Der Geschichtsfälscher: Holocaust und historische Wahrheit im David-Irving-ProzessRichard J. Evans
Taschenbuch
Natürlich geht es - trotz der Beteuerungen des Autors, dieses Buch habe die schlichte Frage zum Gegenstand, ob David Irving historische Quellen gefälscht habe oder nicht - um mehr: Es geht um das Selbstverständnis und die Gedankenwelt dieses englischen Schriftstellers, der erst durch die Distanzierung der seriösen Historikerzunft die Märtyrerrolle annehmen konnte, welche ihn zu einem gern gesehenen Gastredner bei Veranstaltungen rechtsextremer Parteien in vielen Ländern Europas werden ließ. < P> Die amerikanische Historikerin Deborah Lipstadt hatte in ihrem 1993 erstmals erschienenen Buch Denying the Holocaust: The Growing Assault on Truth and Memory Irving vorgeworfen, er hätte Quellen gefälscht oder bewusst ausgeblendet, um seine Sicht der nationalsozialistischen Geschichte, vor allem die verharmlosende Beurteilung ihrer Protagonisten, abzustützen. " Die Leugnung historischer Tatsachen, " so Lipstadt, "ist das Ergebnis einer politischen Voreingenommenheit und eines politischen Extremismus, die in der Welt der historischen Forschung keinen Platz haben. " Irving sei "einer der gefährlichsten Wortführer der Holocaust-Leugnung. " Eine seiner Thesen bestand in der Tat darin, Hitler hätte bis 1943 vom Holocaust nichts gewusst und anschließend versucht, die schlimmsten Auswüchse zu verhindern. Im darauf folgenden Verleumdungsprozess zwischen dem Ankläger Irving und der Beklagten Lipstadt fiel Richard J. Evans, Geschichtswissenschaftler an der Universität Cambridge, die Rolle eines Hauptgutachters der Verteidigung zu, wobei er sich der Frage nach der historischen Objektivität anzunehmen hatte. < P> Akribisch geht Evans das Thema an, am Ende steht ein über 700 Seiten umfassendes Gutachten und der eindeutige Beweis für den recht "freizügigen" Umgang Irvings mit historischem Quellenmaterial. Das Buch beruht in weiten Teilen auf dem Text des Gutachtens, was der Lesbarkeit aber keinesfalls schadet. Evans eröffnet einen profunden Einblick in die "jüdische Weltverschwörungstheorie" Irvings, in seine Selbststilisierung als Historiker-Desperado und in seinen bedenklichen Umgang mit historischen Quellen. Dieses Buch verdeutlicht eindringlich die Notwendigkeit, Geschichtsverklärung und -klitterung an den Pranger zu stellen - und zwar nicht nur, wenn sie ideologischen Zielen dient, sondern prinzipiell. < I>-Dr. Manfred Schwarzmeier
|