Ludwig Bechstein
Alten Märchen zufolge kann man Gevatter Tod am besten in einem Birnbaum fangen. So wie die heute bekannteren Gebrüder Grimm, die um Hanau, im Gebiet von Rhein und Main, und in Kassel, Göttingen und Berlin Märchen aufschrieben, sammelte auch Ludwig Bechstein deutsche Volksmärchen. Er hatte Philosophie, Geschichte und Literatur in Leipzig und München studiert und seine Sammlungen von Volksdichtungen sollten auch der nationalen Einheit Deutschlands dienen, das es damals als Nationalstaat noch nicht gab. In Kapitel 6 seines Märchenbuches schreibt er die Geschichte
Der Schmied von Jüterbogk.
Dieser war kaiserlicher Rüstmeister unter Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) und hatte ein Mittel gefunden, mit dem sich jede Rüstung hart und undurchdringlich machen ließ. Als er eines Tages unter einem alten Birnbaum in seinem Garten saß, kam ein kleines graues Männlein und bat ihn, seinen Esel zu beschlagen. Da es ihm schon früher einen Gefallen getan hatte, beschlug er den Esel und beherbergte den grauen Gast. Zum Dank bot das Männlein an,
ihm drei Wünsche zu erfüllen, dabei aber das Beste nicht zu vergessen! Da oft Birnen gestohlen wurden, wünschte er sich als ersten Wunsch, dass jemand, der auf den Birnbaum gestiegen ist, ohne seinen Willen nicht wieder herunter kommen könnte. Als zweiten Wunsch, dass keiner ohne seine Erlaubnis in die Stube kommen könnte, außer durch das Schlüsselloch.
Auf die Mahnung des Männleins, »Vergiß das Beste nicht!«, sprach er »Das Beste ist ein guter Schnaps, so wünsche ich, daß diese Flasche niemals leer werde!« Das Männlein erfüllte ihm seine Wünsche, und weil sie so bescheiden waren, strich es über Eisenstangen, die in der Schmiede lagen, und sie verwandelten sich augenblicklich in Silber. Und die Schnapsflasche enthielt ein Lebenselixier, das dem Schmied zu langem Leben verhalf.
Als dann eines Tages doch der Tod anklopfte, bat der Schmied ihn, zum Schluss noch ein paar Birnen vom Baum zu holen als Wegzehrung ins Jenseits, da er selbst aufgrund seines Alters nicht mehr hinaufsteigen könne. Der Tod konnte nicht mehr herunter und aß nach und nach alle Birnen, dann vor lauter Hunger sich selbst bis auf die Knochen. Deshalb ist er seitdem nur noch ein dürres Gerippe.
Auf der Erde entstand jedoch viel Unheil, da kein Mensch und kein Tier mehr starb. Deshalb ließ der Schmied ihn eines Tages herunter, unter der Bedingung, dass er ihm selbst nichts antun würde. Daran hielt er sich auch, hetzte ihm jedoch den Teufel auf den Hals. Als der Schmied den schwefligen Geruch wahrnahm, sperrte er sich im Haus ein und hielt einen ledernen Sack ans Schlüsselloch. Als der Teufel hineinfuhr, band der Schmied schnell den Sack zu, ging zum Amboss und haute mit aller Kraft darauf, bis der Teufel ihm versprach, ihn für immer in Ruhe zu lassen.
Kaiser Friedrich Barbarossa am Kyffhäuser-Denkmal
Als jedoch alle Freunde und Bekannten des Schmieds gestorben waren, wurde er langsam des Lebens überdrüssig. So bestieg er die Himmelsleiter und klopfte an die Himmelstür. Der Heilige Petrus wies ihn jedoch ab, da er bei seinen Wünschen das Beste vergessen hatte, nämlich die Seligkeit. Daraufhin wanderte er einen breiten, viel begangenen Weg abwärts in die Hölle. Nachdem Satan ihm jedoch auch das Höllentor vor der Nase zugeschlagen hatte, stieg er hinab in den Kyffhäuser zu seinem ehemaligen Herrn,
➜ Kaiser Friedrich Barbarossa, der sich über sein Kommen freute. Dort dient er nun seinem Kaiser als Hufschmied, bis die Raben nicht mehr um den Kyffhäuser fliegen, alle erlöst werden und die ewige Ruhe finden. Dann wird auch ein alter verdorrter Birnbaum wieder ausschlagen, der auf dem Ratsfeld beim Kyffhäuser steht.
Aus der alten Geschichte, die ihren Ursprung in Frankreich haben soll, machte der schwäbische Mundart-Dichter Manfred Eichhorn eine
philosophische Komödie in vier Akten, die an vielen Theatern gerne gespielt wird. Darin werden allerdings dem bescheidenen Gottlieb Scheiffele drei Wünsche von einem Mädchen gewährt, das er aus einem reißenden Bach gerettet hatte, als er die von einem Gewitter beschädigte Brücke reparieren wollte. Durch ähnliche Wünsche bringt Gottlieb die weltliche Ordnung durcheinander und der Heilige Petrus, der Heilige Antonius, Dr. Faust, Justitia und Luzifer samt seiner Großmutter beschließen, zu erkunden, was da auf der Erde passiert sein könnte …