Die Genesung
Fast eine Woche später:
Sheila hatte sich im Krankenhaus sehr gut erholt und
konnte deshalb schon nach vier Tagen entlassen werden. Die
körperlichen Wunden, die ihr zugefügt wurden, heilten sehr
rasch ab. Doch seelisch sah es nicht sehr gut in ihr aus. Zudem kam
noch eine Depression hinzu. Auf besonderen Wunsch ihrer Eltern hin,
blieb sie bis zu ihrer vollständigen Genesung auf dem
Familienanwesen. Sie und Johnny beabsichtigten, nach dieser Zeit eine
gemeinsame Wohnung hier in Stuttgart zu mieten. Dies hatte für
beide Seiten enorme Vorteile. Sheila konnte ihre Eltern viel öfter
besuchen kommen und das gleiche galt natürlich auch für
Johnny. Jonny wurde eine besondere Behandlung zuteil, denn bis Sheila
wieder gesund war, wurde er höchstpersönlich von ihren
Eltern, was natürlich Sheila und vor allem Claudia wunderte, auf
dem herrschaftlichen Anwesen eingeladen. Die Herrschaften hatten
bisher eine altmodische Ansicht, was das Übernachten mit Sheila,
ihrer Tochter, in ihrem Anwesen anging. Zum Beispiel konnte Karl zwar
auf Besuch kommen, musste jedoch, wenn der Abend hereinbrach, ins
Hotel gehen. Ob Sheila ihm folgte oder nicht, oblag in ihrem Ermessen.
Johnny bekam das Gästezimmer exakt gegenüber von Sheilas
Zimmer im linken Flügel. So brauchte er nur ein paar Schritte zu
gehen, um Sheila sehen zu können. Ein Tag nach dem anderen
verging für die beiden wie im Fluge. Johnny und Claudia, ja
selbst die Hausherrin persönlich, scharwenzelten ständig um
Sheila herum und lasen ihr jeden Wunsch von den Lippen ab. Der
Hauseigene Leibarzt, der ganz in der Nähe vom Anwesen eines von
den Herrschaften gestelltes Häuschen bewohnte, ordnete noch
zusätzlich zirka zwei Wochen Bettruhe an. Jedoch begriff Claudia
sehr schnell, dass dieser Wunsch eigentlich die Einflüsterung
bzw. das Siegel der Hausherrin trug.
Johnny verbrachte fast den gesamten Tag an Sheilas Bett.
Er las ihr viele Geschichten aus des Hausherrn Bibliothek vor. Sie
alberten herum und es verging keine Stunde, in der sie sich nicht
küssten. Sie bat ihn darum und er konnte nicht nein sagen. Er
war glücklich, mit ihr zusammen sein zu dürfen. Und es gab
Momente, wo Johnny sie etwas aufheitern konnte und ihr immer öfter
ein Lächeln entlocken konnte. Zudem studierten beide stundenlang
sämtliche Zeitungen nach einer geeigneten Mietwohnung, die sie
sich von einem der Dienstmädchen im örtlichen Kiosk
besorgen ließen. Die Projekt- und Anwaltskanzlei, die ihr der
langjährige Freund und Makler der Familie, Johann Schmidt,
in Aussicht stellte, verwarf sie nicht. In einem langen Gespräch
hatte Johnny nichts dagegen, wenn sich Sheila beruflich entfalten
würde. Im Gegenteil, er begrüßte es sogar.
Johnnys Kopf lag auf Sheilas Schoß, wo er
eingeschlafen war. Sie strich mit ihren Fingern der linken Hand durch
sein sehr kurzes Haar. Sanft begann sie, seine Schläfen zu
massieren. Er wurde wach und sah sie an.
Wie schön du doch bist, mein Engel. Ich weiß nicht,
ob ich jemals wieder ohne dich sein kann.«, sagte er und küsste
ihre rechte Hand.
Sie sah ihn an, doch irgendwie anders als sonst. Was ihn
natürlich etwas irritierte.
»Was, was ist, Sheila?«, fragte er ganz
verlegen geworden.
»Du wirst ja richtig rot im Gesicht. Wie putzig.«,
sagte sie und schmunzelte lieblich. Einen Augenblick lang, könnte
sie ihre große Liebe, sprichwörtlich auffressen. Sie
liebte ihn abgöttisch. Er hatte ihr das Leben gerettet und sie
wusste, dass er ihr Flehen, während sie in dieser dunklen Nacht
an dem Baum gefesselt war, irgendwie empfing. Sie begriff, dass er ihr
Licht war und in gewisser Weise eine Art Seelenverwandtschaft zwischen
ihnen bestehen musste.
*
Mimmi wusste von all dem vergangenem Geschehen nichts.
Sie saß, im vollen Eifer, Sir Peter von Pfefferberg im
Kartenspiel gegenüber. Dieses Mal stand es gut für Mimmi
und Sir Peter sollte in diesem Pokerspiel das Nachsehen haben. Was
Mimmi natürlich aufs Äußerste entzückte.
»Meine liebste Freundin, sie haben, wenn ich es
mir erlauben darf zu bemerken, heute ein glückliches Händchen,
nicht wahr?«, deutete er. Seine Gedanken jedoch waren von
Missgunst geprägt, was aber seine Liebe zu ihr nicht im
entferntesten schmälerte. Im Gegenteil, es fachte seine
Leidenschaft zu ihr noch weiter an.
»Und ich, mein Lieber, darf noch hinzufügen,
dass ich im Besitz von einem Gesamtwert an Chips, von insgesamt sechs
Euro und vierundzwanzig Cent bin. Und was sagt ihnen das, Sir
Peter von Pfefferberg?«, fragte sie ihren Mitstreiter.
»Nun, meine Liebe, wenn Sie das verlorene Spiel am
letzten Wochenende andeuten, ja, dann muss ich zu meinem größten
Bedauern feststellen, dass sie sich mit zwei Euro und vierundzwanzig
Cent in absoluter Führung befinden.«, stellte er fest.
Mimmi sah Sir Peter heute mit einem sonderbaren Blick
an, was ihrem Freund natürlich nicht entgangen war.
»Peter, weist du, wir sind irgendwie alle Gefangene
der Liebe, mehr oder weniger. Und weißt du noch etwas? Diejenigen
welche, die es begriffen haben, leiden am meisten darunter. Trotz
alledem ist immer etwas Verbleibendes in der Vergänglichkeit.
Peter, ich wünsche, nicht mehr leiden zu müssen. Du warst
mir stets ein guter und langjähriger Freund. Und ein noch
ehrbarerer Gentleman dazu. Doch, ach was soll es, komm her und küss
mich endlich, du alter Dummkopf.«, forderte Mimmi, und Sir Peter
hielt nichts mehr auf seinem Stuhl.
Sie stand auf und sie küssten sich so zärtlich,
dass dieser Kuss niemals eine Sünde hätte sein können.
Nach all diesen Jahren waren die beiden noch immer in
sich verliebt. Klar, es war eine eigene Art von Liebe, die mit der
eines jungen Paares nicht zu vergleichen war und sie trotzdem aneinander
brachte. Dennoch, für die beiden war es die wahre Liebe. Nach
dem die beiden Turteltauben ihren Hormonspiegel wieder etwas
reguliert hatten, gingen die beiden wieder in ihren alten Trott über
und begannen ein neues Spiel.
Kapitel 21
© 2008 by Peter Althammer
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