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Du, mein Licht in dunkler Nacht
Ein Liebesroman von Peter Althammer
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Die große Liebe
»Entschuldigen sie bitte?«, fragte die Person.
Doch er hörte diese Person anscheinend nicht,
so sehr war er noch immer in seinen Gedanken versunken. Dann bemerkte
er eine Berührung an seiner rechten Schulter. Mit einem Male
erschrak er sich und blickte sein neues Gegenüber mit großen
Augen an.
»Entschuldigen Sie bitte, ist hier noch frei?«
fragte sein Gegenüber zum wiederholten Male.
»Was? Ach ja, bitte. Natürlich ist hier noch
frei.« antwortete Johnny mit sanft wirkender Stimme.
»Dankeschön, das ist sehr nett von ihnen.«
erwiderte sein Gegenüber.
»Bitte, bitte, gern Geschehen.« erwiderte er
in Höflichkeit.
Johnny traute seinen Augen kaum. Als er sein Gegenüber
bewundernd, musternd, begutäugte. Sie war eine Junge und
Hübsche, Brünette. Er hatte schon viele junge Frauen in
seinem Leben gesehen, aber dieses Geschöpf was ihm nun gegenüber
saß, glich einem Engel. Sie hatte bis hin über die
Schultern, ja fast bis abwärts in Höhe ihrer Ellenbogen,
langes glänzendes braunes Haar, das sie offen und natürlich
trug. Er wagte es kaum, ihr direkt in die Augen zu sehen, was nach
seiner Meinung zu aufdringlich wirken musste. Also, beschloss er erst
einmal sich mit dem Rest ihres wundervoll proportionierten Körperbaus
zufrieden zu geben. Es folgte die nächsten Minuten ein stetiges
Schweigen. Ab und an, wenn Johnny sich sicher fühlte, dass er
mal wieder einen heimlichen Blick riskieren konnte, tat er es auch
und musterte sie in Windeseile von Kopf bis zu ihren zierlich kleinen
Füßen. Wenn er bemerkte, dass sie ihren Blick in seiner
Richtung warf, tat er desinteressiert, in dem er mit Blitzesreaktion
aus dem Fenster starrte. Was Johnny zu diesem Zeitpunkt nicht auffiel
war, das dieses Wunderschöne Geschöpf das Gleiche tat. So
spielten beide einige Zeitlang ihr Beobachtungsspielchen. Bis sie jäh
in die Realität zurück versetzt wurden. Die Kabinentüre
wurde aufgeschoben und ein winzig wirkendes Etwas stand plötzlich
vor ihnen. Es war der Fahrkartenkontrolleur, der die Fahrkarten
verlangte. Johnny musste sich nun zusammenreißen. Die ganze
Situation schien nun außer Kontrolle zu geraten. Er musste sich
das Lachen verkneifen. Einen solchen kleinen Fahrkartenkontrolleur
hatte er seiner Lebtage nicht gesehen. Johnny war eigentlich nicht
der Typ Mensch, der sich über andere lustig zu machen pflegte,
aber dieser kleine Fahrkartenkontrolleur schien Johnny emotional
den Rest zu geben. Und als sich die Blicke der hübschen Brünette
und Johnny trafen, war es um beide geschehen. Unter lautem Lachen
zückten sie ihre Fahrkarten, die dieser kleine
Fahrkartenkontrolleur, sofort mit seinem Gerät lochte. Und als
dieser kleine Fahrkartenkontrolleur auch noch mit zu lachen begann,
war es um die beiden geschehen. Das einfache Lachen artete sich zu
einem Lachkrampf aus.
Nachdem der Fahrkartenkontrolleur uns gute Weiterreise
wünschte, ging er wieder seines Weges, von einer Kabine zur
nächsten.
Nun kam es endlich zwischen Johnny und der hübschen
Brünetten zum Gespräch.
Während der Weiterfahrt stellte sie sich als Sheila
Roiger vor. Sie war fünfunddreißig Jahre alt und lebte und
arbeitete als Anwältin, eigentlich in Frankreich. Nach einer
herben Enttäuschung verließ sie ihren langjährigen
Freund, der sich im laufe ihrer Beziehung als gewalttätiger
Alkoholiker entpuppte. Auch mit der Treue innerhalb ihrer Beziehung,
hielt er nicht viel davon. So kam, was kommen musste. Sie floh und zog,
nach mehr als vierzehn Jahren Partnerschaft, einen endgültigen
Schlussstrich. Weiterhin erzählte sie Johnny, dass sie derzeit
bei ihren Eltern in Stuttgart wohne, natürlich nur solange bis
sie irgendwo hier in Deutschland eine neue Anwaltspraxis eröffnet
habe. Johnny hörte nur zu und bemerkte ihre innerliche
Verzweiflung und Einsamkeit. Er fühlte, dass sie einen netten
Menschen zum Reden brauchte, ja einfach einen Menschen dem
Verständnis nicht gleichgültig war. Nicht mehr und nicht
weniger. Plötzlich spürte Johnny ein Gefühl in sich,
so wie er es noch nie in seinem Leben je verspürt hatte. Es
schien ihm die tolle Figur der so hübschen Frau nicht mehr so
wichtig. Er schämte sich, im Gedanken diese verzweifelte Frau
ausgezogen zu haben. Dinge gedacht zu haben, was man halt so denkt,
wenn einem eine Frau gefällt und quasi mehr oder weniger der
Verstand in die Hose zu rutschen begann. Er vernahm nun nur noch ihre
Stimme, ihre Worte und diesen Ausdruck in ihren Augen. Ja, diese
Augen. Diese Augen schienen lauter zu schreien als ihre Stimme. Ja,
Johnny konnte in diesen Augen mehr lesen als Sheila jemals mit Worten
hätte erzählen können. Ihre Worte hallten wie ein Echo
in Johnnys Richtung.
Was mag dieser Mistkerl ihr nur angetan haben, dachte er
sich insgeheim. Dann folgte wieder Schweigen. Sheila schien seine
besondere Aufmerksamkeit nicht entgangen zu sein. Sie fühlte,
dass sie sich habe gehen lassen. Sie konnte nicht begreifen, warum
sie sich diesem fremden Mann so offen offenbarte.
Man, bin ich denn jetzt von allen guten Geistern
verlassen worden, ich kenne doch diesen Mann überhaupt nicht.
Wie komme ich denn dazu, einem wildfremden Mann, mein bisheriges und
gescheitertes Leben zu erzählen. Ich muss den Verstand verloren
haben. Dachte sie sich und schämte sich ein wenig.
Was Johnny natürlich sofort auffiel. Doch beschloss
er, sie in dieser für sie peinlichen Situation nicht zu drängen,
um von ihrem bisherigen Leben mehr zu erfahren.
»Und wohnen sie auch in Stuttgart?« fragte
sie so ganz beiläufig, um geschickt vom vorherigen
Gesprächsthema abzulenken.
»Nein, ich bin in Nürnberg zu Hause. Ich besuche nur
meine Großmutter, die am Stadtrand in Stuttgart ein Häuschen
besitzt.«, erwiderte er.
»Ah, das finde ich sehr nett. Wissen sie, die
meisten jungen Menschen kümmern sich überhaupt nicht um
ihre Großeltern und schieben sie einfach in ein Altersheim
ab.«, sagte Sheila.
»Da haben sie recht und um ehrlich zu sein, daran
gedacht hatte ich schon. Dennoch, von Jahr zu Jahr verschiebe ich
dieses Vorhaben, ich kann es einfach nicht. Sie einfach aus Ihrem
Gewohnten Leben herauszureißen. Darum fahre ich fast jedes Wochenende
zu ihr, um für sie einzukaufen. Und dann ist ja da auch noch der
Garten, der gepflegt werden will.«, sagte Johnny.
»Sie lieben ihre Großmutter wohl sehr, nicht
wahr?« fragte Sheila.
»Oh ja, sie ist ein Goldstückchen, ein
richtiger Schatz.«, erwiderte Johnny mit einem Leuchten in den
Augen.
»Ich habe leider keine Großeltern mehr. Aber
ich kann mich in meiner Kindheit noch gut an sie erinnern. Diese
schönen Gedanken bewahre ich mir stets im Herzen auf.«,
sagte Sheila
»Ja, sie sollten diese schönen Erlebnisse
nicht vergehen lassen. Denn eben durch diese Erinnerungen, leben sie
auf ewig weiter.«, sagte Johnny, etwas melancholisch geworden.
Was aber Sheila sehr gefiel.
Wusste gar nicht, dass es noch Männer gibt, die
soviel Gefühl in sich tragen, dachte sie sich.
»Ja gewiss, vergessen werde ich sie niemals.«,
sagte Sheila etwas traurig.
»Übrigens Sheila, ich heiße Johnny.«
verriet er ihr.
»Freut mich Johnny.«, sagte sie daraufhin.
Allmählich vertieften sich ihre Gespräche und
von Satz zu Satz wurden beide immer lockerer und schon bald darauf
duzten sich beide. Sie unterhielten sich und lachten über dieses
und jenes und vergaßen allmählich die Zeit und schon bald
darauf ertönten die Lautsprecher in sämtlichen
Zugabteilungen.
»Meine Damen und Herren in wenigen Minuten fahren
wir im Stuttgarter Hauptbahnhof ein. Wir und unsere Gesellschaft
bedanken uns und wünschen allen unseren Fahrgästen, einen
recht schönen Tag.«, sprach der Schaffner.
»Oh was schon? Man, habe vor lauter Reden doch
glatt die Zeit vergessen.«, wies Sheila darauf hin.
»Mir ging es auch nicht anders. Tja, war ne prima
Unterhaltung, Sheila.«, sagte er und machte auf Sheila den
Eindruck, als wäre er traurig darüber, dass sie sich bald
nie wiedersehen würden.
Und das Sonderbare daran war, das es Sheila auch nicht
anders erging. Sie konnte es nicht begreifen, warum sie sich
wahrhaftig richtig wohl bei ihm gefühlt hatte und das nach einer
Zeit von nur fast zwei Stunden. Denn Sheila stieg ja fast eine Stunde
später in den Zug, als Johnny.
Was ist nur mit mir los, du kennst diesen Mann doch gar
nicht. Auch wenn du dich ein bisschen nett unterhalten hast. Und
außerdem ist er sowieso nicht dein Typ. Er sieht zwar
einigermaßen gut aus, aber besonders schön ist er ja
wirklich nicht. Und etwas mollig ist er ja auch noch. Also, reiß
dich zusammen und verabschiede dich höflich wie es sich gehört.
Dachte sich nun Sheila, ja fast im gedanklichen Selbstgespräch.
»Ja Johnny, war echt ne nette Unterhaltung.«,
sagte sie zu ihm.
Und während der Zug langsam im Bahnhof einfuhr,
schwiegen sich die beiden aus. Doch ihre Blicke sagten etwas anderes.
Sheilas Hände begannen zu zittern. Ja ihr ganzer Körper
bebte innerlich. So etwas hatte sie noch nie gefühlt. Sie konnte
sich einfach nicht unter Kontrolle halten. Und das machte ihr Angst.
Sie getraute sich nicht einmal einen ihr eigenen Gedanken zu denken.
Sie zwang sich förmlich ihn nicht mehr eines Blickes zu
würdigen, ihn nicht mehr in die Augen zu sehen, sonst, und das
wusste sie genau, wäre sie verloren gewesen.
Auch Johnny erging es nicht anders, auch er bebte
innerlich. Auch er verdrängte ein bestimmtes Gefühl, ein
bestimmtes Gefühl, das ihm nun zur Qual wurde. Dann setzte der
Zug zur leichten und sanften Bremsung an. Sheila nahm vom obersten
Gepäckgitter ihre Tasche herunter. Während Johnny seinen
Rucksack, den er während der ganzen Fahrt links neben sich auf
der gepolsterten Sitzbank liegen hatte, an sich nahm. Dann stand er
auf und legte den Rucksack auf seinen Rücken auf. Während
beide sich nun gezwungenermaßen beim Aufstehen sehr nah kamen,
hielt Johnny inne und getraute sich nicht mehr zu bewegen. Ihre
Gesichter befanden sich nur noch zehn cm voneinander entfernt.
Johnny konnte nun ihr süßliches Parfüm riechen.
Sein ganzer Köper bebte vor Aufregung. Beide
standen nun Gesicht an Gesicht und sahen sich das erste Mal tief in
die Augen. Kein einziges Wort fiel. Starr wie zwei Statuen standen
sich beide gegenüber. Beide dachten das gleiche, doch wagte es
keiner auszusprechen. Dann schloss Sheila die Augen. Johnny wusste
was sie wollte, doch hatte er ungeheure Angst, es vielleicht doch miss
zu verstehen. Johnny nahm seinen ganzen Mut zusammen, mehr als eine
Ohrfeige würde er nicht riskieren müssen. Dachte er sich.
Langsam und doch wachsam, beugte er seinen Kopf in
Richtung ihres Mundes. Ganz zart und sanft berührten sich nun
beider Lippen, die sich zu einem Gefühl von tausend
Explosionen, sinnlicher Wahrnehmungen, vereinten. Sie umarmten sich
nicht, außer ihren warmen und samtweichen leicht feuchten
Lippen, berührte sich nichts von ihnen. Leicht begann sie ihren
Mund während sich ihre Lippen weiterhin vereinten, zu öffnen
und in diesem Augenblick gereifte dieser Kuss zur Vollendung. Beide
nahmen in diesem Moment des Glückes, außer diesen einen
Augenblick, nichts mehr war. Dann trennten sich ihre Lippen von
einander. Sie wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Doch Johnny
hob ganz zärtlich mit seiner rechten Hand, ihr Kinn hoch, so
dass sie ihn in die Augen sehen musste. Dieser Blick von beiden,
dieser war so innig, so voller Leidenschaft, so voller Gleichnis und
offenbarte ihre Gefühle füreinander, als würden alle
Gefühle, als würde alles Wollen und Verlangen zu einem
einzigen Impuls in ihren Körpern, ja, zu einem einzigen
existierenden Ganzen zusammen verschmelzen. Als wären nur sie
beide für einander bestimmt. Johnny wollte ihr noch etwas sagen,
doch sah er Tränen in ihren Augen, die langsam begannen auf
ihren Wangen herunter zu fließen. Er wollte sie so nicht gehen
lassen. Angst überfiel ihn, so stark als wolle man ihm etwas
wegnehmen, was er schon sein Leben lang suchte und nun endlich fand.
Er wollte nicht loslassen. Mit aller Macht seiner Gefühle,
versuchte er krampfhaft das Unvermeidliche zu verhindern. Er durfte
seine körperlichen Kräfte nicht benutzen. Nur seine Gefühle
hatten das Recht, sich gegen dieses Böse was nun mit aller
Macht versuchte, sie zu trennen, sich gegen sie zu stellen. Doch
instinktiv spürte er, dass seine Gefühle nicht ausreichen
werden, das Unabänderliche zu verhindern. Und so kam was kommen
musste. In Windeseile schnappte sich Sheila ihre Tasche, die sie kurz
vor dem Kuss auf der gepolsterten Sitzfläche hat fallen lassen.
»Verzeih mir bitte.«, sagte sie mit
zitternder Stimme, drehte sich um und rannte, ja stürzte sich
förmlich aus der Kabine, hinaus auf den Vorgang des Abteils und
hinaus aus dem Zug auf den Bahnsteig.
Johnny stand wie gelähmt da. Dann ein Blitzgedanke
und er stürzte hinterher auf den Vorgang, durch das Abteil und
hinaus aus dem Zug. Doch es war schon zu spät, die Menschenmenge
die sich auf dem Bahnsteig tummelte, hatte Sheila schon längst
verschluckt. Er wollte sie nicht aufgeben. Diesen Augenblick nicht
als Schwäche abgelten lassen. Nicht eher, bevor er ihr seine
Gefühle zumindest gestanden hatte. Eilig und ja sogar rufend
stürzte er sich in die Menge. Seine Blicke schweiften gierig in
sämtliche Richtungen, ja sie formten sich zu einem Wahnsinn.
Als wäre er verrückt geworden, als wäre er ein
Drogenabhängiger, den man gerade eben seinen Stoff weggenommen
hatte. Er rannte und rannte, drängelte sich durch die
Menschenmenge. Er wollte es nicht akzeptieren, dass mit diesem Kuss
alles vorbei sein sollte, alles vorbei, bevor es überhaupt
angefangen hatte. Nach minutenlangem hin und her rennen blieb Johnny
völlig außer Puste und mit den Nerven fertig, stehen. Da
stand er nun, wie ein Häufchen Elend. Und er fühlte sich
auch so. Johnny weinte innerlich und er musste sich mächtig
zusammenreißen, nicht laut los zu schreien. Mit gesenktem Haupte lief
er in Richtung des Hauptausganges, der aus dem Bahnhof hinaus führte.
Er konnte es einfach nicht begreifen, dass das Schicksal so ein
mieses Spielchen mit ihm trieb. Was für eine Macht ihm erst
dieses Glück scheinbar vor die Füße legte und es ihm,
im nächsten Augenblick wieder entriss. Johnny begriff sich
selbst nicht mehr. Er war es, der oft lachte, wenn er sich im
Fernsehen Liebesfilme ansah, wo sich Menschen auf den ersten Blick
ineinander verliebten. Alles Humbug, dachte er sich stets. Liebe
musste doch erst reifen, mit gemeinsam Erlebtem wachsen. Und nun
hat es ihn gepackt und hält ihn in all seinen Gefühlen fest
umklammert, gefangen. Johnny lief zu den Straßenbahnhaltestellen
die sich unweit, also in der Nähe des Hauptbahnhofes befanden
und stellte sich zu der Haltestelle der Linie Zwölf, mit der er
fast bis zum besagten Stadtrand, wo seine Großmutter ihr
Häuschen hatte, fahren konnte. Von dieser Endhaltestelle war es
vielleicht nur noch dreihundert Meter zu laufen. Dann kam die besagte
Linie Zwölf und er stieg ein, setzte sich auf eines der noch
freien Sitzplätze und harrte der Dinge.
Kapitel 3
© 2008 by Peter Althammer
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