Verschwörungstheorien, Wandermärchen,
Moderne Mythen, Urbane Legenden,
Moderne Sagen, Großstadtlegenden, Fake News

Was nützt ein Geheimnis, wenn man es niemandem erzählen kann!

Fällt in einer Gruppe der Satz »Ich erzähle euch ein Geheimnis!«, ist dem Erzähler die Aufmerksamkeit gewiss. Er kommt sich wichtig vor. Doch was macht man, wenn man gar kein Geheimnis kennt?

Klar, man denkt sich eins aus!
Geheimnisse - Gemälde von Karl Witkowski
Früher nannte man so etwas Ammenmärchen oder Schauermärchen, was man alles unter all diesen Begriffen vereint, darüber kann man heftig streiten. Viele Menschen glauben eben lieber etwas Geheimnisvolles oder gruseliges, als eine einfache Erklärung zu akzeptieren. Das wäre ja langweilig. Die mit den einfachen Erklärungen sind die Verschwörer, Abwiegler, die uns Sand in die Augen streuen wollen, obwohl die esoterischen Erklärungen doch klar vor Augen liegen. Diese Neigung gibt es weltweit. Die Resultate werden von Psychologen, Soziologen etc. als Verschwörungstheorien, Wandermärchen, Moderne Mythen oder Urbane Legenden bezeichnet.

Den Menschen in der Antike oder sogar den Naturvölkern blieb jedoch gar nichts anderes übrig. Sie kannten keine wissenschaftlichen, profanen Erklärungen, so haben sie natürliche Phänomene, die sie nicht erklären konnten, mystifiziert, also Götter erfunden. Nun kann man auf diese "primitiven" Ureinwohner herunterschauen, und behaupten, wir wüssten das heute alles besser und mit unserer modernen Wissenschaft ließe sich fast alles erklären. Warum tauchen trotzdem auch heute noch immer wieder Geschichten auf, die einfache offensichtliche Erklärungen in Frage stellen und mystische esoterische Behauptungen aufstellen?

Legendenbildung

Warum wollen die Leute es glauben?
Vernünftige oder gar wissenschaftliche Erklärungen sind eben langweilig!

Nehmen wir als erstes Beispiel mal
ganz leicht zu durchschauende Bilder:
Gravitationsanomalie auf dem Kornberg im Fichtelgebirge
Zerstörerische tektonische Kräfte unter San Francisco Hier muss man nicht lange überlegen,
um den Trick zu durchschauen:


Natürlich hat oben die Fotografin die Kamera nicht waagrecht, sondern parallel zur Skiabfahrt gehalten, und ich hab mich halt an den Baum gelehnt, um etwa den gleichen Winkel zu erreichen. Den gleichen Effekt nutzte ich bei dem Bild rechts, indem ich meine Tochter in  San Francisco mit schräg und parallel zur steilen Straße gehaltener Kamera fotografierte.

Daraus wird höchstens ein Running Gag werden, keine esoterische Legende. Es ist einfach zu offensichtlich. Aber wäre es nicht viel interessanter und gruseliger, tief im Granit des  Kornbergs im Fichtelgebirge etwas geheimnisvolles zu vermuten, das die Bäume schräg wachsen lässt? Oder unter San Francisco zerstörerische tektonische Kräfte, die die Häuser im Boden versinken lässt? Schön gruselig, oder? Bad news are good news, alles andere ist langweilig.

Doch wenden wir uns nun
nicht so leicht zu durchschauenden Phänomenen zu:

Gravitationsanomalien

Auch ohne Foto-Trick entstehen solche Täuschungen: Fährt man zum Beispiel auf einer nur sehr leicht ansteigenden Straße, die in Sichtweite stark an Steigung zunimmt, hat man den Eindruck, man würde bergab fahren. Vielerorts, wie zum Beispiel am Albaner See bei Rom, wird das Bustouristen vorgeführt, indem der Busfahrer anhält, den Motor ausmacht und die Bremse löst. Nachdem entgegen der Erwartungen der Bus rückwärts rollt, werden mit den Worten »Sehen Sie, hier rollen die Fahrzeuge bergauf!« mystische Gravitationsanomalien und andere geheimnisvolle Einwirkungen beschworen. Obwohl es sich tatsächlich um eine optische Täuschung handelt, verbreiten sich diese Geschichten von  geheimnisvollen Kräften im Untergrund legendenartig.

Wägung des Herzens, der Seele im Totenbuch eines Ägypters
Wägung des Herzens, der Seele,
im Totenbuch eines Ägypters

Beide Abbildungen: Gemeinfrei

Erzengel Michael mit der Seelenwaage
Erzengel Michael mit der Seelenwaage

Die Seele wiegt 21 Gramm

Schon im Jahr 1901 behauptete der amerikanische Arzt und Wissenschaftler Duncan MacDougall aus Haverhill in Massachusetts, das Bett von Sterbenden auf eine Waage gestellt und zum Zeitpunkt des Todes eine Gewichtsabnahme von durchschnittlich 21 Gramm festgestellt zu haben. Diese Behauptung ist einfach so gut, dass sie sich sofort verbreitete. Damals noch langsamer, das Internet gab's ja noch nicht. Seitdem wird dieses "Forschungsergebnis" von Esoterikern immer mal wieder als bewiesene Tatsache ins Spiel gebracht, obwohl es mit modernen Waagen nicht reproduzierbar ist.

Als Symbol ist diese Seelenwägung uralt. Schon in ägyptischen Totenbüchern wird dargestellt, wie der Gott Anubis das Herz, als Sitz der Seele, wiegt und das Gewicht mit der Feder der Maat aufwiegt, der Göttin für Gerechtigkeit, Weltordnung und Wahrheit. Rechts ein Bild aus dem Totenbuch des Schreibers Ani aus dem 13. Jahrhundert vor Christus. Das Wiegen der Seele in der Halle der Vollständigen Wahrheit wird auch Psychostasie genannt. War das Herz zu schwer, war das ein Zeichen, dass der Verstorbene unzulänglich war und das Herz wurde von der Totenfresserin Ammit verschlungen.

Darunter ein Bild von Rogier van der Weyden aus dem 15. Jahrhundert nach Christus, also um 2800 Jahre jünger, das den Erzengel Michael mit der Seelenwaage zeigt. Die Ähnlichkeit zeigt, wie hartnäckig sich gute Geschichten festsetzen. Für den Erfolg dieser Legende ist eine zusätzliche Wirkung verantwortlich: Mit der Behauptung, nach dem Tod würde unsere Seele beurteilt, erzeugt man Angst, und mit dieser Angst lassen sich Menschen beherrschen! Die Hersteller der Totenbücher nutzten das genauso aus, wie Kirchenmänner in den 2000 Jahren der Kirchengeschichte. Die Menschen unserer Tage lassen sich zwar nicht so leicht Angst machen, aber die Ungewissheit, was mit uns nach dem (irdischen) Tod geschieht, lässt uns noch immer gruseln.

In dem Spielfilm Isenhart – Die Jagd nach dem Seelenfänger von 2011 wird die Seelenwägung aufgegriffen. Hier werden die Menschen zum Zeitpunkt ihres Todes um 45 g leichter, weil die Seele entweicht. Ende des 12. Jahrhunderts war jedoch das Gramm noch nicht genau definiert. Ob die Zahl der Fantasie Holger Karsten Schmidts, des Autors, entspringt oder historische Wurzeln hat, weiß ich nicht. Der Sitz der Seele wird dort ebenfalls im Herzen vermutet, möglicherweise auch im Kopf hinter den Augen.

Bemerkenswert ist, dass in dem Film auch ein sterbender Hund an einer Waage hing und bei seinem Tod "nicht ein Gramm" leichter wurde. Auch MacDougall ließ Hunde auf seiner Bettwaage verenden und stellte keine Veränderung fest. Warum sprach vor allem die Kirche traditionell den Tieren keine Seele zu? Klar, weil die Mönche, Nonnen, Priester und Päpste auch gern Fleisch aßen. Sonst wäre das ja Sünde, weil man das fünfte Gebot »Du sollst nicht töten« auch auf Schlachttiere anwenden müsste.

Der Gewichtsverlust beim Sterben taucht auch heute noch immer mal wieder in "ernsthaften" Diskussionen auf. Obwohl man längst das Gegenteil bewiesen hat, ist diese Legende nicht auszumerzen, ist sie doch zu gruselig-schön. Fast schon Kultstatus hat der Vorspann zu den Bloch-Filmen, wo ein Kind sagt: »Die Seele ist in einem ganz tief drin, im Herzen. Manchmal kann man sie spüren, nachts, wenn man alleine ist. Wenn die Seele krank ist, geht man ins Krankenhaus oder zum Hautarzt. Die Seele wiegt ein und'n halben Kilo.«

Ein Topf voll Gold am Ende dieses Regenbogens im Fichtelgebirge?
Regenbogen im Fichtelgebirge
Einen Topf voll Gold am Ende des Regenbogens
habe ich noch nie gefunden, obwohl
ich schon oft nachgeschaut hab'.

Ein Topf voll Gold am Ende des Regenbogens

In unseren Zeiten des Internet mittels Facebook und Twitter im Nu über die ganze Welt. Vielleicht dreht jemand auch ein Video darüber und stellt es auf Youtube. Von dort wird es wieder auf Facebook geteilt usw. Genau so entstehen Verschwörungstheorien wie die mit der selbst-initiierten Zerstörung der World-Trade-Center-Türme oder dem angeblichen Anschlag auf Lady Diana, über die getürkte Mondlandung reden wir lieber gar nicht erst. Früher war es auch schon so, es ging nur langsamer. Die Begegnungen mit Außerirdischen vor 70 Jahren gehören genauso dazu wie die Göttergeschichten der antiken Griechen und der alten Römer, alles virale Legendenbildung. Genauso ließen sich über Jahrhunderte immer wieder Leute von Freunden an die Stelle dirigieren, an der ein Regenbogen scheinbar den Boden berührt, weil dort ja der Legende nach ein Topf voll Gold auf sie wartet. Von einem irischen Kobold soll diese "Information" stammen. Zu schön um wahr zu sein, aber auch phantastisch genug um immer wieder erzählt zu werden. Heute glauben so etwas nur noch Kleinkinder, früher waren solche Geschichten für viele die Realität. Ist die Natur nicht auf Schritt und Tritt voller nicht zu verstehender Wunder? Warum also nicht auch ein Topf voll Gold am Ende des Regenbogens?

UFOs

Viele zählen auch die UFO-Phänomene zu diesen nicht realen Verschwörungstheorien ( UFOs). Für die meisten Berichte mag dies gelten, vor allem für die Begegnungen mit Aliens. Aber über die Zeiten vom Alten Testament bis in die Gegenwart lassen manche Begebenheiten auch zweifeln. Da werden Dinge beschrieben, die die Menschen damals nicht wissen konnten. Wie zum Beispiel das Zurückweichen des Jordanwassers, als das Himmelsgefährt des Elia herabschwebt und wieder startet.  Anti-Gravitation?

Erich von Däniken hat jedoch in seinen ersten Büchern berechtigte Fragen gestellt. Leider hat er später stark übertrieben, Dinge hinzugedichtet, um die Auflagen zu erhöhen, und sich dadurch unglaubwürdig gemacht. Kritisch gelesen entdeckt man vieles in seinen Büchern, das einen stutzig macht.

Klarträume

Ein weiteres Beispiel sind die Berichte über sogenannte Klarträume. Menschen beschreiben, dass sie sich während des Tages möglichst oft fragen: »Träume ich jetzt, oder bin ich wach?« Hat man sich daran gewöhnt, taucht diese Frage auch irgendwann in einem Traum auf. Anhand unlogischer Vorkommnisse kann man dann darauf schließen, dass man gerade träumt und dann die Handlung des Traumes bewusst und absichtlich beeinflussen. Das ist eine schöne Geschichte. Das würde sich doch jeder wünschen. Und weil es eine so schöne Geschichte ist, wird sie immer mehr ausgeschmückt. Der nächste behauptet vielleicht, er sei im Traum ins Bett gegangen und habe im Traum geträumt. Wie mit diesen Traum-im-Traum-Geschichten gewinnen die Aussagen immermehr an Umfang. Der hat das gesagt, dieser hat jenes gesagt, und wenn es so viele sagen, dann muss es doch wahr sein, oder? Sogar angebliche wissenschaftliche Beweise werden angeführt, wo Psychologen untersucht hätten, wie schlafende Klarträumer während des Träumens mittels Augenbewegungen Botschaften aus dem Traum übermittelten.

Alles ein modernes Märchen?

Ich behaupte: Das ist alles frei erfunden! Wunschdenken, Phantasie. Es ist genau so unmöglich, als im Kino durch starren auf die Leinwand mit Beschwörungsformeln die Handlung des Films zu beeinflussen. Auch die erwähnten Untersuchungen und "Beweise" sind erfunden oder zumindest unwissenschaftlich. Wenn eine Geschichte gut genug ist, erreicht man Folgendes: Erzählt man es zum Beispiel zwanzig Leuten, und erreicht, dass nur zwei davon es anderen weitererzählen, die es dann wiederum ihren Freunden und Bekannten erzählen, verbreitet sich die Legende in Windeseile über das ganze Land.

Fake News als Spaß oder wissenschaftlicher Witz

»Alle unsere Getränke sind mit Dihydrogenmonoxid (DHMO) verunreinigt!«
Und die Hersteller schütten das sogar absichtlich rein! Literweise! Kubikmeterweise! Klingt doch erschreckend, oder?
Und das schlimmste ist: Es ist wahr!
Dihydrogen heißt: Zwei Wasserstoffatome (H₂), -monoxid heißt: Ein Sauerstoffatom (O). Zusammen H₂O. Kaum zu glauben, dass unser gutes bayerisches Bier durch Wasser verunreinigt ist. Wasser! Ein Gag an jedem Stammtisch.

Irgendwie sind die Warnungen oft auch echt: »Dihydrogenmonoxid kann schwere Verbrennungen verursachen!« Klar, wer lässt sich schon gern mit kochendem Wasser übergießen. DHMO kann elektrische Geräte beschädigen, wird auch in  Kernkraftwerken verwendet und wurde sogar in Krebsgeschwülsten gefunden! Alles die pure Wahrheit.
 Wiki zu Verschwörungstheorien    Verbot für Dihydrogenmonoxid!    Anti-Gravitation

Schwarzer Humor, Galgenhumor

Für Computer gibt es Anti-Viren-Software. Die findet auch nicht alle Bedrohungen, aber die meisten. Ob Computer auch COVID-19 bekommen können ist unwahrscheinlich, vielleicht nach einer entsprechenden Mutation. Mittels einer in den Hinterkopf implantierten USB-Buchse kann man nun jedoch ein Anti-Viren-Programm im menschlichen Körper installieren. Es findet nicht nur Schnupfen- und Grippe-Viren, sondern nach einem aktuellen Update sogar die Corona-Viren und macht sie unschädlich! Da die USB-Buchse eine Infektionsgefahr darstellt, arbeitet man jetzt an einer drahtlosen Bluetooth-Lösung, die demnächst auf den Markt kommen soll, und unter die Hirnhaut implantiert wird.

Vom Schwarzen Humor ist es nicht weit zum Galgenhumor. Die Menschen haben eben verschiedene Methoden, mit ausweglosen und Angst einflößenden Situationen umzugehen, oder sie zu verdrängen, und Humor ist allemal besser als Depressivität oder irrationale Panik.

Verbreitung von Fake News und Verschwörungstheorien übers Internet

Dass es die Stadt Bielefeld gar nicht gibt, das wissen Sie natürlich schon. Sogar einen Fußballverein Arminia Bielefeld hat man erfunden. Und weil's so schön ist, wird's immer wieder erzählt. Einer erzählt's Fünfen. Jeder von denen erzählt's wieder Fünfen, und im Nu weiß es das ganze Land. In Zeiten von Facebook und Twitter erreichen Fake News innerhalb weniger Stunden die ganze Welt (wenn sie originell genug sind). Leider auch bösartige. Schön, wenn man mal einen trifft, der's noch nicht kennt und den man noch damit verblüffen kann. Wer entsprechende Fantasie besitzt, schmückt die Geschichten weiter aus. So entstand die Bielefeld-Verschwörung, ein Wandermärchen, offiziell satirische Verschwörungstheorie genannt. Für Dihydrogenmonoxid wird theatralisch ein gesetzliches Verbot gefordert.

Neben leicht zu durchschauenden Späßen gibt es auch böse und gefährliche Nachrichten. Selbst wenn man sagt, »Das kann doch nicht sein. Das glaube ich nicht!«, bleibt der Zweifel, vielleicht doch? Stellen Sie sich vor, 1930 hätte es schon das Internet und die sozialen Netzwerke gegeben. Und da hätte es einen gegeben, der geschrieben hätte: »Da gibt es einen, der heißt Hitler, der will die Weltherrschaft an sich reißen und einen Zweiten Weltkrieg anzetteln!« Da hätten viele geschrieben: »Gibt's nicht, unvorstellbar, Fake News, Verschwörungstheorie!« Und trotzdem war's wahr!

Ich kann mich an eine Geschichte erinnern, ich glaube es war ein Spielfilm, in der eine Geheimorganisation ein gefährliches Virus entwickelt, die eigenen Mitglieder mit einer Impfung immunisiert, und dann das Virus freisetzt. Im Zuge der  Corona-Pandemie 2020 war es nur eine Frage der Zeit, bis dieses Szenario auf China und das Viren-Labor in Wuhan übertragen wurde. Allerdings wurde in diesem Fall das Virus durch ein Versehen, eine kleine Nachlässigkeit, verfrüht freigesetzt, bevor man die ganze Bevölkerung über das Trinkwasser oder Nahrungszusätze immunisieren konnte.

Die Anschuldigung ist ungeheuerlich, und alle vernünftigen Menschen werden sie ausdrücklich von sich weisen. Aber niemand kann verhindern, dass auch bei sich selbst ein Restzweifel zurückbleibt — vielleicht doch? Und schon haben wir die Verschwörungstheorie und die Fake News haben ihr Ziel erreicht und werden über's Internet exponentiell verbreitet, viral eben. In Buchform hat sich ähnliches schon vor Jahren verbreitet, in Büchern wie "Unrestricted Warfare", unter anderem von Wang Xiangsui und Qiao Liang.

Die Anzahl der erreichten Menschen erhöht sich exponentiell und in Zeiten sozialer Medien geht das inzwischen so schnell, dass bei schädlichen Nachrichten und Fake News kein Einschreiten einer ordnenden Macht mehr möglich ist. Die Verbreitung erfolgt viral. Nachträgliche Widerrufe werden nicht mehr geglaubt, selbst wenn man sie beweisen kann. Die Massen können weder die erfunden Beweise noch die wirklichen Gegenbeweise wirklich überprüfen. Bei entsprechend vielen Klicks auf Teilen oder Like bei Facebook oder Retweets bei Twitter verbreitet sich eine Geschichte, wenn sie sehr gut ist, in Windeseile über den ganzen Erdball, eine virale Verbreitung. Gegenbeweise werden ignoriert. Die Massen können weder die erfunden Beweise noch die wirklichen Gegenbeweise wirklich überprüfen, wollen sie auch nicht. Die Geschichte zu glauben, ist ja viel interessanter.

Die Weizenkornlegende, ein Beispiel solch exponentiellen Wachstums

Ein gutes Beispiel exponentieller oder viraler Vermehrung ist die Geschichte mit dem Reiskorn (Weizenkorn) auf dem Schachbrett, die sogenannte Weizenkornlegende: Der indische Brahmane Sissa ibn Dahir hatte im 4. Jahrhundert nach Christus einer Legende zufolge das Schachspiel erfunden. Der indische Tyrann Shihram lernte daraus, dass auch der König als mächtigste Figur ohne seine Untertanen nichts ausrichten kann. Zum Dank für diese Weisheit gewährte der Herrscher dem Brahmanen einen freien Wunsch. Dieser wünschte sich Weizenkörner, und zwar so viele, dass auf dem ersten Feld eines Schachbretts ein Korn liegt, auf dem zweiten zwei, auf dem dritten vier, usw., auf jedem Feld jeweils die doppelte Anzahl.

Der König war erfreut über die vermeintliche Bescheidenheit seines Untertanen. Dass dies ein Trugschluss war, merkte er, als es seine Rechenmeister selbst nach einigen Tagen noch nicht geschafft hatten, die geschuldete Anzahl zu errechnen. Der Verwalter der Kornkammer meldete schließlich, es würden gut 18 Trillionen Weizenkörner benötigt, und eine solche Menge wäre im ganzen Reich nicht vorhanden. Als Ausweg empfahl der Rechenmeister, Sissa in die Kornkammer zu lassen, und sich die benötigten Weizenkörner (Reiskörner) selbst herauszuzählen, was auch diesem natürlich nicht möglich war.

Selektive Wahrnehmung

Sehen wir nur, was wir sehen wollen? Natürlich nicht nur, aber wir sehen es gern. Das entscheidet nicht nur unser Gehirn. Unsere Augen übermitteln die Bilder nicht objektiv Pixel für Pixel an die Sehrinde, den Visuellen Cortex, sondern sie bereiten das Gesehene schon auf. Da werden Kontraste, Linien, geometrische Formen und vieles mehr schon im Auge erkannt und manches auch verworfen. Und das Gehirn ist auch alles andere als objektiv. Es filtert alle Sinneseindrücke und entscheidet unbewusst, was in unser Bewusstsein dringen darf. Aufmerksamkeit und Verstand können diesen Filter zwar beeinflussen, aber nur bedingt. Würde uns jedes kleinste Signal unserer fünf Sinne sofort bewusst, wären wir total überfordert.

Gefährliches tut sich leichter, diesen Filter zu überwinden. Das ist durchaus sinnvoll, aber oft trübt nur scheinbar Bedrohliches den objektiven Eindruck. Durch einen Terroranschlag ums Leben zu kommen, ist extrem unwahrscheinlich. Trotzdem haben wir beim dem Gedanken mehr Angst, als wenn wir ans Autofahren denken, obwohl das tatsächlich viel gefährlicher ist. Auch fliegen soll ja sicherer sein als Autofahren, aber schon unser Unterbewusstsein stellt fest, dass es für uns Landbewohner ungewöhnlich ist, sich Kilometer hoch über der Erde zu bewegen. Auf vier Rädern kann man schon mal nicht runterfallen, muss also sicherer sein. Für manche bedeutet das Flugangst, für Fallschirmspringer kann der Adrenalin-Kick aber auch so verlockend sein, dass sie während des Fluges aussteigen.

Medienkompetenz

Das Gegenmittel zu Fake News heißt Medienkompetenz. Sie erfordert, Informationsströme intelligent zu filtern und Medien kritisch zu konsumieren, was angesichts immer besser und glaubwürdiger werdender Fälschungen nicht immer gelingt. Eine gesunde Portion Skepsis ist sicher nicht verkehrt. Auch die Lehrpläne in den Schulen gehören längst angepasst. Informatik und Medienkunde könnten schon von der Grundschule an in andere Fächer mit eingebaut werden, was jedoch auch daran scheitert, dass entsprechend qualifizierte Lehrer fehlen. Da wird lieber haufenweise kopiert, was schon vor 20 Jahren gelehrt wurde. Allein mit dem Kauf tausender iPads oder Tablets ist es nicht getan. Eltern und Lehrer sind hier gefordert und dürfen sich Digitalisierung und Globalisierung nicht verschließen.

In diesem Zusammenhang muss auch einseitiger Religionsunterricht abgelehnt werden. Wenn religiöse Inhalte ähnlich wie Mathematik und Physik vermittelt werden, wird er zur weltfremden Agitation. Religionsunterricht muss vollständig durch breiter angelegten Ethikunterricht ersetzt werden, der gesellschaftliche Werte vermittelt und auch philosophische Lehren einschließt. Spirituelle Inhalte müssen kritisch hinterfragt werden, da einseitige religiöse Vorstellungen zu allen Zeiten auf der Welt für Kriege, Tod und Leid verantwortlich waren, im Mittelalter genau so wie heute.

Phantasie

Jenseits der objektiven Wahrnehmung, auch der gefilterten und verzerrten, beginnt die Phantasie (neudeutsch Fantasie), die sich oft auch nur bedingt steuern lässt. Beispiel: »Stellen Sie sich jetzt in diesem Moment auf keinen Fall einen rosa Elefanten vor!« Haben Sie's geschafft? Es gibt auch ganze Herden von rosa Elefanten! Früher ging's auch mit Weißen Mäusen. Das passt alles in unseren Kopf. Ohne Phantasie sind allerdings die größten Errungenschaften der Menschheit undenkbar!

Die eindringlichste Hymne an den Wert der Phantasie stammt wohl von  Michael Ende. In seiner Unendlichen Geschichte lässt er den Gmork sagen: "Phantasien hat keine Grenzen!". Aber Phantasien geht zu Grunde, "weil die Menschen anfangen, ihre Träume zu vergessen, ihre Hoffnungen zu verlieren … So wird das Nichts immer stärker, die Leere, die zurückbleibt, eine Art Verzweiflung". Aber manche helfen dem Nichts, "weil man Menschen, die ohne Hoffnung sind, leichter unter Kontrolle halten kann. Und wer die Welt unter Kontrolle hält, der hat die Macht". Phantasie ist nichts Schlechtes, man muss sie nur von der Wirklichkeit unterscheiden können.

Götterlegenden, Mythen, Religionen

Kehren wir wieder zurück zu den Anfangszeiten der Religionen. Was hindert uns daran, obige Erkenntnisse auch auf die Religionsentstehung anzuwenden? Vor allem Angst! Viele Religionen drohen bei Fehlverhalten mit der Strafe der Götter (oder des Gottes). Auch unsere Kirchen. Im gleichen Atemzug bieten die Religionen Erlösung bei Wohlverhalten. Nun sind wir mal mutig und behaupten, die christliche Religion wäre eine Urbane Legende, hervorgerufen durch Fake News. Die Bibel bietet ja tatsächlich eindrucksvolle Geschichten, die es wert sind, verbreitet zu werden. Sieht man Jesus als  Philosophen, wäre es gut für alle Menschen, auf seine Worte zu hören. Aber das ist eben Gesellschafts-Philosophie, von allen Kanzeln gepredigt, und zweifellos gut und richtig.

Schwieriger wird es beim spirituellen Aspekt: Der Tod Jesu, um uns zu erlösen. Aber nicht nachhaltig. Wäre die Erlösung dauerhaft und vollständig, könnten wir ja sündigen wie wir wollten, nein, da muss die Angst vor dem Fegefeuer, verursacht durch Todsünden und anderes Fehlverhalten herhalten, sonst wären die Menschen ja frei. Schon vor Jahrtausenden wurden die Menschen in den Bann der Religionen gezogen, ob durch Medizinmänner, Druiden, Schamanen, Imame oder eben Priester. Im Namen ihrer Religion fielen sie in Kriegen über andersgläubige her, töteten und raubten, von den Kreuzzügen über den Dreißigjährigen Krieg bis in unsere Zeit. Mystische Legenden und Religionen sind also alles andere als harmlose Gruselgeschichten!

Aberglauben

Wir belächeln gern, an welchen Unsinn unsere Vorfahren in den letzten Jahrtausenden geglaubt haben, aber sind wir heute immun gegen Aberglauben? Manche alte Verhaltensregeln muten heute skurril an, sind aber im Grunde harmlos. Zum Beispiel kommt es vor, dass ein Huhn ein kleines, fast rundes Ei ohne Dotter legt. Bei uns im Fichtelgebirge nannte man diese Urigerl, im westlichen Oberfranken Urichala, benannt nach dem biblischen Urija (Urias), der im Auftrag von König David getötet wurde, weil dieser scharf auf seine Frau Bathseba war. Um die schändliche Tat des edlen David zu entschuldigen wurde Urija von Kirchenmännern oft verteufelt. Nach alten Überlieferungen sollte man ein solches Ei, ein Urigerl, über das Hausdach werfen, um einen eventuellen Hexenfluch zu beseitigen.

Besonders schlimm war es, wenn dieses dotterlose Ei von einem schwarzen Huhn gelegt wurde, denn dann hatte sich diese Henne mit dem Teufel in Gestalt einer Schlange gepaart. Ein italienischer Aberglaube bezeichnet dotterlose Eier als Hahnenei. Auf einem normalen Hühnerhof könnte es ja auch passieren können, dass ein Hahn mal ein Ei ins Nest legt, vielleicht ist er ja ein Zwitter. Jedenfalls muss man ein solches Ei zertreten und den betreffenden Hahn erwürgen, denn würde er solche dotterlosen Eier unbemerkt ausbrüten, könnte daraus ein Basilisk entstehen, und das Basiliskengift ruft bekanntlich die Syphilis hervor!1

Sollen wir eine Geschichte glauben oder nicht? Ist sie wahr oder reine Phantasie? Diese Entscheidung wurde den Menschen viele Jahrhunderte lang von der Kirche abgenommen. Sie bestimmte, was wahr ist und was nicht. Was ihr nicht passte, wurde als Aberglaube verbannt. Heute haben wir Meinungsfreiheit und jeder kann glauben, was er will. Im Artikel 5 unseres Grundgesetzes heißt es: »Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten...« Dass da auch viel Unsinn verbreitet wird, nehmen wir in Kauf, die Gesetze setzen dem aber auch Grenzen, was im Absatz 2 dieses Artikels steht. Nicht begrenzt ist allerdings, was oder wem wir glauben. Es ist unsere freie Entscheidung. Die Gedanken sind frei... ist ein altes Volkslied, dessen Text schon fast 250 Jahre alt ist. Wir sollten aber nicht jeder Verschwörungstheorie glauben, nur weil's interessanter ist, als die langweilige Wahrheit. Eine gesunde Portion Skepsis sollten wir beiden Seiten entgegenbringen.

1 Handwörterbuch zur Deutschen Volkskunde, Abteilung 1, Aberglaube, 1930
Angsteinflößender menschenfressender Teufel in Florenz
Angsteinflößender menschenfressender Teufel in Florenz

Angst

Andere Legenden sind weniger harmlos und wurden oft zu einem bestimmten Zweck erfunden, nämlich den Menschen Angst zu machen. Mit Angst lassen sich Menschen beherrschen. Eine düstere Rolle spielte dabei über fast zwei Jahrtausende die Kirche, die Angst vor Hölle und Fegefeuer schürte und schließlich mit ihrer Inquisition Andersdenkende verfolgte. Obwohl die Unterdrückung und Gängelung durch Martin Luther teilweise aufgehoben wurde, wirken die Drohungen mit Fegefeuer und ewiger Verdammnis bis heute nach. Während Jesus die Vergebung der Sünden durch Reue predigte, nahm die Kirche das Monopol der Sündenvergebung ein und zwang die Menschen in ihren Bann. Da die Zehn Gebote nicht ausreichten, um jedem genug schlechtes Gewissen einzureden, suchte man Dinge, die man fast jedem vorwerfen konnte und erfand die sieben Todsünden.

Als Beispiel die Todsünde der Wollust: Sexuelle Aktivität ohne den Zweck der Kinderzeugung, Befriedigung oder sogar sexuelle Phantasien führen direkt ins Fegefeuer, außer man kauft sich bei der Kirche frei. Das ganze gipfelte im Ablasshandel, dem wir zwar großartige Kirchenbauten und Kirchenschätze "verdanken", der die Menschheit jedoch mit düsteren Drohungen gängelte. Regeln der Sexualmoral sind sicher sinnvoll, aber das ist pure Machtausübung durch Angst! Noch heute wirken diese Drohungen nach, die besonders Frauen an einem natürlichen ungezwungenen Ausleben ihrer Sexualität hindern. Wenn ein Mann mit seiner Potenz und seinen Eroberungen prahlt, ist das in Ordnung, äußert sich eine Frau ähnlich, ist sie verdorben. Nymphomanie und Promiskuität, »Um Gottes Willen!« Von wegen Gleichberechtigung! Viele stellen  Maria Magdalena in diese Ecke, obwohl es in der Bibel dafür keine eindeutigen Anhaltspunkte gibt.

Um diese Angst loszuwerden, konnte man früher nicht nur Ablass zahlen, sondern auch Messen lesen lassen, auch für verstorbene Angehörige. Dieses Verhalten konnte bei manchen Menschen zur Sucht werden und in den Ruin führen wie die Spielsucht oder Alkoholsucht. Psychische Abhängigkeit, die zur Zerstörung mancher Familien führte. Hungernde oder sogar verhungernde Kinder, weil der Vater das Geld für Messen und Ablass ausgab. Die Vergebung der Sünden als einträgliches Geschäft der Kirche. Der Pfarrer von Rennes-le-Chateau, dessen plötzlicher Reichtum durch Dan Brown und Michael Baigent in die Schlagzeilen geriet, hat das Geld wahrscheinlich auch durch das Lesen von Messen verdient, für die er durch geschicktes Marketing Aufträge aus dem ganzen Land erhielt.

Geheimbünde: Die Illuminaten

Als das Buch Illuminati von Dan Brown in den Buchläden erschien, dachten viele, was haben sich die Amis denn da wieder ausgedacht. Auf der anderen Seite klingt es italienisch, da denkt man ja gleich an die Mafia, oder an irgendwelche geheimen Machenschaften des Vatikans.

Verblüfft war ich, dass es sich bei den Illuminaten ursprünglich um einen bayerischen (!) Geheimbund handelte. Der Philosoph und Kirchenrechtler Adam Weishaupt aus Ingolstadt gründete 1776 den Bund der Perfektibilisten, auch Bienenorden, den man später Illuminatenorden nannte. Ein prominentes Mitglied war zum Beispiel Freiherr Adolph Knigge. Schon nach neun Jahren, also 1785 wurde er wieder verboten. Weishaupt war auch Freimaurer geworden und hatte für die damalige Zeit sehr liberale Ansichten, die er in zahlreichen Veröffentlichungen kund tat, was die Obrigkeit als staatsfeindlich einstufte. Und der katholischen Kirche passten die aufklärerischen Einstellungen nicht in den Kram. Bei Hausdurchsuchungen wurden die geheimen Namen von Mitgliedern gefunden und die Ordensmitglieder verfolgt. Weishaupt wurde von der Universität Ingolstadt suspendiert, andere verloren ihre Stellung oder wurden des Landes verwiesen. Eingesperrt oder gar getötet wurde niemand. Anscheinend waren die Betroffenen sehr bekannt und einflussreich.

Aber wie das mit Geheimorganisationen eben so ist, war die Geschichte damit nicht zu Ende. Weishaupt floh über Regensburg nach Gotha, also ins Ausland, hatte aber regelmäßigen Kontakt zur Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Die Gedanken der Aufklärung kämpften über Jahrhunderte mit althergebrachten Traditionen und Vorstellungen, bis heute. Im Untergrund existierten weiterhin Verbindungen der ehemaligen Illuminaten und der Freimaurer. Auch nachdem Weishaupt 1830 in Gotha gestorben war, haben seine Gesinnungsgenossen seine Ideen gepflegt und seine Schriften verbreitet. Hinter freiheitlichen revolutionären Bestrebungen vermutete man immer auch Aktivitäten von Geheimbünden. So wurden die Illuminaten in Verbindung mit den Freimaurern natürlich auch die "Auslöser der Französichen Revolution".

Anfang des 19.Jahrhunderts wurde die Verschwörungstheorie über die Illuminaten besonders in christlich-fundamentalistischen Kreisen Amerikas populär und hundert Jahre später vermutete man, Weltjudentum, Freimaurer und Illuminaten hätten sich verbündet, um die Weltherrschaft zu erlangen. Okkultisten und Theologen verbreiteten Schreckensmeldungen über die Gefahr aus dem Untergrund, Schriftsteller und Filmemacher entdeckten die Verschwörungstheorien für ihre Thriller. Eines haben sie gemeinsam: Es ist größtenteils pure Fantasie.

Esoterik und Parawissenschaften

Auch unsere moderne Wissenschaft kann nicht alles erklären. Also stellen die Menschen unbeantwortbare Fragen. Das war zu allen Zeiten so. Die Antworten reichen von »Da musst du warten, bis wir's wissen!«, über »Das könnte so oder so sein!« bis zu »Das ist so, bewiesen oder nicht!«. Eine lange Skala von Wahrscheinlichkeiten und Behauptungen. Eine Grenze zu ziehen ist schwierig bis unmöglich. Hartgesottene Esoteriker halten selbst Gegenbeweise nicht davon ab, an ihren Behauptungen festzuhalten. Eine Gilde von Skeptikern ist die  Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften. Für sie gilt nur, was wissenschaftlich bewiesen werden kann.

Aber da fängt's schon an: Bewiesen oder nicht bewiesen, so digital ist das nicht! Auch die Gleichung Bewiesen = Wahrheit ist nicht unbedingt richtig. Eindeutige Beweise liefert eigentlich nur die Mathematik. Nur sie ist so universal. Nehmen wir zum Beispiel unsere guten alten Naturgesetze: Wenn uns eine Münze aus der Hand fällt, dann fällt sie nach unten. Das ist unsere Erfahrung und die Erfahrung der Menschheit seit Jahrtausenden, die jederzeit "überprüft" werden kann. Das ist ein empirischer Beweis, es war schon immer so und wenn ich's wiederhole ist's auch wieder so. Selbst wenn uns Wissenschaftler erklären, warum es so ist, Gravitation als Eigenschaft des Raumes etc., kann man damit nicht beweisen, dass es immer und überall und auch in Zukunft so sein wird. Es beruht nur auf unserer täglichen Erfahrung. Selbst wenn wir es mit Mathematik beschreiben, die in sich bewiesen werden kann, ist die Übertragung in die materielle Realität wiederum nur empirisch.

Esoteriker führen die Nicht-Beweisbarkeit geradezu als hervorragende Eigenschaft esoterischer Effekte an. Führen sie Experimente durch, klappen sie, finden diese jedoch unter kontrollierten Bedingungen statt, verschwinden die Effekte. Als ob eine Intelligenz dahinter steckt, welche die Beweisbarkeit aktiv verhindert, wenn man es versucht. Und wer die eigentlichen Ergebnisse anzweifelt, der ist nur zu skeptisch und kritisch, wodurch der Versuch misslingt. Oder er ist zu dumm, oder will es einfach nicht wahrhaben, alles Ignoranten!

Verstehen Sie mich nicht falsch, natürlich hat William Shakespeare auch heute noch recht, wenn er Hamlet sagen lässt: »Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumen lässt, Horatio!«, aber wenn um geheimnisvolle Erscheinungen eine Lügenwelt oder zumindest eine Welt der Halbwahrheiten errichtet wird, stecken oft Geldgier oder Machterlangung dahinter. Dann handelt es sich um keine harmlosen Märchen mehr, vom Bermuda-Dreieck bis zur Rassenlehre, oder sogar den Religionen, auch ihnen geht es oft (auch) um Macht über die Menschen.

Das Narrativ?

Das Wort Narrativ tauchte erst Ende des 20. Jahrhunderts im Deutschen auf. Man kann es in letzter Zeit öfters hören, auch von Politikern. Mein erster Gedanke dazu war »Zum Narren halten!«, das trifft es allerdings nur teilweise. Im Englischen heißt "narrative" einfach "Erzählung". Gemeint ist im Deutschen und im engeren Sinne allerdings, eine Geschichte zu erfinden, um das Weltbild von Menschen zu beeinflussen. Also vielleicht eher eine oft angewandte Spezialform der Legende, von der Geburtslegende Jesu über die "Dreieinigkeit" bis zur  politischen Propaganda der Gegenwart.

Am besten funktioniert es in letzter Zeit mittels einer Sammlung von Fake News, jede für sich nur wenig glaubwürdig, aber wenn so viele ähnliches behaupten, das irgendwie zusammenpasst und sich unterstützt, muss ja was dran sein! So wird aus einzelnen kleinen (erfundenen) Geschichtchen eine große Legende, Verschwörungstheorie, oder eben ein Narrativ, das die Meinung ganzer Bevölkerungsgruppen prägt und die Grenze zwischen Phantasie und Wirklichkeit verschwimmen lässt. Manchmal gut gemeint, aber nicht immer!

Versteckte Botschaften in Musik

Wer kommt schon auf die Idee, Stairway to Heaven von Led Zeppelin rückwärts abzuspielen! Offenbar machen sowas manche Leute. Dann hört man an einer Stelle im Musikstück undeutlich eine mystische versteckte Botschaft, die als satanisch interpretiert werden kann. Das Ganze begann schon 1969 mit der guten alten Schallplatte. Anscheinend hatten manche Leute einen Plattenspieler mit Rückwärtsgang. So gibt es im White Album von Paul McCartney den Song Revolution 9. Wo sich im Text die Worte »Number nine« mehrfach wiederholen, hört man rückwärts »Turn me on, dead man!«. Daraus entwickelte sich die Verschwörungstheorie, dass Paul McCartney tot wäre und durch einen Doppelgänger ersetzt worden sei.

Andere hören in analogen Rundfunkempfängern an Stellen ohne Sender, im sogenannten Weißen Rauschen, Botschaften von Außerirdischen, ebenso in Pausenstellen auf Tonbandaufnahmen. In dem Frequenzgemisch von Funkwellen, das uns überall und ständig umgeben, ergeben sich Mischungen und Störungen, in die man viel hineininterpretieren kann — so man denn will. Es ist akustisch der gleiche Effekt, als ob man visuell in Wolkenformen oder im Kaffeesatz Tiere und andere Figuren entdecken kann — ganz ohne übernatürliche Effekte.

Sternbilder, Tierkreiszeichen
Sternbilder oder Tierkreiszeichen auf einer Granit-Stele bei Arzberg im Fichtelgebirge

Astrologie

»Ein Unglück kommt selten allein!«, ein altes Sprichwort. Haben Sie nicht auch schon beobachtet, dass Unglücke oder auch nur schlechte Nachrichten immer in Serie auftreten? Nicht mal ausgeklügeltste Statistiken können es nachvollziehen. Der Eindruck, dass diese Episoden periodisch auftreten, führt zu Erklärungsversuchen, wie zum Beispiel den Biorhythmus (die Mantik) oder eben Astrologie. Am Himmel läuft eben auch alles (oder zumindest das meiste) periodisch ab. Das Problem ist nur die Verwechslung von Ursache und Wirkung. Astrologen erklären dies oft, indem sie darauf verweisen, dass es bei der Astrologie nicht um die Himmelskörper selbst geht, sondern um das kosmische Prinzip, das sich am Himmel ablesen lässt, aha! Skeptiker vermuten psychologische Beeinflussung und geschickte mehrdeutige Formulierungen. Glauben Sie's, wenn Sie wollen. Ich persönlich halte den Wahrheitsgehalt der Astrologie für extrem unwahrscheinlich. Da glaube ich eher noch an UFOs.

Aber für irgendwie möglich halte ich grundsätzlich ja alles. OK, die Horoskope in den Zeitungen sind Quatsch. Mit psychologischen Erklärungen wie dem Barnum-Effekt, auch Forer-Effekt, und den dazugehörigen Experimenten lässt sich zeigen, wie Menschen Barnum-Aussagen und anderen geschickt formulierten Texten Glauben schenken und sie für wahr halten. Scheinbare Zusammenhänge zwischen an sich unabhängigen Ereignissen, die Synchronizität und anderes, Glückssträhnen, Pechsträhnen, "Ein Unglück kommt selten allein", Katastrophen wie Flugzeugabstürze in zeitlicher Serie, all das lässt sich rational mit Selektiver Wahrnehmung und anderen psychologischen Phänomenen erklären. Wenn es Menschen besser damit geht, das als Schicksal, Vorsehung und Vorbestimmung zu erklären, kann das auch einen Sinn haben. Damit die Zukunft vorauszusagen ist Unsinn, aber kann es nicht sein, dass jemand (oder etwas) unser Schicksal lenkt wie wir die Sims in einem Computerspiel?

Homöopathie

Wenn wir Erfahrung als Beweis anerkennen, kommen wir schnell zu schwierigen Fragen. Zum Beispiel: »Wenn ich bestimmte homöopathische Globulis nehme, dann verschwinden bestimmte Schmerzen.« Ein Beweis aus Erfahrung? Skeptiker wenden ein, dass in den homöopathischen Arzneimitteln gar kein Wirkstoff mehr vorhanden ist, auch beweisbar. Was ist wahr oder falsch? Ein psychologischer Effekt vielleicht? Placebo-Effekt? »Hauptsache es hilft!«, kann man sagen, andere sagen »nur Geschäftemacherei!«.

Vielleicht wird aber auch irgendwann der Wirkmechanismus gefunden, heilende Informationen in einer Flüssigkeit, oder ähnliches. Wir müssen uns damit abfinden, dass wir nicht alles sicher wissen können, und sollten nicht alles Unbewiesene vonvornherein ausschließen. Zumindest nicht, wenn es uns hilft, wie auch immer.

Auch wenn in den Globuli der Homöopathie kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz mehr enthalten ist, muss man berücksichtigen, dass unsere Welt eben nicht nur aus Materie besteht. Den "Beweis" kann jeder in sich selbst spüren: Unser Bewusstsein! Niemand kann im Ernst glauben, dass dieses aus Molekülen besteht. Wie zu Shakespeares Zeiten gibt es eben auch heute noch mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als selbst unsere moderne Schulweisheit sich träumen lässt!

Die Vertreibung aus dem Paradies von Julius Schnorr von Carolsfeld, 1860
Die Vertreibung aus dem Paradies
von Julius Schnorr von Carolsfeld 1860,
gemeinfrei

Urformen der Legenden

Zu allen Zeiten entstanden Geschichten und Legenden. Viele gerieten wieder in Vergessenheit. Einige Grundformen oder Urformen findet man immer wieder:
  • Die Menschen leben in einer schönen Welt, werden aber vertrieben oder zerstören sie selbst (Der Untergang von Atlantis, Vertreibung aus dem Paradies)
  • Die Menschen verstehen Naturphänomene nicht und versuchen, sie mit Göttern und Phantasiegestalten zu erklären (Götter, Dämonen,  die Hölle)
  • Absichtlich erfundene mystische Geschichten, um bei den Menschen Angst zu erzeugen und sie dadurch zu beherrschen, indem man ihnen Erlösung verspricht (die frühe bis mittelalterliche Kirche, der Teufel) oder um sie zur Vorsicht zu ermahnen (Märchen wie Rotkäppchen)
Apokalyptische Geschichten entstehen vor allem dann, wenn sich Kulturen ihrem Ende zuneigen. Noch nicht offensichtlich untergehen, sondern eher, wenn unterschwellige Vorboten unbewusste Untergangsangst erzeugen oder auch nur große Umwälzungen Angst vor der Zukunft hervorrufen. So zum Beispiel im  antiken Griechenland um das 5. Jahrhundert vor Christus. Viele Jahrhunderte vorher schon waren die altägyptischen Hochkulturen verschwunden und Ägypten hatte an Macht und Einfluss verloren. Babylonien war von den Persern unter Kyros II. erobert worden. In dieser Zeit entstand der Mythos von der Vertreibung aus dem Paradies, nicht nur in unserer Bibel und im Tanach. Über die Auslöser kann man sich streiten, jedoch hatten sich durch ein günstiges Klima im Bronzezeitlichen Klimaoptimum nach der Eiszeit die Menschen stark vermehrt, und als zum Ende der Bronzezeit  Klimaänderungen Hungersnöte und Migrationsbewegungen verursachten, destabilisierten sich die Gesellschaften, vor allem in den Städten.

Die Griechen wehrten sich noch einige Jahrhunderte erfolgreich gegen den Niedergang und boten den aufkommenden Römern die Stirn. Trotzdem entstanden auch in dieser Zeit schon Untergangs-Mythen wie die von Atlantis, berichtet von Platon. Sie erfüllt gleich zwei Grundformen:
  • Eine unbewusste Vorahnung, viele Jahrhunderte bevor die Griechen und schließlich auch die Römer ihre Apokalypse erlebten
  • Eine mystische Angst vor bedrohlichen Großereignissen, verursacht durch vergangene Naturkatastrophen wie der Ausbruch des Supervulkans Santorin ein Jahrtausend früher.
Gerade auf solche Großkatastrophen wie der Santorini-Ausbruch lässt sich mit Phantasie vieles Mystische zurückführen. Zum Beispiel die biblischen Plagen in Ägypten oder das Vergraben der  Himmelsscheibe von Nebra, das man auch auf Klimaänderungen durch große Vulkanausbrüche zurückführen könnte. Die praktische Bestimmung der Jahreszeiten funktionierte plötzlich nicht mehr, Missernten und Hungersnöte waren die Folge. So vergrub man sie und hoffte, auf diese Weise eine Normalisierung herbeizuführen. Wenn mit dem Ausbruch ein großer Tsunami verbunden war, könnte man auch verschiedene Sintflut-Legenden damit in Verbindung bringen. Während sich die tatsächlichen Ereignisse mittels Eisbohrkernen und anderen geologischen Methoden relativ sicher datieren lassen, ist die zeitliche Einordnung in den Mythen doch recht unsicher ( Die Geschichte des Altertums in neuer Sicht).

So gesehen sind unsere modernen Mythen und Verschwörungstheorien eigentlich viel zu harmlos, um einen bevorstehenden Untergang unserer Zivilisation anzukündigen. Allerdings ist unsere Zeit auch viel schnelllebiger und mit 7,6 Milliarden Menschen sind wir einfach zu viele ( Überbevölkerung). Aus der Geschichte müssen wir lernen, dass diese Entwicklung, wenn wir sie nicht umkehren, in einer weltweiten Katastrophe enden wird.

Kirchlich-christliche Heiligen-Legenden

Siebenschläfer

Jeder Tag unseres Kalenders ist mit Namenstagen versehen, die größtenteils auf kirchliche Heilige zurückgehen. Ein besonders skurriles Beispiel ist die Entstehungsgeschichte des Siebenschläfer-Tages (bei uns am 27. Juni). Aufgeschrieben, oder soll ich sagen ausgedacht, hat sie um 500 nach Christus der syrisch-aramäische Bischof Jakob von Sarug, der sich auch als Hymnendichter betätigte.

Die Legende spielt um das Jahr 251 nach Christus, als der römische Kaiser Decius zu den Opferfesten für die römischen Götter nach Ephesus an der Westküste Kleinasiens kam. Er war ein eifriger Christenverfolger und ließ jeden töten, der sich weigerte, die römischen Götter zu verehren. Sieben junge Christen aus gutem Hause versteckten sich in einer Höhle. Sie wurden entdeckt und in der Höhle eingemauert, damit sie lebend begraben seien und in jenem Kerker elend sterben.

Als fast 200 Jahre später ein Bauer in der Nähe einen Viehstall bauen wollte, holte er sich dafür Steine vom verschütteten Höhleneingang und entdeckte die Eingemauerten, die nicht gestorben waren, sondern nur geschlafen hatten. Nach einer anderen Version waren sie gestorben und Gott hat sie bei der Entdeckung wieder zum Leben erweckt. Die Gegend war inzwischen christianisiert worden und der örtliche Bischof verständigte den christlichen Kaiser Theodosius, dem die sieben Jünglinge ihre Geschichte bezeugten. Darauf starben sie. Zur Ausschmückung erglühten die Gesichter der Befreiten und glänzten wie Licht, als der Bischof und das Volk die Höhle erreichten.

Während wir das heute als alte Legende ins Reich der Märchen und Sagen ablegen, war es für die Menschen im Mittelalter tatsächliche Wahrheit. Objektiv betrachtet muss man die Wunder, die Jesus vollbrachte, wohl auch größtenteils als zweckgebundene Legendenbildung betrachten, ein paar vielleicht auch als psychologische Effekte, weil es sich für Heilige und mystische Gestalten einfach gehört, ein paar Wunder zu vollbringen.

Aber auch heute noch werden Personen verehrt und allen Ernstes eine Seligsprechung oder Heiligsprechung diskutiert. Wenn damit die persönliche außergewöhnliche Leistung geehrt werden soll, ist das nachvollziehbar und gut, wie zum Beispiel bei der Heiligen Teresa von Kalkutta, der Mutter Teresa. Nahezu grotesk wird es allerdings, wenn die katholische Kirche eine Prüfung von Wundern durchführt, die durch Personen der Vergangenheit angeblich bewirkt wurden. Zwar werden diese Wunder immer kritischer beurteilt, aber für viele Gläubige sind die Wunder der Heiligen immer noch Tatsache und Realität.

Das Tauziehen um die Marienerscheinungen von Heroldsbach erscheint mir genauso seltsam wie um die Seligsprechung oder Heiligsprechung der  Resl von Konnersreuth in der  Oberpfalz. Es ist wohl vor allem das Ringen um Bedeutung innerhalb der Organisation Kirche, wie man früher durch den Besitz von Reliquien Wallfahrtsort wurde und damit viel Geld zu verdienen war. Da streiten sich bis heute Gemeinden darum, wer wohl den richtigen Schädel des Johannes besitzt, oder wo Maria Magdalena nach Jesu Tod ihr weiteres Leben verbracht hat. Die Stätten werden noch immer verehrt und üben durch diese Verehrung indirekt auch auf Nichtgläubige eine gewisse Faszination aus, wie zum Beispiel eine Höhle bei  Saint-Maximin-la-Sainte-Baume in Südfrankreich, wo Maria Magdalena Zuflucht gefunden haben soll, möglicherweise mit ihren Kindern, die sie von Jesus hatte.

Gruselgeschichten und Gespenster

Warum strömen die Leute in Gruselfilme? Warum lesen sie Gespenstergeschichten? Vielleicht ist es ein schönes Gefühl, sich etweas gruseliges vorzustellen und zu wissen, dass es das in Wirklichkeit ja nicht gibt und man keine Angst davor zu haben braucht. In früheren Zeiten war das allerdings nicht der Fall. Optische und akustische Phänomene, die man nicht verstand, gab es viel mehr als heute. Ohne unsere moderne Straßenbeleuchtung waren die Nächte bestimmt auch viel gruseliger als heute. Nicht nur wilde Tiere, die Menschen fraßen, sondern auch Irrlichter, Feen, Elfen und Naturgeister hausten in den unwegsamen Wäldern. Vielleicht versuchen sie, in die Häuser einzudringen, wenn's draußen stürmt und regnet. Man hört ja, wie es an den Türen und Fensterläden rüttelt und schüttelt. Besonders beliebt schienen bei den Gespenstern die alten englischen Landhäuser und Schlösser zu sein. Und natürlich Hogwarts, die Schule für Hexerei und Zauberei in den  Harry Potter Romanen Die Harry Potter Romane von J. K. Rowling.

Die Weiße Frau

Als Beispiel hier mal eine deutsche Erscheinung, die Geschichte der Weißen Frau, dem Hausgespenst der Adelsfamilie der Hohenzollern. Auf der  Plassenburg in  Kulmbach soll sie ihre beiden Kinder umgebracht haben, weil sie dachte, sie stünden ihrer neuen Liebe im Weg. Mehr über die  Weiße Frau, das Hohenzollern-Gespenst
 
Elsie Wright und Frances Griffiths treffen die Feen von Cottingley
In dem Film Fremde Wesen treffen Florence Hoath als Elsie Wright und Elizabeth Earl als Frances Griffiths die Feen von Cottingley
Elsie Wright und Frances Griffiths treffen die Feen vom Cottingley-Bach

Feen und Elfen

Wäre es nicht schön, wenn unsere Wälder und die Natur von Feen und Elfen bevölkert wären, die uns nichts Böses wollen und einfach gut sind. Schon bei den Kelten und Germanen waren solche Naturgeister allgegenwärtig. Wenn sie im Wald leben, sind es eben Waldgeister. Im Jahr 1917, während des Ersten Weltkrieges, als Fotoapparate allmählich verbreiteter wurden, machten zwei junge Mädchen im englischen Cottingley bei Bradford Fotos von am nahen Bach lebenden Feen, kleine Menschen mit schmetterlingsähnlichen Flügeln.

Erst drei Jahre später bekam der Thesoph Edward Gardner die Aufnahmen zu Gesicht, heute würden wir wohl eher "Esoteriker" sagen. Er ließ sich die Echtheit der Fotos von Experten bestätigen, und schließlich wurde kein geringerer als  Sir Arthur Conan Doyle auf die Bilder aufmerksam, der durch seine Geschichten von Sherlock Holmes und Dr. Watson bereits berühmt war. Er interessierte sich für Spiritismus, ließ aber eine zweite Expertise von der Firma Kodak erstellen. Diese konnte zwar keine Fälschung erkennen, schränkte aber skeptisch ein: "Da es keine Feen gibt, müssen die Aufnahmen irgendwie gefälscht worden sein".

Noch im Jahr 1920 wurden einige der Fotos veröffentlicht, was große Aufmerksamkeit in allen Zeitungen und bei der Bevölkerung fand. Heute würden wir das wohl Medienhype nennen. Die Geschichte wurde in den folgenden Jahrzehnten immer wieder aufgewärmt und geisterte als Die Feen vom Cottingley-Bach fast das ganze 20. Jahrhundert durch die Medien. 1978 erklärte James Randi, Mitglied einer Skeptikerbewegung, die Bilder für gefälscht. 1983 soll Elsie Wright im Alter von 83 Jahren die Fälschung der Bilder zugegeben haben, während ihre Cousine Frances Griffiths widersprüchliche Aussagen machte. War das ganze ein Jahrhundert-Hoax? 1997 wurde die Geschichte Grundlage zweier Spielfilme: Fremde Wesen – Zauber der Elfen und Der Elfengarten.

Historische Fakes und Hoaxes

Die Flut von Verschwörungstheorien bekam durch das Internet mit seiner Informationsfreiheit großen Auftrieb. Jeder kann etwas schreiben, das im Prinzip jeder lesen kann, man muss es in dem Wust nur finden. Aber schon vor Jahrhunderten gaben geheimnisvolle Schriften den Menschen Rätsel auf. Zwei Beispiele:

Das Voynich-Manuskript

Rudolf II., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs und König von Böhmen, war um das Jahr 1600 im Besitz eines Dokuments, das niemand lesen konnte. Mit seiner Handschrift und aufwändigen Illustrationen mutet es mittelalterlich an. Heute befindet sich das Original in den Bibliotheken der Yale Universität in New Haven (Connecticut) und konnte nie entschlüsselt werden. Wahrscheinlich ist es ein Hoax, ein gut gemachter Schwindel, reine Phantasie, aber es ist tatsächlich ein halbes Jahrtausend alt!  Entschlüsselung des Voynich-Manuskripts

Etwas ähnliches schuf im 20. Jahrhundert der italienische Designer Luigi Serafini: Der Codex Seraphinianus, eine Art Lexikon, geschrieben in einer Fantasiesprache in erfundener Fantasie-Schrift. Obwohl ganz deutlich als fiktiv veröffentlicht und bezeichnet, ist es doch geheimnisvoll und unheimlich.
 Codex Seraphinianus
Voynich-Manuskript - Acht Frauen in einer Badewanne
Illustration aus dem Voynich-Manuskript: Das Bild mit acht Frauen in einer Badewanne soll Therapeutisches Baden darstellen. Auch Heilpflanzen und Astrologie sind abgebildet.

Die Beale-Kryptogramme, eine Schatzkarte

Aus dem 19. Jahrhundert stammt eine Schrift, die drei verschlüsselte Texte in Form von Zahlenkolonnen enthält. Die Zweite konnte entschlüsselt werden, der Schlüssel war die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Darin wird ein großer, vergrabener Schatz beschrieben. Wo genau steht in den anderen Schlüsseltexten, und die sind mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Scherz, der viele Menschen immer wieder antrieb nach dem Schatz zu suchen, von Abenteurern, Mathematikern, Kryptologen bis zu Esoterikern.

Ernüchtert muss man feststellen, dass sowohl das Voynich-Manuskript als auch die Beale-Kryptogramme nichts anderes sind als eine geniale Verarschung.

Phantasie und bewusstseinserweiternde Drogen

Kennen Sie sich mit Pilzen aus? Safrangelbes Samthäuptchen (Crocotus conocybe) oder Safrangelbes Samthäubchen (Conocybe caesia) heißt ein Bläuling, der psychedelisch wirksame Substanzen wie Psilozybin, Psilozin und MAOH enthält. Wenn man ihn isst, erzeugt er einen Rausch mit visuellen, phantastischen Halluzinationen und wirkt bewusstseinserweiternd.

Wer weiß, wie viele gute oder nicht so gute Ideen unter dem Einfluss von Drogen entstanden sind. Manche sagen, unter dem Einfluss dieses Pilzes kann man sogar die Lottozahlen des nächsten Wochenendes sehen. Dazu braucht man aber eine starke Dosis. Einer hat's mal probiert. Es hat geklappt, aber er hatte nichts mehr davon, weil er starb, bevor er den Lottoschein abgeben konnte.

Ausprobieren können wir's gottseidank auch nicht mehr, da der Pilz ausgestorben ist. Manche sagen, es hat ihn nie gegeben, ein Phantasie-Pilz, der die Phantasie anregt. Ein paar wissenschaftlich klingende Namen, einige Fachwörter, die's wirklich gibt, ein schönes Bild, und schon glaubt man's. In diesem Fall hat sich das der Schweizer Autor Martin Suter ausgedacht, für seinen Roman Die dunkle Seite des Mondes aus dem Jahr 2000. Verfilmt wurde die Geschichte 2015 mit Moritz Bleibtreu und Nora von Waldstätten.
Safrangelbes Samthäubchen (Conocybe caesia)
Safrangelbes Samthäubchen (Conocybe caesia)
Safrangelbes Samthäuptchen, ein bewusstseinserweiternder Pilz
Safrangelbes Samthäuptchen, ein bewusstseinserweiternder Pilz
Als junger Pilz gelb, wird es nach ein paar Tagen blau: Das Safrangelbe Samthäuptchen auf dem Galgenberg bei  Marktleuthen im Fichtelgebirge, unten in einem alten Pilzbuch:
Altes Pilzbuch
Abb: Aus Die Dunkle Seite des Mondes, Spielfilm von 2015

Krankhaftes Lügen und Erfinden von Geschichten:

Pseudologia phantastica, die Pseudologie oder Mythomanie

Es gibt Menschen, die brauchen keine bewusstseinserweiternden Drogen, um phantastische Geschichten zu erzählen, sie leiden an

Lügensucht

. Zwanghaft erfinden sie ständig Geschichten, was sie schon alles erlebt haben und was sie alles planen. Damit stehen sie oft im Mittelpunkt von Gesprächen. Sie machen das aber nicht bewusst und absichtlich, sie können nicht anders. Der deutsche Psychiater Anton Delbrück hat das Krankheitsbild 1891 beschrieben.

Glauben Sie mir etwa nicht? Habe ich den letzten Absatz etwa frei erfunden? Ein Fake? Nein, ausnahmsweise nicht. Das gibt es wirklich, ernsthaft. Als ich ein Kind war, saß öfters ein alter Kleinbauer bei meinem Vater in der Schreinerwerkstatt und erzählte von seinem Leben. Was er allein schon alles im Krieg erlebt hatte, kaum zu glauben, oder was er alles mit seinen Kühen und Schweinen durchmachen musste, und sein Traktor, der ständig Zicken machte. Man musste ihm einfach zuhören, es war interessant und wirklichkeitsnah ausgeschmückt. Mein Vater sagte dann nur (ins hochdeutsche übersetzt): »Das darfst du nicht alles glauben, das ist ein Wichtigtuer!« Erst 50 Jahre später kam ich drauf, was der Wichtigtuer offenbar hatte: Pseudologia phantastica!

Wenn ich mich mit diesem Wissen umschaue, fallen mir immer wieder Leute auf, die unglaubliche Geschichten so erzählen, als hätten sie das alles selbst erlebt. Die meisten nur ab und zu. Sie machen sich einfach einen Spaß daraus, Schriftsteller leben von ihrer Phantasie. Kein Mensch glaubt ernsthaft, dass Joanne K. Rowling's Harry Potter ein Tatsachenbericht ist. Wo die Grenze zum Krankhaften liegt, zum pathologischen Lügen, wer weiß. So lange er oder sie keinem schadet, bereichert es einfach die Stammtische oder Kaffeekränzchen.

Übrigens … Neulich habe ich auf dem Galgenberg bei Marktleuthen im Fichtelgebirge eine Hexe gesehen. Und sie hat mit einem Elch geredet, Tatsache!




Bücher über Verschwörungstheorien, Sagen und Legenden
Bücher Elektronik, Foto
Musik-CDs DVDs, Blu-ray
Spielzeug Software
Freizeit, Sport Haus und Garten
Computerspiele Küchengeräte
Essen und Trinken Drogerie und Bad
Erwin's Bücherecke