Du, mein Licht in dunkler Nacht

Ein Liebesroman von Peter Althammer

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Die Befreiung

Sheila bemerkte seitlich von sich einen Lichtschein. Da sie mit dem Rücken zum suchenden Johnny saß. Aha, dachte sie sich, es wird Karl sein, um mich nun umzubringen. Ja, um seine Arbeit hier und jetzt zu beenden. Ehrlich gesagt war es ihr nun egal geworden. Sie konnte beim besten Willen nicht mehr. Dann folgte ein weiterer Gedanke, der in ihr förmlich das Adrenalin durch ihr Gehirn jagte. Es könnte doch sein, das mich jemand sucht. Die Polizei. Doch diesen Gedanken verwarf sie schnell.
Nein das kann nicht die Polizei sein. Sie hätten Hunde dabei, die nun bellen, ja, Laute von sich geben würden. Das ist nämlich ihr Spieltrieb, sich immer bei Herrchen aufmerksam zu machen. Also doch Karl. Na dann komm schon, du mieses Stück Scheiße. Sie war bereit und wartete auf ihren unvermeidlichen Tod, auf das Ende. Johnny beschloss, noch einige Meter weiter hinein zu gehen, dort wo der Wald dichter zu werden schien. Als er dort ankam, blieb er nochmals stehen und während er, so gut es nur ging, diesen Bereich ableuchtete, schrie er noch ihren Namen. Er wusste nicht, dass er höchstens acht Meter vor Sheila stand.
Okay, das war es dann wohl. Oh mein Gott, hilf mir, hilf ihr doch. Wo bist du, meine große Liebe. Gerade wollte er sich umdrehen, um zurück zum Auto zu gehen, da glaubte er eine Bewegung im Schein der Taschenlampe gesehen zu haben. Johnny bekam eine Gänsehaut, es lief ihm kalt den Rücken herunter. Langsam, innerlich vollkommen angespannt, ging er auf das zu, was er glaubte gesehen zu haben. Dann stand er vor vielen Birkenbäumen und leuchtete sie ab.
Muss mich wohl geirrt haben. Dachte er sich noch.
Gerade als er sich wieder abwenden und zurückgehen wollte, da glaubte er erneut, im letzten Winkel seines linken Auges eine scheinbare Bewegung wahrgenommen zu haben. Er richtete den Schein seiner Taschenlampe auf das vermeintlich gesehene und entdeckte tatsächlich einen regungslosen Arm oder so. Er ging darauf zu und beleuchtete es weiter. Auch er fühlte sich in dieser abgeschiedenen und dunklen Gegend nicht sehr wohl. Tatsächlich, es war ein Arm den er da zu sehen bekam. Doch er war regungslos. Er befürchtete in diesem Augenblick, als er zwei zierlich kleine Hände um den Baum herumgefesselt sah, das Schlimmste. Er ging etwas um den Baum herum und sah Sheila an Mund und Füßen gefesselt liegen. Durch den Schein seiner Taschenlampe konnte Sheila ihn nicht erkennen und dachte, dass es Karl sei, der nun gekommen sei um sie zu töten. Aus Leib und Seele schrie Sheila, was sich durch das Seidentuch, das sich auf ihren Mund presste, wie elendes Jammern anhörte.
»Sheila, ich bin es, Johnny, Sheila, ganz ruhig.«, kniete er vor ihr und entfernte das seit letzem Tag quälende Seidentuch von ihrem wunden Mund.
Als er es entfernt hatte, schrie Sheila so laut, dass es Johnny durch Mark und Bein fuhr.
»Sheila, mein Liebling, ich bin es doch, Johnny.«, wiederholte er immer wieder, während er ihre Handgelenke von dem Strick befreite und sie plötzlich ganz ruhig wurde. Sie konnte es gar nicht glauben und dachte zuerst, dass ihr Verstand einen Streich mit ihr spielte. Doch als er sie küsste, so innig wie einst in diesem Abteil, in diesem Zug nach Stuttgart, wusste sie, dass es Wirklichkeit war. Das waren für Sheila die schönsten Schmerzen, da ihre Lippen ja wund waren, die sie jemals spüren durfte.
Schwach und kraftlos hob sie ihren fast gefühlslosen rechten Arm und streichelte Johnnys linke Wange. Leise und zart und mit bibbernder, zittriger Stimme sagte sie:
»Johnny, du bist du es wirklich. Mein Johnny, mein schöner Johnny.«
So schnell er es nur vermochte, befreite er Sheila von den restlichen Fesseln. Er legte sie in seine kräftige Arme und hob sie vorsichtig hoch, trug sie in Richtung der Lichtung, dort wo das Auto stand. Sie umarmte ihn dabei sehr feste. Sie krallte sich förmlich in seine Schultern. Johnny war in diesem Moment der glücklichste Mann auf Erden. Ihre Liebe zueinander führte sie selbst aus weiter Entfernung wieder zusammen. Selbst eine aussichtslose Lage konnte sie nicht voneinander trennen. So drei Meter vor dem Auto angekommen, traute Herr Roiger, als er im Scheinwerferlicht seine Tochter auf Johnnys Armen liegen sah, seinen Augen nicht. Vergessen war sein verstauchtes Bein. Humpelnd, mit schmerzverzerrtem Gesicht, lief er auf die beiden zu.
»Kleines, ich bin es, Papa, Liebes, ich bin es, dein Papa.«, sagte er weinend und umarmte beide. Er umarmte Johnny, der noch immer Sheila auf seinen Armen trug und schließlich auch sie.
»Papa, oh mein Papa.«, auch sie konnte sich nicht mehr beruhigen, als sie ihren völlig verstörten Papa umarmen durfte.
»So, jetzt schnell ins Krankenhaus. Sie ist ja völlig unterkühlt.«, sagte Johnny und stieg, mit Sheila auf seinem Schoß liegend, hinten ein.
»Herr Roiger, können sie überhaupt noch mit ihrem verstauchten Fuß fahren? Wir müssen unbedingt von hier verschwinden, vielleicht ist dieses Monster ja noch hier in der Nähe.«, fragte Johnny berechtigterweise.
»Und müsste ich mit meinen Händen gasgeben, ich täte es. Mein guter Johnny.«, sagte er zu ihm und fuhr los. Schnell war der holprige Feldweg überwunden und sie befanden sich wieder auf der Bundesstraße in Richtung Krankenhaus.
»Ach du meine Güte, ich muss ja meine Frau anrufen, sie wird schon wahnsinnig vor Angst um Sheila sein. Gunther nahm das Autotelefon und wählte die entsprechende Nummer.

*


Noch immer saßen Frau Roiger und die Haushälterin Claudia wartend im großen Saal, als das Haustelefon an der Minibar läutete.
Frau Roiger war vor der ganzen Aufregung, und durch die Einnahme ihrer Beruhigungstropfen, im Sessel fest eingeschlafen. Und während sie durch das Läuten wach wurde, befand sich Claudia längst am Telefon.
»Äh, was, wer, das Telefon? Aha, Claudia hat schon abgehoben.«, stellte sie fest und lauschte mit Sorgenfalten auf ihrer Stirn den Neuigkeiten.
»Ja, hier bei Familie Roiger, hier ist die Haushälterin Claudia Hübner, was kann ich für sie tun?«, fragte sie mit zitternder Stimme.
»Claudia, ich bin es, Herr Roiger. Ich und Johnny haben Sheila gefunden. Berichte meiner Frau, dass wir mit ihr auf dem Weg ins Stuttgarter Stadtkrankenhaus sind.«, sagte er und legte wieder auf.
Vor Freude ließ Claudia den Telefonhörer fallen, der sich an seinem Kabel verfing und rannte die wenigen Meter zu Frau Roiger, um ihr diese Neuigkeit sofort zu berichten.
»Frau Roiger, Frau Roiger, sie haben Sheila gefunden.«, sagte Claudia völlig außer sich, so das sie erst einmal nach Luft schnappen musste.
»Oh mein Gott, ist das war? Aber wie geht es ihr denn und wann kommen sie nach Hause?«, fragte die Hausherrin, die nun schlagartig hellwach wurde.
»Ich soll ihnen von ihrem Mann bescheidgeben, dass sie Sheila hier ins Stuttgarter Stadtkrankenhaus bringen.«, erzählte Claudia weiter.
»Ins Stadtkrankenhaus sagst du? Ja aber warum denn das? Ist sie vielleicht verletzt?«, fragte und fragte sie Claudia Löcher in den Bauch.
»Das weis ich nicht, mehr hat mir Herr Roiger auch nicht erzählt. Er hat anschließend einfach wieder aufgelegt.«, sagte sie.
»Gut, Claudia ruf mir ein Taxi, zum Autofahren bin ich viel zu aufgeregt. Ach ja, du kommst mit. Sheila würde mir das nie verzeihen, wenn ich dich nicht dabei hätte.
»Gewiss Frau Roiger, ich gehe mir nur schnell meine Jacke überziehen.«, sagte Claudia.
»Ach ja, welches der Mädchen ist eigentlich am längsten hier?«, fragte die Hausherrin.
»Es ist Charlotte, Frau Roiger.«, antwortete sie.
»Nun gut. Ich weiß dass die Mädchen längst Feierabend haben, aber das hilft nun alles nichts. Gib bitte Charlotte bescheid, dass sie, solange wir aus dem Hause sind, das Zepter in die Hand nimmt. Und sie soll sich das drahtlose Telefon schnappen und stets bei sich tragen. Und Claudia, beeile dich. In Zehn Minuten will ich los. Ich gehe kurz nach oben und ziehe mich rasch um. Ich kann doch nicht in diesem Aufzug unter meine Mitmenschen.«, befahl sie und rannte förmlich die Zweiunddreißig Stufen empor.
»Wie sie wünschen, Frau Roiger.«, bestätigte Claudia.
Ja, ja nur die Etikette nicht vergessen. Lästerte Claudia in Gedanken. Einige Zeit später saßen beide im Taxi auf dem Weg ins Stadtkrankenhaus.

*


Herr Roiger und Johnny befanden sich längst dort. Als bekannt wurde, dass sich einer der reichsten Männer Deutschlands und darüber hinaus einfand, zudem Herr Roiger auch noch als großzügiger Spender der leukämiekranken Kinder hier im Krankenhaus auf der jährlichen Spenderliste befand, wurde seiner Tochter jedwedes Zuvorkommen zuteil. Natürlich wurde sie nur von den Herren Professoren dieser Institution behandelt.
»Es ist besser, Herr Roiger, wenn sie nun im Warteraum warten würden. Sie brauchen sich keine Sorgen um ihre Tochter zu machen. Sie ist hier bei uns in den besten Händen. Außerdem verlangt es die Hausordnung. Ich versichere ihnen, sobald wir sie untersucht haben, bekommen sie umgehend und höchstpersönlich von mir Bescheid.«, bat der Herr Professor ergebens.
Dann streichelte Herr Roiger seine Tochter über die Wangen. Tränen standen ihm in den Augen.
Und Johnny küsste sie ganz zärtlich. Sheila wollte ihn gar nicht erst wieder loslassen. Doch auf Anraten des Arztes gab sie schließlich doch nach. Es war nicht zu übersehen, dass sie sehr große Schmerzen hatte.
Plötzlich, mit einen Geschnatter, das seines Gleichen suchte, kam Frau Roiger an der Rezeption des Hauses an.
»Guten Tag, ich bin Frau Roiger und ich möchte zu meiner Tochter. Und ich warne sie, sollten Sie sich mir in den Weg stellen, so werde ich dafür sorgen, dass sie ab morgen früh als die neue Toilettenfrau hier in diesem Krankenhaus beschäftigt sind.«, sagte sie mit einem Ernst, dass es jeder Schwester hinter demn Tresen ganz anders wurde. Jedoch hatte sie längst Herr Roiger entdeckt und begab sich rasch zu ihr. Denn er kannte das Temperament seiner Frau, wenn es nicht gleich nach ihren Anweisungen ging.
»Adelheid, meine Beste. Komm, wir müssen in den Wartebereich.«, sagte er zu ihr.
»Wie bitte, eine Roiger in den Wartebereich. Gunther, das ist hoffentlich nur ein Scherz. Ich will sofort zu meiner Tochter.«, murrte sie ihren Mann an.
»Aber meine Liebe, das ist hier so Vorschrift. Und wenn die Bundeskanzlerin höchstpersönlich hier wäre, müsste sie ebenfalls in den Wartebereich.«, versuchte er sie zu beruhigen.
»Bundeskanzlerin, das ist doch auch nur eine Angestellte. Wir sind es doch, die sie schließlich einstellen, oder etwa nicht.«, sagte sie lästernd, so dass die gesamte Belegschaft, mit inbegriffen die Patienten, sie ansahen, als wäre sie aus einer Irrenanstalt ausgebüchst.
»Sicherlich hast du Recht, meine Liebe, aber es ist nun mal Vorschrift.«, sagte er.
»So, ist es das. Na schön. Aber Gunther, ich muss mich sehr über dich wundern. Zuzusehen, wie man mich hier behandelt.«, bekräftigte Adelheid ihrem Mann, der sie schulterzuckend zu einem Platz im Wartebereich wies.
»Ich hoffe inständig, dass meine Tochter die bestmöglichste Behandlung zuteil wird.«, betonte sie des weiteren.
»Das versteht sich doch von selbst, meine Liebe, sie wird in diesem Augenblick höchstpersönlich von Professor Auer behandelt.«, versicherte Gunther seiner Frau.
»Nun gut. Das will ich dir mal glauben. Das arme Kind hat schon genug durchmachen müssen.«, womit sie nicht einmal so unrecht hatte.
Claudia war dieses Geschnatter von den beiden längst zur Gewohnheit geworden. Obwohl sie es sich oftmals zum Hobby werden lies, zu erraten, wer von den beiden Herrschaften das stattfindende Wortgefecht schließlich gewann.
Heute und hier jedoch zeigte sie wenig Interesse an ihrer Herrschaften Machtspielereien. Sie musste an ihre Sheila denken. Sie wusste ja, sie spürte, dass Sheila nicht nur körperlich, nein auch seelisch sehr wehgetan wurde. Und sie, die sie Karl kannte, nicht begreifen konnte, dass aus einer einstigen Liebe nur so viel Hass entstehen konnte.



 Kapitel 19
© 2008 by Peter Althammer

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