neugierig geworden, nach.
»Ach verzeih, ich meinte damit seine Oma, weißt du, er hilft ihr jedes Wochenende bei den Gartenarbeiten, beim Einkauf und was halt sonst noch so anfällt. Er wohnt nämlich in Nürnberg, musst du wissen und fährt jedes Wochenende mit dem Zug hierher nach Stuttgart. Und in diesem Zug haben wir uns kennen gelernt und das erste Mal geküsst. Ach Mama, es war, ich kann es dir gar nicht mal richtig erklären.«, gestand Sheila ihrer Mutter.
»So, dann lass mich mal raten. Als er dich küsste, als ihr beide euch geküsst habt, schlug dein Herz wie wild und dein ganzer Körper begann zu zittern, förmlich zu beben. Das Atmen fiel dir schwer und in deinem Bauch spürtest du ein unglaubliches Kribbeln. Es war so unglaublich, dass du dir in diesem Augenblick wünschtest, er möge damit aufhören und dennoch sollte es niemals enden, deine Sinne nahmen nichts mehr wahr, außer diesen Kuss, ja diesen Mann. Du hattest das Gefühl, jeden Moment in Ohnmacht fallen zu müssen. Na hab ich recht oder nicht, mein liebes Kind?«, fragte sie Sheila.
»Ja aber woher weißt du denn, wie ich mich fühlte, das stimmt ja alles haargenau, Mama?«, wunderte sie sich über diese Erkenntnis ihrer Mutter.
»Tja liebes, auch ich war mal eine so junge und hübsche Dame, wie du es jetzt bist.
Währenddessen schlich sich ihr Vater außerhalb des Schlafzimmers, dass er nicht entdeckt werden konnte. Er blieb aber so nah neben dem Türrahmen hinter der Wand stehen, dass er alles mithören konnte.
»Mama, war dieser Mann denn Papa?«, eine berechtigte Frage die da ihre Tochter stellte.
»War? Er ist es immer noch.«, gestand sie ihrer Tochter.
»Nach so vielen Jahren liebst du ihn noch immer mit ganzem Herzen?«, fragte Sheila neugierig nach.
»Gewiss, ich muss zugeben dass wir nun in unserem Alter, sagen wir mal, nicht mehr so stürmisch sind, als wir noch jung und voller Elan waren. Aber ich muss zugeben, dass ich deinen Herrn Papa noch genauso innig Liebe wie am ersten Tag, als wir uns kennen lernten. Sicherlich es gab viele Hürden zu überwinden und nicht jeder Tag Beschenkte uns mit Glück und Harmonie. Wir bekämpften jedes Missgeschick, das sich uns und unsre Liebe in den Weg stellte. Mit aller Härte, die uns damals zur Verfügung stand. Auch unsere Eltern also dein Opa und deine Oma, waren strikt gegen eine Heirat unsererseits. Doch wir ließen uns nicht beirren. Denn wir hatten eine der mächtigsten Waffen, die stets und unaufhörlich auf unserer Seite stand?«, erzählte sie weiterhin.
»Was für eine Waffe denn? Ich verstehe nicht ganz Mama?«, unterbrach sie ihre Mutter.
»Die Liebe, du Dummerchen, unsere Liebe. Ich werde niemals aufhören deinen Herrn Papa zu lieben.«, bekräftigte ihre Mutter.
»Ach Mama, hast du das schön gesagt. Dann kannst du dir ja jetzt vorstellen, wie ich mich fühle? Was meinst du, sollte ich es auch Papa sagen?«, fragte Sheila nach.
»Damit würde ich bis spätestens morgen warten. Weißt du, ich war eben nicht gerade sehr nett zu deinem Papa. Lass es mich ihm morgen schonend beibringen? Dann werden wir weitersehen, bist du damit einverstanden mein Kind?«, fragte sie sehr leise.
»Ehrlich gesagt, ist mir das sogar lieber. Du weißt ja, seit das mit Karl passiert ist, das Papa ja vorausgesagt hatte, ist es dennoch klüger, wenn du Papa darauf vorbereitest. Sollte Papa mit mir und Johnny nicht einverstanden sein, werde ich trotz alledem mit Johnny zusammen kommen. Doch könnte ich viel glücklicher sein, wenn ihr beide damit einverstanden wäret.«, offenbarte sich Sheila Ihrer Mutter.
»Aha, er heißt also Johnny? Ist ein ausgefallener aber dennoch sehr schöner Name. Und noch etwas, wie kommst du darauf, dass Papa etwas gegen deinen Johnny haben könnte? Er kennt ihn doch nicht einmal. Oder täusche ich mich da in etwa?«, wollte ihre Mutter noch wissen.
»Ach Mama, du kennst doch Papa. Er braucht nicht einmal einen Namen oder gar ein Treffen mit Johnny. Ihm genügt schon, wenn er erfährt, dass mein Johnny nicht zu den Millionären gehört oder zumindest sich nicht in seinen gesellschaftlichen Verhältnissen aufhält. Oder irre ich mich da wohl auch wieder?«, warf sie ein.
»Na ja, du musst aber auch deinen Herrn Papa verstehen. Es ist doch ganz normal, dass er dich in finanzieller Sicherheit wissen will. Denke doch nur mal zurück was Karl, verzeih Liebes, dieser Mistkerl in den letzten Jahren mit deinem schwerverdienten Geld gemacht hatte. Du hattest eine sehr gut gehende Anwaltspraxis in Paris und hast sehr viel gutes Geld damit verdient. Oder etwa nicht?«, erinnerte sie ihre Tochter.
»Natürlich, da gebe ich dir ja recht. Aber man kann doch nicht jeden Mann, nur weil er nicht reich genug ist, mit Karl verwechseln?«, in der Tat hatte da Sheila nicht einmal so ganz Unrecht. Was auch ihre Mutter eingestehen musste.
»Natürlich Liebes, man kann nicht alle in denselben Topf werfen.«, erwiderte ihre Mutter.
»Willst du denn nicht wissen was Johnny für einen Beruf hat, ich kann es dir sagen, er ist von Beruf Sicherheitsassistent. Doch vor einiger Zeit ging seine Firma, in der er etliche Jahre gearbeitet hatte, in Konkurs und somit auch seine Arbeitsstelle verloren.« Sagte Sheila ganz offen und frei heraus. Sie wollte nun endlich wenigstens mit Ihrer Mutter gleich Nägel mit Köpfen machen, ohne für Johnny lügen zu müssen. Was sie ja für Karl immer tat.
»Nun mein Liebes, mir ist es völlig gleich was dein Mann für eine Arbeit oder wie viel Geld er verdient. Wichtig ist für mich nur eines, dass er lieb zu dir ist und dich nicht schlägt oder sich gar dem Suff ergibt. Nur eines noch mein Kind, es deinem Vater beizubringen wird ein harter Brocken werden, deinen Vater mit diesen für ihn bestimmt kläglichen Informationen von deinem Johnny zu überzeugen. Du kennst ihn ja und seine innere Angst um dich. Doch, ich habe es dir versprochen, dir dabei zu helfen und ich halte mein Wort. So Kleines, du solltest dich nicht länger hier oben im Zimmer verkriechen, sonst kommst du nie auf andere Gedanken. Fahre doch in die Stadt und amüsiere dich ein wenig. Oder Ruf doch eine Freundin an, du hast doch bestimmt noch einige, die dich nicht vergessen haben, seit du in Frankreich lebtest.«, wies ihre Mutter darauf hin.
»Natürlich habe ich noch Freunde hier. Aber ich habe schon etwas vor, ich wollte eigentlich Johnny anrufen. Das tue ich von Claudias Apparat aus. Du verstehst schon, wegen Papa.«, sagte Sheila.
»Natürlich Liebes. Also, wir sehen uns dann bei Kaffee und Kuchen, ja?«, fragte ihre Mutter.
»Natürlich liebste Mama, ist versprochen.«, warf sie ein.
»Und wird auch nicht gebrochen.«, kombinierte ihre Mutter den Satz zu Ende.
Ihr Vater indessen stand noch immer hinter der Wand im ersten Raum von Sheila. Er begriff sehr schnell, dass es zu spät war, sich nun schnell aus dem Staube zu machen. Denn im Nu würde seine Frau ihn entdecken. So beschloss er, einfach zu Sheila zu gehen und so zu tun als käme er gerade eben erst an. Eine andere Möglichkeit gab es für ihn nicht. Gedacht getan, so ging er ganz frech und beherzt in den Schlafraum hinein.
»Hallo allerseits, na wie geht es meinem Spatz denn nun?« Fragte er gleich als Ablenkung.
»Du meine Güte, Gunther, hast du mich vielleicht erschreckt. Kommst hier wie ein Geist an. Rügte sie ihren Mann.
»Verzeiht meine Lieben, es war nicht meine Absicht.« Entschuldigte er sich und ging auf Sheila zu, die sich noch immer im Bett befand, setzte sich genau wie Adelheid davor auf die Bettkante und streichelte Sheila ganz sanft über ihr langes brünettes Haar. Verzeih mein Kind. Ich wollte dir nicht wehtun.«, bat er seine Tochter. Und Sheila sah ihren Vater verdutzt an. Sie konnte nicht glauben, dass er sie sanft und tröstend streichelte und sie auch noch um Verzeihung bat. Nie hatte er dies jemals getan, nicht in all den Jahren, seit sie zurück denken konnte. Selbst die Mama war völlig sprachlos. Und plötzlich umarmten sich die beiden. Sheila musste abermals weinen, aber nicht aus Frust, sondern vor lauter Glück.
Steckt also doch noch eine liebe Seele in diesem so harten Kern. Ich wusste es. Ich war mir stets sicher, er war der Richtige, für mich und mein Kind. Dachte sie sich noch. Und ging zu den beiden, um an der Umarmung Teil zu haben. So verweilten alle drei für einige Augenblicke. Diese Augenblicke genoss Sheila sehr. Endlich, nach so vielen Jahren, ein Zeichen von Zuneigung von seitens ihren beiden Eltern.
Gunther verschwieg unterdessen, dass er die Unterhaltung, bzw. was Mutter und Tochter unter sich besprachen, mitgehört hatte. Er fand dies zwar nicht in Ordnung, doch konnte er sich dadurch gewissermaßen ein Gesamtbild machen, wie sie über ihn dachten und was sie sonst noch so bewegt. Er fühlte sich nicht sehr wohl dabei und beschloss deshalb, in der Zukunft etwas mehr auf die Wünsche seiner Familie einzugehen. Dennoch, und das war ihm von vorneherein klar, seine Geschäfte konnte er nicht vernachlässigen, auch wenn er es noch so satt hatte und am liebsten alles stehen und liegen gelassen hätte. Viel zu viele Arbeitsplätze hingen von der Koordination seiner Besitztümer und seinen Konzernen ab. Geld hatte er schon genug. Er könnte dieses Vermögen nicht mal in 1000 Jahren ausgeben. Nein es waren seine Angestellten, die ihre Familien ernähren mussten. Auf der ganzen Welt arbeiteten allein nur für ihn und seine Firmen mindestens drei Millionen Menschen in allen Fachgebieten, die natürlich auch bezahlt werden mussten. Ihm war klar, dass er nicht ewig leben würde und auch für ihn der Tag kommen wird, an dem er sich aus seinem Geschäft, also der Firma zurückziehen musste. Doch beherrschte ihn der ewige Wunsch, da er ja keinen Sohn hatte, dass seine Tochter einen guten und geschäftstüchtigen Mann heiraten würde, der seine Geschäfte in seinem Sinne leiten, sozusagen führen würde und somit auch Nachkommen gesichert sind. Seine einzige Tochter Sheila hatte für seine Geschäfte nichts übrig. Klar würde sie nach seinem Tod alles erben, doch führen sollten seine Geschäfte andere. Ja, viele Enkelkinder wünschte er sich zudem. Besonders männliche Enkelkinder sollten es sein, die wiederum die nächsten Generationen seines Imperiums sichern sollten. Und so weiter und sofort. Seine Angestellten sollten auch nach seinem Ableben einen krisensicheren Job haben. Ihm ging es schon lange nicht mehr nur ums Geld, nein im Gegenteil. In den letzten 20 Jahren hatte er im Gesamtwert von mehr als 2 Milliarden in Euro Währung gespendet. Regelmäßig spendet er allein für die Krebsforschung und Aids, und das jedes Jahr, auf der ganzen Welt fast 20 Millionen, in Euro Währung. Ganz zu schweigen von den so vielen Waisenhäusern, die er finanziell sozusagen über Wasser hält usw. Doch trotz alledem, hatte er immer das bestimmte Gefühl, dass dies nicht genug sei.
Nachdem sich alle Gemüter wieder etwas beruhigt hatten, saßen Herr und Frau Roiger schon längst am Kaffeetisch und warteten auf Sheila, die sich im festen Glauben, dass ihr Vater nichts davon wusste, unten in der Dienstwohnung bei Claudia befand, um ihre große Liebe, Johnny, anzurufen.
»Sag mal meine liebe Adelheid, kannst du mir vielleicht in meiner Gedankenwelt ein bisschen behilflich sein und mir verraten, warum dieses Kind uns hier bei Kaffee und Kuchen warten lässt?«, erkundigte sich Gunther scheinheilig. Er wusste natürlich wo und was Sheila gerade machte.
»Ach Gunther, du weißt doch wie agil unsere Tochter ist. Ich würde vorschlagen wir beginnen derweil? Zudem hat sie mir versprochen, dass sie kommen wird und was sie verspricht, hält sie auch. Auch das dürfte dir, mein lieber Gunther, bekannt sein oder?«, konterte Adelheid geschickt.
»Gewiss meine Liebe, gewiss.«, gab er klein bei, was Adelheid ein bisschen misstrauisch machte.
Er hat so ein leichtes, hämisch wirkendes Lächeln im Gesicht. Hat er uns womöglich ausgehorcht, als ich mich mit Sheila in ihrem Zimmer unterhielt. Könnte möglich sein. War schon sehr merkwürdig, wie er aus dem Nichts plötzlich im Zimmer stand. Ich habe mich dabei ganz schön erschrocken. Nun, sollte er uns wirklich belauscht haben, muss ich ihn für seine ruhige Haltung Respekt zollen. Gewöhnlich gab er nicht eher Ruhe, um alles zu erfahren, sollten wir etwas vor ihm verbergen. Wenn er etwas verabscheute, ja abgrundtief verabscheute, dann, wenn wir Geheimniskrämereien vor ihm hatten. Nun, solange er mich nicht direkt danach fragt, brauche ich auch nichts zuzugeben. Genau, ich belasse es vorerst dabei, dachte sich Adelheid, während sich beide aufs genaueste begutäugten.
Seltsam, ihr Gesicht zeichnet sich zu einem leichten hämischen Lächeln aus. Und ihre Augenwinkel ziehen sich zu einem spitzwinkeligen Blick zusammen, als würde sie mich direkt anpeilen, ja, direkt anvisieren. Ob sie vielleicht bemerkt hatte, dass ich sie mit Sheila belauscht habe? Ja, das kann durchaus sein. Oder vielleicht doch nicht? Nun, ich sollte erst einmal abwarten. Solange sie mich nicht direkt danach fragt, belasse ich es dabei, dachte sich wiederum Gunther. Ja das war schon ein besonderes Paar, die beiden. Mit allen nur erdenklichen Wassern gewaschen. Doch trotz dieser kleinen Machtstreitereien liebten sich die beiden abgöttisch. Keiner konnte ohne den anderen. Man könnte die beiden fast als eine Person bezeichnen, so sehr waren ihre Gefühle, ja, ihre Seelen in all den Jahren verschmolzen.

*


Währenddessen unten in Claudias Dienstwohnung.
»Was ist, Sheila, indem du nur auf die Nummer guckst, wird sich nichts bewegen, oder?«, wies Claudia daraufhin.
»Ich weiß, meine Liebe. Ich habe Angst.«, warf sie ein.
»Ach, diese Jugend heutzutage. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Was glaubst du, wie ungeduldig er bei seiner Großmutter im Haus vor dem Telefon hin und her geht und das, um ja keinen Anruf von dir zu verpassen?«, sagte Claudia mit Überzeugung.
»Ja, glaubst du wirklich, Claudia?«, fragte sie noch mal nach.
»Ganz bestimmt. Und jetzt lass diesen armen Jungen nicht so lange zappeln und rufe ihn endlich an.«, gab Claudia nun sehr ernst geworden, den Befehl.
Alsdann, wählte Sheila ganz sachte und mit zitternden Händen die besagte Telefonnummer der Großmutter Mimmi.

*


Zur gleichen Zeit in Mimmis Zuhause.
Wie es Claudia vermutete, lief Johnny schon seit Stunden vor dem Telefon in der Stube auf und ab. Mal saß er im Sessel fast regungslos und starrte und starrte auf das Telefon. Dann ging er mal kurz vor die Türe nach draußen rauchte eine Zigarette, kam wieder hinein und das gleiche Szenario begann von vorne.
»Johnny, mein lieber Junge. Ich kann dich ja gut verstehen, aber du machst mich langsam wahnsinnig, mit deinem ewigen Hin- und Hergelaufe. Geh doch in den Garten und arbeite dort etwas. Ich rufe dich schon, sollte sie anrufen. Du wirst dich noch selbst verrückt machen.«, gab Mimmi ihm den Rat.
»Verzeih Mimmi, du hast Recht. Ich drehe langsam durch. Ich muss immerzu an sie denken. Na, was soll es. Ich gehe also jetzt in den Garten und arbeite etwas. Das wird mich bestimmt ablenken.«, gab er Mimmi Recht.
»Guter Junge. Tu das mal.«, gab sie zurück.
»Und du wirst mich bestimmt hereinrufen, sollte Sheila anrufen?«, vergewisserte sich Johnny nochmals.
»Sei beruhigt, ich weiche nicht vom Telefon. Und wenn es denn soweit ist, rufe ich nach dir. Verlasse dich auf mich, mein Junge.«
»Na schön, dann werde ich mal nach draußen gehen. Bis bald, Mimmi.«, dann ging er hinaus in den Garten.
»Armer Junge, ich kann ihm nachfühlen, was er jetzt mitmachen muss. Ich war ja selbst mal so verliebt. Ach ja, mein Männlein fehlt mir auch so sehr. Ja ja, man sagt, die Zeit heilt alle Wunden. Bei mir wirkt dieser Spruch überhaupt nicht. Ich muss noch immer stets an ihn denken.«, gab Mimmi im Selbstgespräch von sich. Kaum befand sich Johnny im Garten, da klingelte das Telefon.
»Huch, das Telefon. Hoffentlich ist es sein Mädchen, sonst wird mir mein Enkel auch noch verrückt.«, führte Mimmi mal wieder Selbstgespräche. Eilends ging sie zum Telefon und hob ab.
»Ja, Traudel Meinert am Apparat, sie wünschen?«, gab sie höflich von sich und lauschte der Dinge.
»Ah, ja. Guten Tag Frau Meinert. Hier spricht Fräulein Sheila Roiger.«, stellte sie sich nochmals vor.
»Ja, Fräulein Sheila, hatten wir schon das Vergnügen?«, tat Mimmi so als müsse sie sich erst daran erinnern, wer dieses Mädchen eigentlich war.
»Natürlich Frau Meinert, sie haben mich doch gestern angerufen, erinnern sie sich nun wieder?«, fragte Sheila.
»Ah ja, jetzt fällt es mir wie die Schuppen vom Kopfe. Sie sind die neue Freundin von meinem lieben Enkel Johnny, habe ich denn nicht Recht, liebes Fräulein Sheila?«, fragte sie gekonnt nach, um eine Reaktion aus Sheila herauszulocken. Was ihr auch gelang.
»Darf ich sie nun auch Mimmi nennen, ich finde das wirkt doch für beide Seiten etwas entspannter. Ach und noch etwas. Ob ich die neue Freundin von Johnny bin, wird sich ja noch herausstellen. Da gehören doch immerhin zwei dazu. Ich kann nur eines dazu sagen: Ich hätte nichts dagegen, seine Freundin zu werden, denn ich liebe ihren Enkel. Wie er darauf reagiert, kann ich natürlich nicht im Voraus sagen. Auch, wenn er mir beim gestrigen Anruf seine Liebe gestand.«, erwiderte Sheila sehr aufgeregt.
»Ach Kindchen, nun zu deiner ersten Frage. Natürlich darfst du mich Mimmi nennen. Und zur zweiten, darüber brauchst du dir nun wirklich keine Gedanken machen. Ich musste Johnny in den Garten schicken, dass er sich etwas beschäftigt bzw. ablenkt, auf andere Gedanken zu kommen. Er klebte förmlich am Telefon und wartete schon seit vielen Stunden auf deinen Anruf. Aber nun mal Klartext. Ich hoffe, dass du meinen Johnny so lieb hast, so wie er es tut. Weißt du, mein Johnny ist in dieser Hinsicht sehr verletzlich. Sei bitte ehrlich zu ihm. Er ist ein guter Junge, mein Johnny. Spiele bitte nicht mit ihm, das würde ihm das Herz brechen. So, nun aber zu euch beiden. Sicherlich hast du nicht angerufen um meine Wenigkeit zu sprechen, ich denke dass du mit Johnny reden möchtest?«, fragte Mimmi, obwohl sie es eigentlich schon im Vorfeld wusste.
»Schon mal vorweg. Ich spiele nicht mit Johnny, weil ich ihn sehr lieb habe. Mimmi, du brauchst dir da wirklich keinerlei Sorgen zu machen. Das schwöre ich dir. Und, ja, ich würde jetzt gerne mit Johnny reden. «, entgegnete sie.
»Gut Kindchen, ich werde vor die Haustüre die zum Garten führt gehen und Johnny rufen. Hab ein bisschen Geduld, du musst wissen, dass ich nicht mehr die Jüngste und folglich nicht mehr so agil und gewandt wie noch vor zwanzig Jahren bin. Also, dann bis gleich und bleibe mir ja am Telefon. Ich würde meinen Enkel ungern enttäuschen.«, versicherte sich Mimmi nochmals.
»Gewiss Mimmi, lass dir ruhig Zeit, ich warte dann so lange am Apparat.«, sagte Sheila ruhig, tröstend. Geschwind, ja fast flink wie ein Wiesel, schmiss Mimmi regelrecht, den Hörer neben den Apparat und ging einigermaßen mit flotten Schritten in Richtung der Außentüre die zum Garten führte. Man staune, dass die meisten Häuser zwei Eingänge und Ausgänge hatten. Eine Haustüre die zur Straßenseite hinausführte und eine auf der Rückseite die zum Garten führte. Schon bald darauf stand sie in etwa einen Meter außerhalb des Hauses auf der Gartenseite und rief nach Johnny, der gerade dabei war, altes Laub zusammenzurechen, um es alsbald auf den Komposthaufen, einer selbst gebastelten riesigen Holzkiste, zu schütten.
»Johnny, Johnny mein Liebling, Telefon für dich. Es ist Sheila.«, rief sie so laut sie konnte.
Als er das Wort Sheila und Telefon aus Mimmis undeutlicher Stimme heraushörte, ließ er alles stehen. Er sauste mit einer Geschwindigkeit, die bei jeder Olympiade bestimmt den Rekord auf 100 Meter erzielt hätte. Er nahm nicht einmal den schmalen Weg der durch die Gemüsebeete und sonstigen Blumen und Sträucher führte, nein er rannte sprichwörtlich querfeldein.
»Liebling, nicht so schnell. Du wirst dir noch deine Füße brechen, wenn du nicht aufpasst.«, warnte Mimmi ihren Enkel.
Doch Johnny hörte und sah nichts mehr. Er stürzte wie ein wahnsinniger ja, wie ein Besessener haarscharf an Mimmi vorbei, die eine Stufe hoch und ins Haus in die gute Stube ans Telefon. Schnappte sich den Hörer des Telefons.
»Sheila, bist du es?«, sprach er laut und völlig außer Puste in die Sprachmuschel des Hörers hinein.
»Ja, Johnny ich bin es. Wie geht es dir denn, ich hoffe doch gut?«, fragte sie etwas zurückhaltend. Einen Moment beherrschte die Stille den Raum. Keiner von beiden getraute sich noch etwas zu sagen. Diese Stille wurde für beide Bedrückend. Und jeder von beiden hatte nun Angst. Angst, dass es der andere am Ende dieser Leitung doch nicht so ernst gemeint hatte, als das Wort Liebe zwischen beiden fiel. Doch es kam anders.
»Was, wie es mir geht, fragst du? Mir geht es nicht so gut Sheila.«, antwortete er fast ängstlich.
»Warum, was ist mit dir?«, fragte sie aufgeregt.
»Dass du nicht bei mir bist, das fehlt mir. Sheila ich bin ganz ehrlich zu dir. Wenn ich dich nicht bald sehen darf, drehe ich langsam durch. Ich kann nicht mehr klar denken, ich kann nicht schlafen, nicht essen, muss immerzu an dich denken.« Erwiderte er schwer Schluckend. Jetzt war der Groschen gefallen. Johnny ging aufs Ganze. Er konnte seine wahren Gefühle nicht mehr verbergen. Klar, die Angst, dass es ihr zu schnell ging und er damit riskieren musste, dass sie noch mehr Zeit oder gar einen gewissen Abstand von ihm brauchte, war enorm groß. Doch als er ihre Stimme vernahm, konnte er nicht mehr anders. Heute, hier und jetzt, so dachte er es sich, muss ich ihr meine Gefühle erklären, muss ich sie vor vollendete Tatsachen stellen. Was er auch sogleich in die sprichwörtliche Tat umsetzte. Dann holte er tief Luft. Sein Herz pochte in einem wilden und unkontrollierten Takt, hinauf bis in seine Halsschlagadern. Ja, Johnny hatte es schwer erwischt. Vor Aufregung war er fast der Ohnmacht nahe. Er fühlte sich wie ein kleines und hilfloses Kind, dem man etwas wegnahm, was es liebte.
Wenn doch meine Worte das Ausdrücken könnten, was mein Herz für diese Frau empfindet. Dachte er sich noch. Sheila gab nun keine Antwort mehr. Es war plötzlich still am anderen Ende geworden. Diese Stille war nun für Johnny der blanke Horror. Hatte er doch zuviel gesagt? Sie mit seinen Worten zu sehr Bedrängt? Angst durchfloss seinen gesamten Körper. Warum schweigt sie plötzlich. Man, Johnny, du musst sie Fragen, ob du etwas Falsches gesagt hattest. Hoffentlich legt sie nicht auf, dachte er sich. Er wurde immer Panischer. Dann plötzlich, erklang ihre Stimme.
»Johnny, bist du noch dran?«, fragte Sheila ihn, während sie mit dem schnurlosen Telefon in Claudias Wohnstube auf und ab lief. Ja, auch sie war nun ein Nervenbündel geworden. Sie brachte deswegen keinen Ton mehr heraus, weil sie so glücklich über seine Worte war. Schlichtweg völlig hin und weg. Auch sie hatte Angst, dass, wenn sie ihn nun auch alles gestand, was ihr Herz und ihre Gefühle betrifft, dass es ihm vielleicht zu schnell ginge. Doch nach seiner Offenbarung, konnte sie schon davon ausgehen, dass er sie wirklich liebte. Sie hatte viele Anträge in Paris bekommen und diese Art Männer konnten nahezu jede Situation einer Frau abschätzen und für sich Nutzen. Jedoch war sie kein Anfänger mehr und fiel folglich auf bestimmte Männer, die im Endeffekt nur eines wollten, schon gar nicht erst herein. Es kommt auf die Art an, wie man es sagt. Ein Mann der sich zu zielsicher gibt, kann es am Ende nicht ernst meinen. Bei Johnny war es für Sheila ganz anders. Sie spürte regelrecht das Zittern in seiner Stimme. Und als sie sich das erste Mal im Zugabteil beim Einfahren im Stuttgarter Hauptbahnhof küssten, spürte sie sein innerliches Beben. Als würde in ihm und im nächsten Augenblick, ein Vulkan explodieren. Das, und da war sich Sheila einhundertprozent sicher, das könnte nicht mal der aufregendste und hübschester Machoprofi nachahmen. Das konnte man nicht auf Kommando vorspielen. Dessen war sie sich sicher.
»Johnny, du machst mich ziemlich nervös. Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll. Ich meine, was ich für dich empfinde. Ich kann dir nur eines sagen: Ich habe mich in dich verliebt. Auch ich möchte dich so bald wie möglich wieder sehen. Doch bitte ich dich um eines noch: Gib mir nur noch diesen einen Tag zum Nachdenken. Ich muss unser jetziges Gespräch erst einmal verarbeiten. Ich möchte mich für morgen vorbereiten. Geht das für dich in Ordnung?«, fragte sie ihn sanft.
»Man, wau, das ist ja ein Ding. Ich bin völlig fertig. Du liebst mich also, wirklich. Oh mein Gott, dass mir einmal soviel Glück zuteil wird. Ich bin Fassungslos. Natürlich kannst du darüber nachdenken. Ich verstehe dich sehr gut. Aber diese vielen Stunden bis morgen werden mir wie eine Ewigkeit vorkommen.«, gestand Johnny seiner neuen und großen Liebe.
»Mir geht es ebenso, Johnny. Ich schlage vor, dass ich zu dir komme, ich meine zu deiner Mimmi und dir. Natürlich nur, wenn es dir und deiner Großmutter recht ist. Du bist doch morgen noch bei deiner Großmutter? Oder hast du morgen keine Zeit?«, vergewisserte sie sich.
»Nein, nein, morgen halte ich mir immer frei. Entschuldige bitte, Sheila, ich meinte dass ich morgen den ganzen Tag Zeit für dich habe. Bis wann kommst du dann morgen?«, fragte er ganz aufgeregt.
»Also, wenn du mir die Adresse von deiner Großmutter nicht gibst, könnte ich mir vorstellen, dass es diesbezüglich in Sachen Uhrzeit und dem Ankommen, ich mir keinerlei Chancen einräume. «, wies sie komisch und doch in gekonnter und manierlicher Art hin.
»Oh, wie peinlich, verzeih.«, entschuldigte er sich. Anschließend gab er ihr die genaue Adresse seiner Großmutter und sogleich auch seine Anschrift und Telefonnummer in Nürnberg. Beide unterhielten sich noch eine ganze Weile.
»Peter, dann so gegen zehn Uhr?«, fragte sie noch einmal nach.«
»Ja, so gegen zehn Uhr. Ich freue mich schon riesig auf Morgen. Ich werde heute Nacht bestimmt kein Auge zumachen können.«, gestand Peter seiner Angebeteten.
»Ja, mir wird es auch nicht anders ergehen. Aber wir müssen versuchen zu schlafen, sonst wird aus dem morgigen Tag höchstwahrscheinlich eher eine Katastrophe, als ein Vergnügen?«, sagte Sheila im Lachen.
»Ja, da werde ich doch glatt vor meinem ersten Date mit dir ins Bett geschickt.«, wies Peter lachend zurück.
»Und du wirst dich brav daran halten?«, lächelte sie verzückt.«
»Ich werde mich hüten, diesem Befehl nicht Folge zu leisten.«, besiegelte er sein Versprechen mit Freuden.
Wie weggeblasen war die Angst. Ja, sie lachten und sie schmiedeten schon Pläne für den morgigen Tag. Und sie verabschiedeten sich auf eine zärtliche Art, auf die sich nur Verliebte verabschieden konnten. Schließlich legten beide nach Vereinbarung zeitgleich die Hörer wieder auf.



 Kapitel 6
© 2008 by Peter Althammer

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