Wir sind Erinnerung: Gedächtnis und PersönlichkeitDaniel L Schacter
Gebundene Ausgabe
Wenn ein Professor eine wissenschaftliche Abhandlung veröffentlicht, erwartet wohl kaum jemand, daß die Lektüre ein Vergnügen sein könnte. Daniel Schacter lehrt Psychologie an der Harvard Universität und sein neuestes Werk wird zu Recht sowohl für den Inhalt als auch für die verständliche Darstellung mit höchstem Lob bedacht. So äußert sich etwa der Neurologe und Bestsellerautor Oliver Sacks mit den Worten "ein gewichtiges Buch, zugleich ein Lesevergnügen". Der Originaltitel Searching for Memory. The Brain, the Mind and the Past klingt allerdings ziemlich akademisch, weshalb der Verlag gut daran tat, für die deutsche Übersetzung eine völlig neue Überschrift zu wählen. Die Formulierung < I> Wir sind Erinnerung hebt hervor, wie sehr einerseits persönliche Faktoren den Vorgang des Erinnerns mitbestimmen und wie andererseits das Gedächtnis auch die Grundlage für unser Selbstverständnis bildet. Ein Patient, dem nach einer Kopfverletzung wertvolle Erinnerungen fehlten, klagte immer wieder: " Ich kann mein Leben nicht mehr überblicken. " Bis vor kurzem wurde das Gedächtnis von drei weitgehend getrennt arbeitenden Disziplinen erforscht: Die Kognitive Psychologie führte meist unter Laborbedingungen raffiniert ausgeklügelte Lernexeperimente durch, die Psychiatrie war mit krankheitsbedingten Ausfallerscheinungen konfrontiert und die Neurologie untersuchte vor allem die biologischen Grundlagen des Gehirns. Professor Schacter hat in den letzten zwanzig Jahren maßgeblich daran mitgearbeitet, diese drei Forschungsrichtungen zu verbinden, wodurch sich eine faszinierende Gesamtschau ergibt. Die großenteils überraschenden Befunde und Schlußfolgerungen werden in einfacher, klarer Sprache vorgestellt, oft anhand von Fallgeschichten spannend erzählt und gelegentlich sogar durch kleine, praktische Übungen erlebbar gemacht. Der Anschaulichkeit dienen insbesondere auch die ausführlichen Beispiele aus Kunst und Literatur. Dabei wird u. a. aufgezeigt, wie hellsichtig Marcel Proust wissenschaftliche Erkenntnisse um mehr als ein halbes Jahrhundert vorweggenommen hat. < I>-Stephan Schmidt
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