Dits et Ecrits. Schriften, 4 Bde., Ln, Bd.1, 1954-1969.Michel Foucault
Gebundene Ausgabe
1982, zwei Jahre vor seinem Tod, hatte Michel Foucault für den Fall, dass ihm auf einer bevorstehenden Polenreise ein Unfall zustieße, sein Testament verfasst. Es fanden sich darin genau drei Willensbekundungen, darunter die Verfügung: " Keine posthume Veröffentlichung. " Von diesem Vermächtnis erfährt man in der 1994 begonnenen, vierbändigen Edition < I> Dits et Ecrits, die dennoch keine posthume Veröffentlichung darstellt. Denn die dankenswerter Weise in ihr - mit Ausnahme der Bücher - versammelten Schriften, also Vorträge, Vorworte, Einführungen, Gespräche, Aufsätze und Vorlesungen, wurden alle schon einmal zu Lebzeiten des Philosophen publiziert. < P> Wie der vorangestellten Zeittafel zu entnehmen ist, waren die eineinhalb Jahrzehnte von 1954 bis 1969, die der erste Band umfasst, die Periode, in der sich Foucault vom Kulturfunktionär, der diversen französischen Kulturinstituten im Ausland vorstand, zum " Mandarin der Stunde" (wie der Philosoph George Steiner spottete) entwickelte. 1966 war nämlich < I> Les mots et les choses erschienen, das Buch, das seinen Ruf als Antihumanist begründete. Die These von der Zersetzung des Subjekts findet sich auf geradezu paradigmatische Weise in der berühmten Schlusswendung von < I> Die Ordnung der Dinge ( A S I N 3518276964), in der Foucault vom Menschen als einer Erfindung jungen Datums spricht, dessen baldiges Ende durchaus denkbar sei. Klar, dass Foucault damit einen Sturm der Entrüstung hervorrief. Denn wenn die Dispositionen des Wissens, so wie sie erschienen, wieder verschwinden (und dafür trat er mit seiner Kritik an den Geistes- und Sozialwissenschaften ein, die er 1969 als Archäologie des Wissens veröffentlichte), "dann kann man sehr wohl wetten, dass der Mensch verschwindet wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand". < P> Es wundert nicht, dass der Band im Jahr 1966 also gleich sechs Gespräche verzeichnet, in denen sich Foucault bemüht, seinen so genannten Antihumanismus zu erklären. " Ist der Mensch tot? " fragt einer der Gesprächspartner - und Foucaults Polemik, dass "all die blassen Gestalten unserer Kultur" Moral nur deshalb entdecken, "weil man den Menschen zum möglichen Objekt wissenschaftlicher Erkenntnis gemacht hat" scheint heute wieder höchst aktuell. Anlässlich der Debatte über die Embryonenforschung, wo sich das doch sehr mäßige Niveau des moralphilosophischen Diskurses erneut zeigt. < P> Dem Vorwurf nur "kalter Systematiker" zu sein, wenn er die Unterwerfung des Menschen unter ihm vorausgehende Regel-, insbesondere Zeichensysteme aufzeigt, begegnet er mit dem Begriff der Leidenschaft. Seien die Schriftsteller, wie de Sade und Nietzsche, die tatsächlich " Schlechtes über den Menschen gesagt" hätten, fragt Foucault, nicht gleichzeitig die leidenschaftlichsten Schriftsteller, die uns am besten gefallen? Er jedenfalls war, das zeigt der nun auf Deutsch publizierte erste Band seiner kleineren Schriften, ein leidenschaftlicher, rastloser Denker, Essayist und Gesprächspartner, der fasziniert; sogar ein leidenschaftlicher Autofahrer, ein rastloser Dandy, der mit seinem Jaguar die europäischen Straßen zwischen Uppsala, Warschau, Hamburg und Paris unsicher machte. < I>-Brigitte Werneburg
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