Sophies Entscheidung. Roman.William Styron
Taschenbuch
Ist es möglich, in einem Leben noch ein Leben zu beginnen, wenn das Schicksal einer armen Kreatur schon einmal alles entriß und scheinbar nur vergaß, ihr auch den Atem anzuhalten? So ein Mensch lebt weiter, über den Moment hinaus, in dem der letzte Atemzug tröstend und erlösend gewesen wäre. Der Tod löscht unerträgliche Erinnerungen für immer aus. Doch wie lebt man mit unerträglichen Erinnerungen weiter? Man kann sie aus dem Bewußtsein tilgen, doch sie treiben im Verborgenen ihr Unwesen und sind immer bestrebt, jedes neu begonnene Leben wieder zu zerstören. < P> Wie ein heulender Sturm fegen die Ereignisse über die junge Polin Sophie hinweg, zertrümmern ihr Heim, ihre Träume und töten die Menschen, die ihr Leben ausmachen. Sophie ist eins jener Opfer, die den Holokaust überlebt haben. Bei der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz findet man sie halb verhungert und von mehreren Infektionskrankheiten fast aufgezehrt in den Baracken der Häftlinge und hält sie zunächst für tot. Jemand bemerkt, daß sie noch lebt und sie wird zusammen mit anderen Überlebenden nach Schweden gebracht, wo man ihre Gesundheit dürftig wieder herstellt. Sophie siedelt nach Amerika über. Dort trifft sie Nathan, einen ungewöhnlichen, überdurchschnittlich intelligenten und unberechenbaren Mann, der sich in einem Notfall ihrer annimmt und dafür sorgt, daß sich ihre gefährlich angeschlagene Gesundheit wieder stabilisiert. < P> Eine leidenschaftliche, fast bedenkliche Liebe entspinnt sich zwischen den beiden. Sie legt ihr wiedererrungenes Leben in seine Hände und beschließt, über ihre Vergangenheit für immer zu schweigen. Auch Nathan ist schwer zu durchschauen und gibt merkwürdige Rätsel auf, die sich erst am Ende des Buches in ungeahnter Weise auflösen. Seine herzergreifende Liebe zu Sophie, seine Fürsorglichkeit, die mitreißende Redegewandtheit und sein umfassendes Wissen, sein Charme und seine großen Gesten machen ihn liebenswert, doch es gibt eine dunkle Seite an ihm, die hin und wieder aus heiterem Himmel unkontrollierte Zornesausbrüche und ungerechtfertigte Eifersuchtsanfälle verursacht, die sich hauptsächlich gegen Sophie richten, aber auch gegen Stingo, einem einsamen und etwas orientierungslosen jungen Mann, der sich um die Schriftstellerei bemüht und der in Sophie und Nathan endlich Freunde gefunden hat. < P> Stingo, der hoffnungslos in Sophie verliebt ist, Sophie, die nur für Nathan lebt und Nathan, der durch seine unkontrollierbaren Tobsuchtsanfälle Liebe und Freundschaft immer wieder in Frage stellt, bewegen sich eng ineinander verstrickt die ganze Geschichte hindurch an einem finsteren Abgrund entlang. < P> Das Ende der Geschichte bricht erwartet und doch unerwartet über den Leser herein. Es ist Fiasko und Erlösung zugleich. Trotz der vielen erschreckenden Ereignisse, die sich in diesem Erzählwerk jagen, verzaubern die glücklichen Augenblicke der Liebe zwischen den Romanhelden und es gibt einige Episoden, wie z. B. Stingos sexuelle Abenteuer, die durch ihre Seltsamkeit amüsieren. Bei Styron geschieht auf Schritt und Tritt Unglaubliches. Doch wovon man lange nicht loskommt, ist Sophies Entscheidung, eine Wahl, die einen Menschen zerreißen muß, wenn er vor sie gestellt wird. < P> Styrons Buch erklimmt schwindelnde Höhen des menschlichen Daseins und lotet seine tiefsten und schmutzigsten Niederungen aus. Es ist kein seichtes Buch und auch keins für schwache Nerven. Die Spannung, die der Autor das ganze Buch hindurch aufrecht zu erhalten versteht, läßt dem Leser kaum eine Atempause. Ein Buch von Liebe, Laster, Leid, Tod und Auferstehung in seinen ausgeprägtesten Formen. < I>-Daphne Großmann
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