Frauen im Gulag: Alltag und Überleben 1935 bis 1956Meinhard Stark
Gebundene Ausgabe
Anlässlich des 50. Todestages von Josef Stalin häufen sich die Publikationen, die sich mit den Verbrechen seiner Terror-Herrschaft auseinandersetzen, die mindestens 15 Millionen Menschen Lagerhaft und Verbannung einbrachte: Jeder Fünfte starb. Einen gar nicht hoch genug einzuschätzenden Beitrag zur Aufarbeitung dieses wohl schrecklichsten Kapitels der ohnehin an Grauen vollen Geschichte Russlands liefert dazu Meinhard Stark. Anknüpfend an sein 1999 erschienenes Buch Ich muß sagen, wie es war in dem es um das Schicksal deutscher Frauen im Gulag geht, hat er zum Abschluss seiner zehnjährigen Forschungsarbeit nun eine Arbeit vorgelegt, die erstmals umfassend das unmenschliche Leid dokumentiert, das die schätzungsweise fast vier Millionen Frauen und Mädchen in den stalinistischen Internierungslagern und den Jahren danach erdulden mussten. < P> Neben Material aus sowjetischen Archiven stützt sich die Studie im Wesentlichen auf die mündlichen und schriftlichen Erinnerungen von 91 Überlebenden - aus aller Herren Länder stammende Frauen, überwiegend Angehörige der Mittelschicht, die im Zuge der periodischen Proskriptionen willkürlich als "konterrevolutionäre oder sozialgefährliche Elemente" zu " Volksfeinden" erklärt oder schlicht in Sippenhaft mit ihren Männern nach Sibirien deportiert wurden, wo sie schon unterwegs die Hölle auf Erden erlebten. Zur flexibel einsetzbaren "menschlichen Ressource" degradiert, mussten sie sich dann teilweise Jahrzehnte lang als Zwangsarbeiterinnen in den unwirtlichsten Regionen unter widrigsten Umständen im Berg-, Eisenbahn- und Straßenbau, auf dem Feld und im Wald abschuften. Erschreckendes Ergebnis: ein Heer geschlechtslos gewordener Arbeitssklavinnen in gesteppten Hosen, mit Fußlappen und tief ins Gesicht gezogenen Ohrenmützen, ihre ziegelroten, von schwarzen Frostbeulen bedeckten Gesichter bis zu den Augen in undefinierbare Lumpen gehüllt, wie eine Ehemalige ihre ersten Eindrücke als Neuankömmling beschreibt. < P> Aus ihrer Lebenswelt gerissen, wurden die Frauen einem ausgeklügelten System von Menschenverachtung, Brutalität und Vereinzelung unterworfen, in dem für nicht wenige das Leben unerträglich und das Leiden sinnlos werden musste, resümiert Meinhard Stark. Mit seinem erschütternden Oral-History-Projekt haucht er toter Opferstatistik Leben ein. So muss Geschichtsschreibung sein! < I>-Roland Detsch
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