Geschichte der PsychiatrieEdward Shorter
Gebundene Ausgabe
Die Psychiatrie ist eine junge Disziplin, ihre kurze Geschichte war dennoch recht bewegt: Von ersten Heilanstalten Ende des 18. Jahrhunderts, in denen man zumindest den Anspruch hatte, Geisteskranke nicht nur zu verwahren, über Aufstieg und Niedergang der Psychoanalyse als dominierendem Therapieansatz bis zur " Medikamentenrevolution" unserer Tage. Die seit den Anfängen der Psychiatrie tobenden Grabenkämpfe, ob Geisteskrankheiten nun organische oder psychische Ursachen haben, gehören für Edward Shorter der Vergangenheit an. Sigmund Freuds Unbewußtes als Ausgangspunkt aller Seelenkonflikte hat in der Psychatrie ausgedient. " Der biologische Denkansatz, der psychische Krankheit als Störung der Hirnchemie betrachtet, hat sich als überwältigender Erfolg erwiesen". Und ebenso deutlich widerspricht Shorter auch linken Intellektuellen wie Michel Foucault, die jede Form von Psychiatrie verteufeln, für die Geisteskrankheit eine bloße Erfindung der "herrschenden Klasse" ist, um unbequeme Individuen wegsperren zu können. Doch auch wenn Wahnsinn kein gesellschaftliches Konstrukt ist, zeigt diese weitgespannte Darstellung der Psychiatriegeschichte eines sehr eindrücklich: Daß der Umgang mit Geisteskrankheit stets stark kulturell geprägt war. So sprach man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts statt vom " Irrsein" plötzlich nur noch von "den Nerven"; das wohlhabende Bürgertum mied die Irrenanstalten, strömte stattdessen in die allerorts neu entstandenen Kurbäder. Und heutzutage hat sich der Begriff der psychischen Erkrankung so weit aufgeweicht, daß man selbst jenen seelischen Eintrübungen, die das moderne Leben so mit sich bringt, mit diversen Medikamenten und Psychotherapien zu Leibe rückt. Jedenfalls ist Geschichte der Psychiatrie keineswegs ein trockenes Fachbuch, sondern eine lebendig erzählte und großangelegte Kulturgeschichte seelischer Erkrankungen und wie unsere Gesellschaft diesen begegnet. < I>-Christian Stahl
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