Lagrange-Punkte, Librationspunkte, der Erde (Erklärung)
Genau genommen sind sie Orte im leeren Weltraum, an denen ein Satellit die Sonne synchron zur Erde umkreisen kann, (fast) ohne Antriebsenergie zu brauchen. Natürlich kann man sich vorstellen, irgendwo auf der Erdbahn einen Satelliten zu platzieren, der genau so schnell wie die Erde fliegt, dann würde das auch eine Zeit lang gutgehen. Früher oder später würde er allerdings von der Erde durch ihre Schwerkraft "eingesammelt". An den fünf Lagrange-Punkten passiert das nicht, weil sich die Kräfte von Sonne und Erde dort so aufheben, dass der Satellit von der Erde aus gesehen an Ort und Stelle bleibt, allerdings nur fast. Ab und zu sind schon ein paar Korrekturen nötig, weil das Gleichgewicht der Kräfte von den anderen Planeten und vom Mond ein bisschen gestört wird.
Grundsätzlich sind Objekte an den Lagrange-Punkten L1, L2 und L3 in ihrer Lage instabiler als L4 und L5, deshalb werden Antriebsdüsen und Treibstoff benötigt, um die Teleskope in diesem Bereich zu halten. An den Punkten L4 und L5 bleiben zum Beispiel Asteroiden für lange Zeit. Große Asteroiden-Ansammlungen an diesen Punkten gibt es vor allem beim Jupiter. Man nennt sie Trojaner. Sie kreisen sogar um diese beiden Lagrange-Punkte, ohne wegzufliegen. Mittlerweile bezeichnet man alle ähnlichen Asteroiden auch bei anderen Planeten als Trojaner (Troianer). Die Erde begleitet der Trojaner-Asteroid
2010 TK7 am Punkt L4, das heißt, er fliegt ihr auf der Erdbahn in stets gleichem Abstand voraus. Er hat immerhin ca. 400 m Durchmesser.
Solar and Heliospheric Observatory SOHO
Am
Lagrange-Punkt L1, der sich zwischen Erde und Sonne befindet, wurde das Ende 1995 gestartete
Sonnen- und Heliosphären-Observatorium SOHO stationiert.
Das James-Webb-Weltraumteleskop
Der nächste dieser Librationspunkte, der Lagrange-Punkt L2, hat in letzter Zeit größere Bedeutung bekommen. Hier ist der Nachfolger des Weltraumteleskops Hubble, das
James Webb Weltraumteleskop, stationiert. Das Teleskop ist nach
James Edwin Webb benannt, der als Regierungsbeamter in der Zeit der Mondflug-Vorbereitungen Vorgesetzter der NASA war und 1992 starb. Am Lagrange-Punkt L2 befanden sich ab dem Jahr 2009 zwei Teleskope der ESA, das Infrarot-Teleskop Herschel und das Planck-Weltraumteleskop, ein Mikrowellen-Weltraumteleskop zur Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung. Beide sind inzwischen abgeschaltet und von dem Punkt entfernt.
Die Rotverschiebung
Im Gegensatz zum Hubble-Teleskop soll das James Webb Weltraumteleskop vor allem im Infrarot-Bereich beobachten. Es nutzt dabei infrarotes Licht mit Wellenlängen von 0,6–28 μm, also praktisch unsichtbare Wärmestrahlung und soll wesentlich genauere Informationen liefern als Hubble. Neben großen Entfernungen will man damit auch in die Vergangenheit blicken.
Von dort wirkt sich immer mehr die
Rotverschiebung aus. Je weiter Objekte von uns entfernt sind, um so schneller entfernen sie sich auch von uns, so dass durch den Doppler-Effekt von ihnen ausgesandtes sichtbares Licht in den Infrarot-Bereich verschoben wird. Diesen Zusammenhang entdeckte
Edwin Hubble im Jahr 1929. Für
schöne Fotos muss also die Rotverschiebung wieder herausgerechnet werden. Die ersten Bilder sind sensationell, mit einer bis zum Zehnfachen größeren Auflösung als Hubble. Man hofft sogar, mit dem James Webb Teleskop eines Tages Exoplaneten direkt abbilden zu können.
Das Euclid Weltraumteleskop
Ein weiteres Teleskop hat Mitte 2023 den Lagrange-Punkt L2 erreicht. Es sollte erst von Kourou aus mit einer Sojus-Rakete gestartet werden. Wegen des Russland-Ukraine-Krieges war das nicht möglich, so dass schließlich eine Falcon-9-Rakete von SpaceX einsprang.
Im Gegensatz zum James-Webb-Weltraumteleskop hat das Euclid Weltraumteleskop eine geringere Brennweite und kann deshalb einen großen Bereich des Weltraumes abbilden. Einfach ausgedrückt schaut das James-Webb sehr genau auf einen Punkt, während Euclid hochauflösende Panorama-Aufnahmen macht. Seine zwei optischen Instrumente können im sichtbaren Licht und Infrarotlicht Milliarden Galaxien erfassen. Dadurch erhofft man sich Erkenntnisse über die Verteilung der Dunklen Materie und deren Einfluss auf die Ausdehnung des Universums. Auch Änderungen oder Wechselwirkungen zwischen normaler und dunkler Materie sollen erforscht werden. Dazu wird das Euclid Weltraumteleskop sehr große Datenmengen zur Erde schicken, deren Auswertung lange Zeit in Anspruch nehmen wird. Vielleicht kann dabei eines Tages die
Künstliche Intelligenz helfen, wenn sie gelernt hat, wie das geht.
Der Lagrange-Punkt L2
Im Gegensatz zur Erdumlaufbahn, welche das Hubble Teleskop benutzt, hat der Lagrange-Punkt L2 den Vorteil, dass es hier viel leichter ist, das Teleskop der Erde und damit auch der Sonne immer die gleiche Seite zuwenden zu lassen. Unregelmäßigkeiten der Gravitation sind hier wesentlich geringer als in der Erdbahn. Man muss das wohl als Rückseite des Erde-Mond-Systems bezeichnen. Die empfindlichen Instrumente zur Weltraum-Beobachtung sind von uns und damit auch von der Sonne immer abgewandt und durch einen Schutzschild getrennt, wodurch sie vor dem aggressiven Sonnenwind und der Wärmestrahlung der Sonne geschützt sind. Damit auch die eigene Wärmestrahlung die Messungen nicht beeinträchtigt, müssen die Instrumente nämlich auf ca. minus 258 °C gekühlt werden. Während der Umlaufzeit um die Sonne von einem Jahr kann das James Webb dann nach außen in aller Ruhe den gesamten Himmel beobachten.
Der Nachteil ist, dass eine Reparatur durch Menschen, wie beim Hubble-Teleskop, wegen der großen Entfernung von 1,5 Millionen Kilometern wohl kaum in Frage kommt. Sie wäre zu aufwändig. Zum Vergleich ist unser Mond "nur" 380 000 km entfernt und das Hubble-Teleskop in seiner Umlaufbahn nur knapp 550 km über der Erdoberfläche.
Oft liest man, dass sich der Lagrange-Punkt L2 im Erdschatten befände. Auf Skizzen sieht das logisch aus, Zeichnungen können jedoch nicht maßstabsgetreu in Größe
und Entfernung sein. Durch die große Entfernung der Erde von 1,5 Millionen Kilometern ist sie vom Teleskop aus gesehen nur noch ein Punkt. Außerdem kreist das Teleskop ja um den Punkt L2 auf einer Bahn, deren Durchmesser fast dem der Mondbahn um die Erde entspricht. Die Umlaufzeit beträgt ca. ein halbes Jahr. Diese Bahnen um ein "Nichts" verlaufen nicht immer auf der gleichen Linie, sondern variieren, deshalb nennt man sie auch
Halo-Orbits. Die Sonnenstrahlung ist auch für die Stromversorgung des Teleskops mit Solarzellen erforderlich. Sie bringen eine Leistung von 2 Kilowatt, was etwa einem elektrischen Heizlüfter entspricht.