Göttliche Stimmen: Lebensberichte berühmter Sängerinnen. Von Elisabeth Mara bis Maria Callas (insel taschenbuch)Taschenbuch
Sechs berühmte Sängerinnen, die zwischen 1749 und 1993 gelebt haben, erzählen von sich und ihrer Kunst; die Texte sind Auszüge aus autobiografischen Schriften, ausgewählt und zusammengestellt von Monica Steegmann und Eva Rieger, die zudem im Vor- und Nachwort in die Materie einführen bzw. interessante Ausblicke liefern. Ein umfangreiches Register erschließt das Büchlein zudem für die gezielte Recherche, und Literaturangaben regen zur weiteren Beschäftigung an. < P> Für die meisten Leser ist es sicherlich eine Binsenweisheit, dass sich hinter dem scheinbar so glanzvollen Divendasein nicht nur harte Arbeit, sondern auch enormer psychischer Druck verbirgt. Welcher Art solche Probleme sind, erfährt man in eindrucksvoller Weise von den Sängerinnen selbst: Die Irin Mary Garden, als Muse Debussys und als dessen erste " Mélisande" unsterblich geworden, berichtet ganz unvermittelt in lapidarem Tonfall von ihrem Verzicht auf erotische Abenteuer, ernsthafte Liebesbeziehungen und Essgenüsse; so wie sie darüber redet, scheinen auch entsprechende Bedürfnisse vollkommen gefehlt zu haben, aber dennoch lässt einen dieses nüchterne Bekenntnis erschauern. < P> Die große norwegische Wagnersängerin Kirsten Flagstad wollte zunächst gar nicht wirklich Sängerin werden, aber immer wieder durchkreuzte das Schicksal ihre demgemäß gefassten Entschlüsse - zweifellos ein großes Glück für ihr Publikum. Wirklich zu leiden hatte sie allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg, als man in Amerika ihre Auftritte mit allen Mitteln zu sabotieren versuchte, weil ihr inzwischen verstorbener Mann zu Beginn des Krieges einer nazifreundlichen norwegischen Partei angehört hatte. Ähnliche Prüfungen hatte aus ganz anderen Gründen Marian Anderson zu erdulden: Sie wurde auf Grund ihrer schwarzen Hautfarbe in ihrer amerikanischen Heimat gepeinigt und gedemütigt, brachte es in fortgeschrittenem Alter allerdings als erste Farbige zu einer Rolle an der Met. < P> Weitaus entfernter von unserer heutigen Realität und auch schwieriger zu lesen, aber darum keineswegs weniger fesselnd, sind die Lebensberichte von Gertrud Elisabeth Mara (1749-1833) und Agnese Schebest (1813-1869): Die beiden Damen verkörpern bedeutende Fortschritte auf dem Weg zu einem freien und selbstständigen weiblichen Künstlertum; die ganz neue Problematik der weiblichen Doppelrolle zwischen Karriere und Familie spiegelt sich hier ebenso wider wie der Prozess der Selbstdefinition in einer für unser Verständnis sehr weit entfernten Gesellschaftsordnung. < P> An letzter Stelle steht in diesem Buch die große Maria Callas. Ihre Äußerungen machen vor dem Hintergrund der Berichte anderer über diese Sängerin vielleicht am stärksten die subjektive Einfärbung deutlich, aber gleichzeitig regt sich beim Leser Verständnis für die eine oder andere angebliche Skandalgeschichte, die mit dem Namen Callas verbunden ist: Hohe künstlerische Potenz schützt keineswegs vor harscher Kritik auf niedrigster Ebene, sondern scheint vielmehr unglaublichstes Ränkespiel und Intrigantentum geradezu zu provozieren. < I>-Michael Wersin
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